tagesläufe
Schnell denken, schnell reden, gut planen
Der F.D.P.-Abgeordnete Dirk Niebel legt
schon am Montag ein gutes Tempo vor – dann ist eine
erfolgreiche Sitzungswoche garantiert.
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09.00 Uhr: Abgeordnetenbüro. |
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Dirk Niebel im Abgeordnetenbüro. |
Aufgestanden ist er zeitig am Morgen. Und spät ins Bett
gekommen am Abend zuvor. Radio hat er gehört –
Nachrichten, die schneller sind, als jede Tageszeitung sein kann.
Gut informiert und gut gelaunt kommt er ins Büro. Man kann
vermuten, es war ein Tagesanfang, wie er ihm gefällt. Mit der
Hoffnung vielleicht, dass das Wetter hält, was die Nachrichten
versprachen: Sonne.
"Kein Frühstück vor zehn", sagt der Abgeordnete Dirk
Niebel und rückt Stühle in seinem kleinen Bürozimmer
zu einem provisorischen kleinen Kreis zusammen. "Das bekäme
mir wirklich nicht gut." Er zieht das grüne Jackett aus und
legt mit einem kleinen Augenzwinkern die Hand auf den Bauch. Aber
da man, um ihm ins Gesicht zu sehen, den Kopf leicht in den Nacken
legen muss, kann diese kleine Geste nur am Rande wahrgenommen
werden.
Eine neue Woche, ein noch graublauer Montag. Der Abgeordnete
Niebel ist am Abend zuvor mit dem Flugzeug aus Augsburg angereist.
Landung in Tempelhof, Fahrt in die Wohnung am Rosa-Luxemburg-Platz,
letzte Vorbereitungen für die anstehende Sitzungswoche, in der
die zweite Lesung des Bundeshaushaltes 2001 stattfindet, der neue
Verkehrsminister vereidigt und ganz gewiss über BSE debattiert
wird.
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Dirk Niebel im Fraktionsarbeitskreis. |
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10.27 Uhr: Fraktionsarbeitskreis. |
Warum Dirk Niebel, geboren und aufgewachsen in Hamburg und
wohnhaft in Heidelberg, aus Augsburg angereist kommt? Am Sonntag
vor diesem Montag ist er zum Vizepräsidenten der
Deutsch-Israelischen Gesellschaft gewählt worden. Als
stellvertretender Vorsitzender der deutsch-israelischen
Parlamentariergruppe wird er sich an diesem Montag Mittag mit einem
Vertreter der israelischen Botschaft treffen. Aber erst in ein paar
Stunden, wenn ein Teil der Büroarbeit erledigt und die
Besprechung im Arbeitskreis III der F.D.P.-Fraktion beendet
ist.
Jetzt ist es gleich neun. Der Abgeordnete Niebel hat sich einen
dicken Stapel Akten und Papiere aus seinem Wahlkreis mitgebracht
und bespricht zuerst einmal mit seiner Mitarbeiterin die laufende
Woche. Als arbeitsmarktpolitischer Sprecher seiner Fraktion ist er
ein gefragter Mann in so einer Haushaltswoche.
Wird er reden? Wahrscheinlich – oder zumindest eine Rede
vorbereiten für die Fraktion. "Ich rede gern", sagt Dirk
Niebel, "und ich rede frei. Ich habe vor einiger Zeit einen Antrag
zur Stärkung der freien Rede ins Plenum eingebracht, über
den eine halbe Stunde diskutiert worden ist. Es gab je Fraktion
drei Minuten pro und drei Minuten kontra freie Rede. Klar, man kann
nicht alles ohne Manuskript machen, aber die freie Rede belebt doch
jede Debatte. Nun habe ich aber auch eine Selbstbindung, frei zu
reden. Zum Glück rede ich wirklich gern und am liebsten eben
frei. Nur zu schnell, das sagen mir alle. Da muss ich
aufpassen."
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12.15 Uhr: Restaurant im
Reichstagsgebäude. |
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Dirk Niebel im Restaurant. |
Ob das mit dem Aufpassen klappt, ist fraglich. Der Abgeordnete
Niebel schafft es, in einem Idiom, das nicht mehr Hamburg und noch
nicht Heidelberg ist, in drei Minuten zu sagen, wofür andere
vielleicht zehn brauchen – nur weil sie langsamer intonieren.
Dabei lächelt er absolut unschuldig, macht ausholende
Bewegungen mit den Händen und zwingt seine
Gesprächspartner zu höchster Konzentration. Das ist
wahrscheinlich auch sein Ziel.
Um halb zehn ist Dirk Niebel mit seinen Mitarbeiterinnen die
Schwerpunkte der Woche durchgegangen. Dabei geht er durch den Raum,
bewegt sich zwischen den Schreibtischen, will noch nicht
stillsitzen. Niemand wird nervös – so ist er eben. Die
Mitarbeiterin hat alle Termine im Kopf, notiert, gibt dem noch
Ungeordneten eine Ordnung. Danach kann sich der Abgeordnete Niebel
an seinen Schreibtisch setzen, um bis zum ersten Termin die ersten
und dringendsten Angelegenheiten vom großen Stapel
abzuarbeiten. Einige Termine für diesen Tag werden gestrichen,
so die Teilnahme am Arbeitskreis Außen- und
Sicherheitspolitik. Dirk Niebel ist Stellvertreter seiner Fraktion
im Verteidigungsausschuss: "Wir sind ja noch nicht so viele,
deshalb muss die gleiche Arbeit auf weniger Schultern verteilt
werden. Die derzeit noch größeren Fraktionen", sagt er
und grinst ein wenig, "haben es da leichter."
Eine Stunde bleiben ihm vorerst für Büroarbeit. Eine
Presseerklärung für die Zeitungen im Wahlkreis muss
geschrieben werden. Außerdem beschäftigt ihn ein Problem,
das die Neustrukturierung der Zollämter in seiner Heimatregion
betrifft. "So, wie die das jetzt planen, kann es nicht
funktionieren. Das hat zu wenig Logik." Der Abgeordnete Niebel wird
sich damit befassen und überlegen, was man tun kann, um der
Logik zum Sieg zu verhelfen.
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Dirk Niebel beim Treffen mit der Vertreterin des
Bundesverbandes Junger Unternehmer. |
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14.03 Uhr: Treffen mit Vertreterin des Bundesverbandes
Junger Unternehmer. |
Um 10.30 Uhr beginnen die Beratungen im Raum 147 in der
Dorotheenstraße 93 des Fraktionsarbeitskreises III mit dem
langen Titel "Arbeits- und Sozialpolitik, Gesundheitspolitik,
Familien-, Frauen- und Jugendpolitik". Sieben Abgeordnete und deren
Mitarbeiter planen die Woche und langfristig zu organisierende
Termine. Vorab ein kurzes Gespräch mit der Vorsitzenden des
Arbeitskreises, Irmgard Schwaetzer. "Du wirst Freitag reden",
kündigt sie dem Abgeordneten Niebel an. "Das wird knapp", sagt
der, "ich muss am Nachmittag nach Basel fliegen. Ich habe abends
eine ganz wichtige Veranstaltung. Vielleicht bereite ich die Rede
vor, und jemand anders muss sie halten." Das ginge zur Not, einigt
man sich – Termine sind Termine. Die Sitzung des
Arbeitskreises geht zügig vonstatten. Nach einer Stunde ist
die Tagesordnung geschafft, sind die Aufgaben, die Redezeiten
verteilt, starten alle mit klarem Plan in die Woche. Die Effizienz
der kleinen Arbeitsgruppe kommt dem Abgeordneten Niebel sehr
entgegen: Noch einmal ins Büro, noch einmal einen kleinen vom
großen Stapel wegarbeiten, ehe er sich zum Treffen mit Herrn
Livne – 12.15 Uhr, Reichstag, Restaurant –
aufmacht.
Dirk Niebel ist fünf Minuten vor der Zeit da. Das
genügt für einen Schnelldenker und Schnellsprecher wie
ihn, einen Kurzvortrag über sich und Israel zu halten: "Ich
habe zwei Jahre als freiwilliger Helfer in einem Kibbuz gearbeitet.
Das ist eine sehr wichtige Zeit für mich gewesen. Meine
Beziehung zu Israel ist stark emotional geprägt. In
Situationen wie diesen, da die politische Lage wieder eskaliert,
merke ich das besonders. Ich habe mir damals aus dem Kibbuz eine
kleine Hündin mitgebracht", verrät er kurz am Rande, "die
ist sechzehn Jahre alt geworden, meine Kinder haben sie geliebt."
Und wieder zum Thema nach dem kleinen Einschub: "Ich bemühe
mich, kontinuierlich Kontakt mit Vertretern der Botschaft Israels
und anderen zu halten, auf dem Laufenden zu bleiben. Solche
Gespräche wie dieses heute, sind dafür unabdingbar."
Das Prinzip ist einfach und schwer zugleich: Informationen
sammeln, mit kompetenten Menschen über Sachthemen diskutieren,
sich die Meinung anderer anhören, an der Praxis prüfen,
was man im Bundestag tut, systematisieren, Schwerpunkte setzen, in
der parlamentarischen Arbeit umsetzen, was auf diese Art und Weise
an Erkenntnissen gewonnen wurde.
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16.05 Uhr: Fraktionssitzung. |
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Dirk Niebel in der Fraktionssitzung. |
Dafür steht auch der 14-Uhr-Termin. Dirk Niebel ist mit
Marion Schink vom Bundesverband Junger Unternehmer verabredet. Von
ihr will er mehr darüber wissen, was die zu erwartende
Neuregelung des Anspruchs auf Teilzeitarbeit für kleinere und
mittlere Unternehmen bringen wird. Frau Schink erläutert ihm
die Schwierigkeiten, die mit dem Gesetz einhergehen und lobt ganz
en passant den Abgeordneten: "Wir brauchen Leute wie Herrn Niebel",
sagt sie, "die uns zuhören und unsere Interessen im Bundestag
vertreten. Es geht darum, sachliche Argumente zu finden, die zum
Beispiel für oder gegen diesen Gesetzentwurf sprechen."
"Ich weiß aus eigener Erfahrung", sagt Dirk Niebel, "wie
wichtig es ist, Möglichkeiten zu haben, auch in Teilzeit
arbeiten zu können. Ich habe selbst auf diese Art und Weise
einen Teil des Erziehungsurlaubs nehmen können. Gut für
mich und meine Kinder. Aber ich weiß auch, dass kleine und vor
allem auch junge Unternehmen Schwierigkeiten haben werden mit dem,
wie es jetzt geregelt worden ist."
Nach dem Gespräch mit Frau Schink hat der Abgeordnete
wieder ein bisschen Zeit für Büroarbeit. Nicht viel, denn
um 16 Uhr beginnt die Fraktionssitzung der F.D.P. – und heute
steht die Wahl des neuen Fraktionsvorstandes auf dem Programm.
Vorher aber kann er schon einmal erste Überlegungen
anstellen zu einem Fall, der ihm – verbunden mit der Bitte um
Hilfe – aus dem Wahlkreis angetragen wurde: "Da ist ein
Bäckermeister, der hat einen Gesellen. Bei den schwierigen
Arbeitszeiten findet der auch so schnell keinen neuen. Und nun soll
der Geselle eingezogen werden. Da muss der Bäcker seinen Laden
zumachen. Also werde ich sehen, ob man da was tun kann. Sind
schließlich Vernunftgründe, mit denen sich argumentieren
lässt. Vielleicht kann der Geselle auch später seinen
Dienst absolvieren."
Dirk Niebel ist pünktlich bei der Fraktionssitzung im
Reichstagsgebäude, debattiert, berät und wählt um 17
Uhr den neuen Fraktionsvorstand mit. Damit ist seine Terminrunde an
diesem Tag beendet. Ein außergewöhnlicher Tag: keine
Abendveranstaltungen. Das kommt ihm entgegen, denn nun kann er im
Büro wirklich mal am Stück arbeiten. So was braucht auch
ein Schnelldenker und Schnellredner wie er. Um 23.30 Uhr
verlässt er seinen Schreibtisch und das Gebäude in der
Dorotheenstraße 93.
Die Sonne hat geschienen an diesem Tag, wie die Nachrichten es
versprachen. Nur das Abendessen fällt wohl wieder aus. Wie das
Frühstück.
Kathrin Gerlof