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Oktober 09/2000
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INNENAUSSCHUSS NAHM F.D.P.-ANTRAG AN

Unterlagen zum NPD-Verbot sollen nun "frühestmöglich" bereitgestellt werden

(in) Ohne Gegenstimmen hat der Innenausschuss am 11. Oktober einen Antrag der F.D.P.-Fraktion angenommen, worin die Bereitstellung des Grundlagenmaterials für ein NPD-Verbot zum frühestmöglichen Zeitpunkt gefordert wird. Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) hatte den Abgeordneten dies zugesichert, nachdem im Einvernehmen mit den Liberalen das Wort "unverzüglich" durch "frühestmöglich" ersetzt worden war. Eine Sitzungswoche zuvor hatte sich der Ausschuss noch zu einer Vertagung bereit erklärt.

Fraktionsübergreifend hatte sich Unmut an der Erwartung der Regierung festgemacht, synchrone Anträge auf ein NPD-Verbot durch Bundesregierung, Bundesrat und Bundestag zu erreichen, obwohl vorhandenes Material den Parlamentariern nicht zur Verfügung gestellt wurde. Alle Fraktionen unterstützten die Liberalen darin, es sei nicht einsichtig, dass Vertreter des Bundestages auf die Materialien verzichten müssten, während die Mitglieder der Innenministerkonferenz bereits über das 500-Seiten-Konvolut verfügten. Es reiche nicht, die belastenden Unterlagen dem Parlamentarischen Kontrollgremium (PKG) stellvertretend für die Parlamentarier zur Prüfung zu geben. Bekräftigt wurde dies von der CDU/CSU, die darüber hinaus der PDS ausdrücklich zustimmte, ein parlamentarisches Verfahren zu einem Verbotsantrag dürfe sich nicht auf "geheime Geschichten" beziehen.

"Keine Alternative"

Zuvor hatte die SPD betont, im Hinblick auf die außerordentliche Sensibilität und Problematik eines Parteiverbotes habe es "zu keinem Zeitpunkt die geringste Alternative zum Vorgehen des Bundesinnenministers" gegeben. Die SPD unterstrich das Bestreben der Regierung, das Verfahren nicht durch vorzeitige Informationen zu gefährden und ein Verbot synchron und mit der breitestmöglichen Mehrheit der demokratischen Kräfte zu beantragen. Andererseits bestätigte sie das originäre Recht der Parlamentarier, eigene Entscheidungen zu treffen. So sei das Votum von Union, Liberalen und PDS verständlich, wonach der Innenminister mit seiner Bekundung, ein NPD-Verbot anzustreben, bereits Fakten gesetzt habe.

Fraktionsübergreifend wurde die grundsätzliche Problematik eines Parteiverbots betont, aber auch Verständnis für die Schwierigkeit der Beweisführung geäußert, wenn bis zum letzten Tag der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht die Möglichkeit bestehe, belastende Fakten zu bereinigen. Die Union bekräftigte das Ziel, ein Verfahren für das erfolgreiche Verbot einer verfassungsfeindlichen Partei möglichst kurz zu halten. Die Verfahrensdauer von fünf Jahren beim KPD-Verbot sei eine unerträgliche Belastung des Parlaments gewesen.

Von den Bündnisgrünen wurde gefragt, warum der Regierungsantrag auf die NPD ziele, nicht aber auf DVU und Republikaner. Die PDS merkte an, dass weder die frühere noch die heutige Bundesregierung ein Verbot bis dato in Betracht gezogen hätten, obwohl doch die Ausrichtung der NPD seit langem bekannt sei.

Dazu erläuterte Innenminister Otto Schily (SPD), es sei tatsächlich erst seit letztem Jahr eine deutliche Veränderung der NPD in Richtung "Straße" und Gewaltbereitschaft zu verzeichnen. Dagegen sei der DVU und den Republikanern eine entsprechende Verfassungsfeindlichkeit nicht nachzuweisen. Derzeit habe man manchmal bereits Mühe, die richterliche Erlaubnis für eine verfassungsrechtliche Observierung zu erlangen. Im Übrigen sei man zuversichtlich, eine Synchronisation der Anträge bei Bundesrat und Bundesregierung zu erreichen und strebe dies auch für den Bundestag an.

Nicht über Nacht zu lösen

Schily betonte nochmals, ein Verbot der NPD dürfe nicht die Erwartung schüren, damit den Rechtsextremismus über Nacht zu beseitigen. Allerdings habe ein Verbotsantrag auch in seinen Auswirkungen durchaus präventiven Charakter, wenn er rechtzeitig angewendet werde.

Noch am 27. September hatte die Mehrheit des Innenausschusses den Wunsch der Regierung akzeptiert, ein NPD-Verbot derzeit nicht inhaltlich zu diskutieren. Dabei hatte sich der Ausschuss zunächst darauf geeinigt, die

Ergebnisse einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe abzuwarten, um gemeinsame Anträge von Regierung, Bundestag und Bundesrat zu einem NPD-Verbot zu diskutieren.

Abgewiesen wurde damit die Forderung der PDS, mit inhaltlicher Diskussion zum NPD-Verbot die Bevölkerung rechtzeitig und inhaltlich auf ein Parteiverbot vorzubereiten. Die SPD hatte dies strikt abgelehnt und – unterstützt von den anderen Fraktionen – damit begründet, die NPD könnte vorzeitige Informationen im Rahmen der inhaltlich geführten Diskussion nutzen, um Vorwürfe zu "korrigieren".




Stimmen zu einem NPD-Verbot aus der Debatte zum Jüdischen Leben in Deutschland:

Gabriele Fograscher (SPD) betonte, nur ein ganzes Bündel aus Ursachenforschung, Prävention, Repression, sinnvollen Angeboten "und gegenenfalls ein Parteiverbot der NPD" könne den Rechtsextremismus entscheidend bekämpfen.

Heinz Schmitt (SPD) begrüßte den beabsichtigten Verbotsantrag, "damit ein wichtiges politisches Signal der Entschlossenheit gegen den Rechtsextremismus" gesetzt wird.

Friedrich Merz (CDU/CSU) erklärte, die Initiative zu einem Parteiverbot sei in erster Linie nicht Sache des Parlaments, sondern eine klassische Aufgabe der Regierung. Dem Bundesverfassungsgericht sei eine aggressive Verfassungsfeindlichkeit sehr genau nachzuweisen, "damit es nicht zu Fehleinschätzungen mit fatalen Konsequenzen kommt".

Annelie Buntenbach (Bündnis 90/Die Grünen) forderte, eine schonungslose Aufarbeitung sei notwendig, "die nicht an der Oberfläche verharren darf".

Guido Westerwelle (F.D.P.) legte dar, warum kontrovers diskutiert werde: Wenn das Verbot scheiterte, bekäme die NPD den TÜV aus Karlsruhe, was ein "Desaster für die Demokratie wäre". Ein Verbot aber würde die NPD zum Verfassungsfeind machen, DVU und Republikanern jedoch das Gütesiegel der Verfassungsmäßigkeit geben.

Roland Claus (PDS) verdeutlichte, es müsse darum gehen, "mit der Bundesregierung den Rechtsextremismus zu bekämpfen" und nicht darum, das Thema zu nutzen, um gegen sie zu agieren.

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/2000/bp0009/0009026
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