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Christian Hauck
Carstensen kontra Simonis
Schleswig-Holstein wählt einen neuen
Landtag
Es war kein rauschendes Fest, als die
schleswig-holsteinische CDU am 7. Januar in Kiel die heiße
Phase ihres Wahlkampfes einläutete. Wegen der Flutkatastrophe
in Asien hatte sich die Nord-Union mit ihrem Spitzenkandidaten
Peter Harry Carstensen Zurückhaltung auferlegt. Doch nicht nur
die Trauer um die Opfer trübte die Stimmung in der alten
Werfthalle 400 direkt am Ufer der Kieler Förde. Fünf
Wochen vor dem Urnengang am 20. Februar sind bei vielen
Christdemokraten die Hoffnungen geschwunden, nach fast 17 Jahren
wieder an die Macht in Kiel zurück zu kehren. Daran konnte an
diesem Tag auch die betont kämpferisch auftretende
Bundesvorsitzende Angela Merkel nicht viel ändern. Einziger
Trost: Der SPD geht es nicht anders.
Fast zeitgleich mit der CDU in Kiel feierten
die Genossen in Neumünster ihre Ikone Heide Simonis.
Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte seinen groß
angekündigten Besuch wegen der Flutkatastrophe kurzfristig
abgesagt. Statt seiner mühte sich der Schriftsteller
Günter Grass, die SPD mit Berichten über die guten Zeiten
von Willy Brandt zum Wahlkampf zu motivieren. Denn trotz der
großen Popularität ihrer Ministerpräsidentin
können die Sozialdemokraten nicht sicher sein, die Koalition
mit den Grünen fortzusetzen. In den Wahlprognosen liegen SPD
und CDU fast gleichauf, ihre potenziellen Verbündeten,
Grüne und FDP, ebenfalls. Zum Zünglein an der Waage kann
so der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) werden, der
als Partei der dänischen Minderheit von der
Fünf-Prozent-Hürde befreit ist und damit wieder sicher im
Landtag vertreten sein wird.
Vor fünf Jahren war
Ex-Verteidigungsminister Volker Rühe schwungvoll angetreten,
um Simonis abzulösen. Damals verhagelten ihm die
CDU-Spendenaffäre und das beharrliche Schweigen von Altkanzler
Kohl den sicher geglaubten Sieg. Auch Peter Harry Carstensen hatte
noch im vergangenen Sommer kräftig Rückenwind. Im Lande
zwischen den Meeren herrschte Wechselstimmung. Dass dies heute
nicht mehr so ist, liegt nicht nur am Bundestrend. Bis heute
hängen dem 56-jährigen Carstensen eigene Fehler aus der
Startphase des Wahlkampfes an. Konfrontiert mit den hohen
Popularitätswerten der Amtsinhaberin, wollte die CDU schon
früh den Bekanntheitsgrad des stets froh gelaunten Nordfriesen
steigern. Heraus kam dabei unter anderem eine bislang einmalige
Kampagne der "Bild"-Zeitung. In einem Zeitungsinterview hatte der
verwitwete Nordfriese ausgeplaudert, dass er eine Frau suche. Was
folgte, war eine öffentliche Brautschau, die in Deutschland
bislang ihresgleichen suchte. Was Carstensen in der
Bevölkerung vielleicht noch Sympathien eintrug, löste an
der Parteibasis erste Zweifel an der politischen Kompetenz des
Spitzenkandidaten aus.
Populäre Landesmutter
Weitere taktische Fehler folgten, so die
Vorstellung eines Schattenkabinetts, dem zunächst keine Frau
angehörte. Inzwischen haben die Wahlkampfmanager der Union
kräftig umgesteuert. Statt noch weiter auf die Zugkraft des
Spitzenkandidaten zu setzen, werden nun Sachthemen in den
Vordergrund gestellt: die desolate Finanzlage des Landes, die
Wirtschaftsflaute und die Forderung der SPD nach einer
Einheitsschule bis zur neunten Klasse sind nun die Angriffspunkte
der CDU. Eine in dieser Woche gestartete Unterschriftenaktion
für das dreigliedrige Schulsystem soll die Bürger
für die Union mobilisieren.
Unterdessen trumpft die SPD dort auf, wo die
CDU schwach ist. "Heide" der Vorname von Deutschlands einziger
Ministerpräsidentin ist zum Programm geworden. Mit rotem Schal
lächelt Simonis freundlich von Plakaten. Die Popularität
der Landesmutter soll es für die Sozialdemokraten in
Schleswig-Holstein noch einmal richten, denn die politische
Botschaften haben sich in 17-jähriger sozialdemokratischer
Regierungsverantwortung entweder abgenutzt oder sind selbst in der
Sozialdemokratie zu kontrovers. Jüngstes Beispiel der
vergangenen Woche: Wieder einmal wollte Simonis finanzpolitisch
brillieren und forderte ein Erhöhung der Mehrwertsteuer. Das
Nein von Kanzler ließ nicht lange auf sich warten.
Das Patt der beiden großen Parteien in
den Umfragen, die Rolle des SSW und die Unsicherheit über
einen möglichen Einzug der NPD ins Parlament haben
Koalitions-Spekulationen ausgelöst, die den Wahlkampf
stärker überlagern, als den Parteistrategen Recht sein
kann. Sogar Simonis sah sich genötigt, dazu Stellung zu
beziehen. Eine vom SSW tolerierte rot-grüne
Minderheitsregierung werde sie nicht leiten. Stattdessen ließ
die Ministerpräsidentin wissen, dass eine große Koalition
die Lösung sein könnte, wenn nichts anderes mehr geht. Da
sah FDP-Chef Wolfgang Kubicki schon seine Felle davon schwimmen und
versicherte, dass die Liberalen die rot-grüne Konstellation
beenden wollen - wie auch immer. Für Simonis ein "komfortable
Situation", kommentierte das Flensburger Tageblatt die politische
Lage im Norden Deutschlands fünf Wochen vor dem
Urnengang.
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