II . Blick in den Bundestag
7. Abstimmungen
Für einen Beschluss des Bundestages ist die Mehrheit der abgegebenen Stimmen erforderlich, soweit die Verfassung (Art. 42 Grundgesetz) nichts anderes vorschreibt. In der Regel wird mit Handzeichen abgestimmt. Bei der Schlussabstimmung über Gesetze erheben sich die Abgeordneten von ihren Plätzen. Jeder der Abgeordneten muss sich einmal erheben, je nachdem ob er/sie für oder gegen die Vorlage stimmt oder sich der Stimme enthält.
Namentliche Abstimmung
Eine namentliche Abstimmung, die auf Verlangen einer Fraktion oder von mindestens fünf Prozent der Mitglieder des Bundestages stattfinden muss, wird bei politisch umstrittenen Fragen vorgenommen. Dafür haben die Abgeordneten Stimmkarten mit dem Aufdruck des Namens und der Zugehörigkeit zu einer Fraktion. Blaue Karten bedeuten ein "Ja", rote Karten ein "Nein", weiße weisen eine Stimmenthaltung aus. Die Karten, die die Parlamentarier/innen in aufgestellte Urnen werfen, werden von den Schriftführern/innen gezählt. Das Ergebnis wird von dem/der Sitzungspräsidenten/in bekannt gegeben. Eine namentliche Abstimmung ist unzulässig über die Stärke von Ausschüssen, die Abkürzung von Fristen, die Sitzungszeit und Tagesordnung sowie über die Vertagung von Sitzungen bei Aufschub der Aussprache. Auch über die Überweisung einer Vorlage an einen Ausschuss kann nicht in namentlicher Abstimmung entschieden werden.
Geheime Abstimmung
Wahlen mit verdeckten Stimmzetteln (geheime Wahlen) finden statt, sofern das in der Verfassung oder einem Bundesgesetz vorgesehen ist. Geheim gewählt werden der/die Bundeskanzler/in, der/die Bundestagspräsident/in sowie der/die Wehrbeauftragte des Parlaments. Hierzu erhält jede/r Abgeordnete, der/die zuvor von einem/r Schriftführer/in mit Namen aufgerufen wurde, einen amtlichen Stimmzettel mit Umschlag. Der Zettel wird in einer der aufgestellten Wahlkabinen ausgefüllt und anschließend unter der Kontrolle der Schriftführer/innen in eine Wahlurne geworfen. Das Ergebnis teilt der/die Sitzungspräsident/in mit.
Auszählen ("Hammelsprung")
Mit der Abstimmung durch den "Hammelsprung" sollen Zweifelsfälle bereinigt werden, etwa dann, wenn das Ergebnis im Sitzungsvorstand unterschiedlich beurteilt wird. Dann müssen die Abgeordneten gezählt werden. Sie verlassen den Sitzungsraum und werden bei der Rückkehr durch eine von drei Türen (Ja-Nein-Enthaltung) gezählt. Das Ergebnis teilt der/die Sitzungspräsident/-in mit. Der Name "Hammelsprung" geht auf ein Intarsienbild über einer Abstimmungstür im Berliner Reichstagsgebäude zurück. Das Bild zeigte den blinden Polyphem aus der griechischen Sage, der seine Hammel zählt, unter deren Bäuche sich Odysseus und seine Gefährten geklammert haben, um so der Gefangenschaft zu entkommen.
Beschlussfähigkeit
Nach seiner Geschäftsordnung ist der Bundestag beschlussfähig, wenn mehr als die Hälfte seiner Mitglieder im Sitzungssaal anwesend ist. Wird vor Beginn der Abstimmung die Beschlussfähigkeit von so vielen anwesenden Abgeordneten bezweifelt, die eine Fraktion bilden könnten (in der 14. Wahlperiode: 5 Prozent = 34), und auch vom Sitzungsvorstand nicht einmütig bejaht, ist in Verbindung mit der Abstimmung die Beschlussfähigkeit durch Zählung der Stimmen festzustellen. Ist der Bundestag beschlussunfähig, hebt der/die Sitzungspräsident/-in die Sitzung sofort auf. Ein Verlangen auf namentliche Abstimmung bleibt jedoch in Kraft. Bei der Feststellung der Beschlussfähigkeit zählen Stimmenthaltungen und ungültige Stimmen mit.
|
Das Reichstagsgebäude-Westportal. |
Einfache Mehrheit
Im Normalfall genügt die Mehrheit der abgegebenen Stimmen, wobei Enthaltungen nicht mitgezählt werden. Theoretisch könnte der Bundestag mit zwei Ja- gegen eine Nein-Stimme bei 666 Enthaltungen etwas entscheiden.
Absolute Mehrheit
Unter absoluter Mehrheit versteht man die Mehrheit der Mitglieder des Bundestages. Nach der Verfassung ist das "die Mehrheit ihrer gesetzlichen Mitgliederzahl" (zur Zeit 335). Die Mehrheit der Mitglieder des Bundestags ist erforderlich, um den/die Bundestagspräsidenten/-in und seine/ihre Stellvertreter zu wählen. Das Gleiche gilt für die Wahl des/der Bundeskanzlers/-in im ersten und zweiten Wahlgang sowie beim konstruktiven Misstrauensvotum und der Wahl eines/-r Bundeskanzlers/-in nach einer gescheiterten Vertrauensfrage. Ferner ist die absolute Mehrheit erforderlich beim Überstimmen eines Bundesratseinspruchs, sofern diese Mehrheit ausreicht. Außerdem ist sie notwendig bei Änderungen des Gebietsstandes der Bundesländer und bei der Errichtung bundeseigener Mittel- und Unterbehörden (etwa Schifffahrtsdirektionen, Schifffahrtsämter). Nur mit der Mehrheit der Mitglieder sind Richter/-innen der obersten Gerichte und der/die Wehrbeauftragte des Bundestages zu wählen.
Einfache Zweidrittelmehrheit
Mit der Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen, mindestens jedoch der Mehrheit des Bundestages, können vom Bundesrat beschlossene Einsprüche zurückgewiesen werden, die dort von zwei Dritteln der Bundesratsmitglieder erhoben wurden. Ferner kann der Verteidigungsfall mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen, mindestens der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages, festgestellt werden. Der Spannungsfall kann mit der Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen festgestellt werden. Der Bundestag kann im Verteidigungsfall für eine Verpflichtung der Bürgerinnen und Bürger zu Dienst- und Arbeitsleistungen ebenfalls mit zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen votieren. Zwei Drittel der anwesenden Mitglieder können nach der Geschäftsordnung des Bundestages unter anderem beschließen, über Vorlagen in der Zweiten Lesung zu beraten, ohne dass eine Ausschussüberweisung erforderlich war.
Absolute Zweidrittelmehrheit
Zwei Drittel der Mitglieder des Bundestages sind für Gesetzesbeschlüsse erforderlich, die das Grundgesetz ändern.
Beschlussempfehlung
Der Ausschuss, an den nach der ersten Beratung im Plenum Vorlagen zur federführenden Beratung überwiesen wurden, erarbeitet für den Bundestag Beschlussempfehlungen. In ihnen sind die Diskussion im Ausschuss, die vorgetragenen Änderungen zu der jeweiligen Vorlage sowie die Voten der mitberatenden Gremien zusammengefasst. Anhand von Beschlussempfehlungen der Fachausschüsse fällt das Plenum des Bundestages seine abschließenden Entscheidungen.
Bundestagsdrucksachen
Alle Vorlagen für den Bundestag werden gedruckt und an die Abgeordneten und Verwaltungsstellen des Bundestages sowie an den Bundesrat und an die Bundesministerien und die Vertreter der Presse verteilt. Sie erhalten die Nummer der Wahlperiode und eine fortlaufende Nummer, z.B.: 14/1
Diskontinuität
Während der Wahlperiode nicht zu Ende beratene Vorlagen gelten mit Ablauf der Wahlperiode als erledigt (Diskontinuität). Der Bundestag kann jedoch beschließen, dass solche Vorlagen erneut beraten werden.