Karl-Otto Sattler
Mit Oskar und Heiko als Tandem an zwei
Fronten
Saarland: Riskanter Spagat der SPD im
Superwahljahr
Manchmal geht es in den Sälen richtig aufgewühlt her.
Die beiden Matadore ziehen im Klatschmarsch ein, öfters
brandet während der Reden Beifall in Stakkato-Wellen auf,
"Oskar, Oskar"- und "Heiko, Heiko"-Rufe ertönen. Nach den
Auftritten spendet das Publikum stehend Applaus. Während die
SPD auf Bundesebene in einem depressiven Dauertief steckt, scheint
die Parteibasis an der Saar einen Mobilisierungsschub
durchzumachen.
Selbst im kleinen Siersburg strömten jüngst beim
Aschermittwochmeeting 1000 Anhänger in die Dorfhalle. Der
Landesvorsitzende Heiko Maas, Oppositionsführer im Landtag,
und Oskar Lafontaine, auch ohne Amt im deutschen Südwesten
nach wie vor recht populär, treffen als Duo im Wahlkampf die
Herzen der Genossen: Ihre Reden kreisen um "soziale Gerechtigkeit".
Kein anderer Begriff wird so häufig beschworen. Offen
geißelt Lafontaine die "falsche Politik" in Berlin. Der
saarländische DGB-Vorsitzende Eugen Roth, auch Vize der
Saar-SPD: "Hier an der Saar schlägt das Herz noch links."
Umjubelt bei Veranstaltungen wird auch Ottmar Schreiner, linker
Rebell im Bundestag.
Im Superwahljahr mit Kommunal- und Europawahlen im Juni sowie
dem Urnengang für den Landtag am 5. September wagt die SPD an
der Saar eine in dieser Konsequenz von keinem anderen Landesverband
eingeschlagene Strategie: Maas und die Seinen attackieren nicht nur
das Kabinett von CDU-Ministerpräsident Peter Müller,
sondern kritisieren auch offensiv den von Berlin betriebenen Kurs
des Sozialabbaus, um sich vom negativen Bundestrend abzukoppeln -
man will zudem Druck machen für eine politische
Neuorientierung der Partei insgesamt.
Maas über das neue Führungstandem aus Kanzler Gerhard
Schröder und dem designierten Vorsitzenden Franz
Müntefering: Die Malaise der SPD wurzele nicht in einem
Problem der "Vermittlung", sondern der Politik. Lafontaine: "Eine
Änderung der Politik muss aus der Partei heraus kommen".
Allein, dass der von der Bundes-SPD geschnittene "Oskar" als
Zugpferd im Wahlkampf agiert, setzt ein Signal. Dessen Credo:
"Sozialdemokratische Mehrheiten liegen auf der Straße, wenn
wir die Interessen der Arbeitnehmer vertreten".
Solche Botschaften hört die gequälte Genossenseele
gern. Denn auch die erfolgsverwöhnte Saar-SPD, die bis zur
Niederlage 1999 unter Lafontaine und zuletzt Reinhard Klimmt 14
Jahre lang mit absoluter Mehrheit regierte, sieht sich arg
gebeutelt. Wenige Monate vor dem 5. September landen die Roten in
Umfragen weit hinter Müllers Union - die Demoskopen sagen der
CDU sogar eine absolute Mehrheit der Stimmen und nicht nur wie
jetzt der Mandate im Parlament voraus. Im persönlichen
Vergleich mit dem Ministerpräsidenten rangiert Maas noch
weiter abgeschlagen.
Seit 1999 verlor die SPD zwölf Bürgermeistersessel,
und dies selbst in einstigen Hochburgen wie Völklingen oder
Saarlouis. Zwar hat die saarländische SPD mit rund 30.000
Mitgliedern bei einer Million Einwohnern noch immer den bundesweit
höchsten Organisationsgrad, doch zu den besten Zeiten waren es
einmal 38.000 - und aus Protest gegen die Berliner Politik des
Sozialabbaus verließen allein 2003 über 2.000 Genossen
die Partei.
Auch an der Saar wird die SPD vor allem vom Gegenwind aus Berlin
durchgeschüttelt. Hausgemachte Ursachen fehlen freilich
ebenfalls nicht: So findet vor dem Saarbrücker Landgericht
momentan der Berufungsprozess gegen den erstinstanzlich wegen
Untreue verurteilten Saarbrücker SPD-OB Hajo Hoffmann statt,
der zwar vom Dienst suspendiert, aber immer noch im Amt ist.
Besonders im jetzigen Wahljahr markiert dieses Verfahren für
die SPD, die ohnehin in der Defensive steckt, einen
zusätzlichen Klotz am Bein.
Der lange Zeit etwas farblos wirkende Heiko Maas ist inzwischen
zu kämpferischer Form aufgelaufen und weiß als Redner die
Zuhörer besser zu packen als bisher. Tapfer nimmt der
SPD-Spitzenkandidat den Regierungschef aufs Korn. Es ist ja nicht
so, dass die CDU keine Angriffsflächen böte. So ist der
Landesetat enorm verschuldet, Maas bezeichnet Müller "als
Bankrotteur des Jahres". 2003 verzeichnete das Saarland einen
Rückgang der Wirtschaftsleistung um ein Prozent, was deutlich
über dem Bundesschnitt liegt. Republikweit nimmt die Region
bei Firmenpleiten einen Spitzenplatz ein.
Landespolitisch macht die SPD bei den Wählern indes bislang
kaum Punkte: In der angestammten Klientel dominieren Frust und
Ärger über Sozialkürzungen, über Einschnitte
bei den Renten, über die finanziellen Belastungen von
Patienten. Maas: "Die schmerzhafte Situation geht zum großen
Teil auf unser Konto." Trotz aller Kritik an der Bundes-SPD
übt sich Maas im Spagat gegenüber Berlin, um einen
offenen Bruch zu vermeiden. "Kritische Solidarität", so seine
Botschaft, wolle er mit der Bundespartei üben.
Er hofft, "dass Müntefering die Zeichen der Zeit erkannt
hat". Die Saar-SPD fordert die Bürgerversicherung, die
Ausbildungsplatzabgabe und höhere Steuern auf
größere Erbschaften. Maas: "Wir blicken der Entwicklung
gespannt entgegen". Lafontaine pflegt eine deutlichere Sprache: Bei
den Wahlen dieses Jahres dürfe die Saar-SPD "nicht abgewatscht
werden, weil in Berlin so viel Mist gebaut wird".
Spektakulärer Prozess
Auch wegen des spektakulären Prozesses gegen
Saarbrückens OB Hoffmann sorgt sich die Landespartei
stärker, als nach außen gesagt wird. So etwas ist
bundesweit einmalig: Noch nie hat der Rathauschef einer
Großstadt trotz Schuldspruchs sein Amt beibehalten, um aus
einer gewählten Position heraus in zweiter Instanz für
einen Freispruch und für die Rückkehr an seinen
Schreibtisch zu kämpfen.
Im Mai 2002 hatte das Amtsgericht den SPD-Politiker zu einer
Geldstrafe von 25.000 Euro wegen Untreue verurteilt: Bei der
Errichtung von Hoffmanns Privathaus sollen Boden- und
Gartenarbeiten im Gesamtwert von 28.000 Euro über das
Millionen-Projekt einer städtischen Siedlungsgesellschaft
abgerechnet worden sein, deren Aufsichtsratsvorsitzender der OB
war. Hoffmann, den das Innenministerium im August 2002 nach dem
Richterentscheid suspendierte und dessen Amtsgeschäfte seither
ohne Fortune der grüne Stellvertreter Kajo Breuer führt,
bestreitet nach wie vor die Vorwürfe. Jedoch wäre der OB
bereit, eine Einstellung des Verfahrens wegen geringer Schuld gegen
Zahlung einer Geldbuße zu akzeptieren - womit er nicht
vorbestraft wäre.
Sollte der SPD-Mann tatsächlich seine Rückkehr ins
Rathaus erreichen, wäre dies bundesweit eine Sensation: Ein OB
kämpft sich in Amt und Würden auch gegen die
öffentliche Stimmung durch die rechtlichen Instanzen. Bei der
Saar-SPD hofft man freilich vor allem inständig, dass diese
unerquickliche Affäre möglichst bald im Wahlkampf aus der
Welt geschafft und mit einem Urteil des Landgerichts abgeschlossen
wird - so oder so.
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