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K. Rüdiger Durth
Berlin erhält nur eine Mini-U-Bahn
Schildbürgerstreich
"Kanzlerlinie"
Für die einen ist sie schlicht ein
Schildbürgerstreich, für die anderen zu teuer, für
alle aber eigentlich überflüssig - die U 5 vom
künftigen Hauptbahnhof, der im Jahr 2006 in Betrieb genommen
werden soll, bis zum Alexanderplatz. Im Volksmund heißt dieses
U-Bahn-Stück denn auch "Kanzlerlinie" - doch nicht nach dem
jetzigen Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), sondern seinem
Vorgänger Helmut Kohl (CDU). Als feststand, dass Berlin wieder
Hauptstadt und Regierungssitz werden würde, wollten die Planer
auch den künftigen Hauptbahnhof mit dem Kanzleramt sowie dem
Reichstag als Sitz des Deutschen Bundestages sowie dem Zentrum von
Berlin-Mitte, dem Alexanderplatz verbinden. Gedacht, geplant und
gebaut.
Als der unterirdische Rohbau 2001 bis zum Brandenburger Tor
fertig war, wurde der Weiterbau gestoppt. Vor allem deshalb, weil
der Berliner Senat kein Geld für solche aufwändigen
Bauprojekte mehr hatte. Aber auch, weil niemand einsah, warum man
ausgerechnet für die kurze Strecke vom künftigen
Hauptbahnhof bis zum Brandenburger Tor eine U-Bahn benötigte,
schließlich kann man diese Strecke in wenigen Minuten zu
Fuß zurücklegen. Freilich, diese neue U-Bahn-Linie sollte
in erster Linie den neuen Hauptbahnhof mit dem Alexanderplatz
verbinden, obwohl das binnen weniger Minuten mit zahlreichen
S-Bahn-Linien möglich ist, die der Bevölkerung vertraut
sind und die jetzt schon unter der Glaskuppel des künftigen
Hauptbahnhofs halten.
Doch es gab noch einen anderen Grund für den Baustopp
dieser überflüssigen U-Bahn-Linie: Hätte man sie
weiter gebaut, wären nicht nur die meisten der mehr als 300
Linden eben "Unter den Linden" in Gefahr gewesen, sondern
hätten sich Geschäftsleute und Bürger mit einer
jahrelangen Baustelle im Zentrum der Bundeshauptstadt abfinden
müssen. Für die Touristen alles andere als attraktiv.
Also legte man kurzerhand den Weiterbau der U 5 zu den Akten. Aus
dem Bundeskanzleramt kam auch kein Protest. Zunächst
jedenfalls nicht. Schließlich hieß der Hausherr dort auch
nicht mehr Kohl, sondern Schröder.
Nun war guter Rat teuer, was man mit der U-Bahn-Röhre im
fertiggestellten Rohbau machen sollte? Die einen schlugen vor, dort
unter Kanzleramt und Reichstag Pilze zu züchten. Die anderen
luden zur Angie-Oper (die das Leben der Oppositionsführerin
Angela Merkel zum Inhalt hat). Dritte wiederum nutzten den
U-Bahn-Schacht für Werbeveranstaltungen. Doch das alles machte
die Bundesregierung hellhörig, Selbstverständlich auch
den Bundesrechnungshof. Das Ergebnis war für den seit langem
knapp bei Kasse befindlichen Berliner Senat niederschmetternd: Auch
der Deutsche Bundestag forderte den Bundeszuschuss von 147
Millionen Euro zurück.
Plötzlich kam wieder Bewegung in die Sache mit dem ruhenden
U-Bahn-Schacht: Bund und Land Berlin einigten sich, dass der
U-Bahn-Betrieb im Jahr 2006 auf dem fertiggestellten kleinen
Teilstück aufgenommen wird. Damit das auch möglich ist,
wird gegenwärtig auf dem Pariser Platz auf der östlichen
Seite des Brandenburger Tors ein U-Bahn-Zugang gebaut. Dann rollt
brav eine U-Bahn zwischen Hauptbahnhof und Brandenburger Tor hin
und her. Das setzen lohnt sich erst gar nicht.
Doch damit allein gab sich der Bund selbstverständlich auch
nicht zufrieden. Ist die kurze Strecke erst einmal in Betrieb, muss
sie bis zum Alexanderplatz verlängert werden. Doch nicht schon
ab 2007, wie ursprünglich mit dem Bund als Kompromiss
ausgehandelt, sondern wohl erst 2010 oder später. Der Senat
hat für die überflüssige U-Bahn kein Geld, denn die
Verlängerung vom Brandenburger Tor bis zum Alexanderplatz wird
schätzungsweise 475 Millionen Euro kosten. Nach dem
gegenwärtigen Stand. In fünf oder noch mehr Jahren sind
es mit Sicherheit eine halbe Milliarde und mehr Euro.
Übrigens: Die Bauzeit soll um die sieben Jahre betragen.
Schon heute ist sicher, dass die U 5 zwischen Hauptbahnhof und
Brandenburger Tor zu einer Touristenattraktion wird. Je nachdem, in
welchem Takt die Bahnen fahren, sind die im Hauptbahnhof
ankommenden Touristen schneller zu Fuß in der Reichstagskuppel
als mit der Kanzlerlinie. Hartmut Mehdorn, der DB-Chef, hat
freilich auch noch mit einer anderen Anbindung seines
Hauptbahnhofes Probleme. Und das verhält sich so: Der
Hauptbahnhof, der an der Stelle des alten Lehrter Stadtbahnhofs
errichtet wird (und deshalb mit vollem Namen "Hauptbahnhof -
Lehrter Bahnhof" heißt), ist nicht in den Nordosten der
Hauptstadt angebunden; sieht man von Buslinien einmal ab.
Und so kam der Senat der DB entgegen - mit dem Bau einer
Straßenbahnlinie, in Berlin schlicht Tram genannt. Sie sollte
vom künftigen Hauptbahnhof, der im ehemaligen Grenzgebiet
liegt, bis zum Nordbahnhof (einer S-Bahn-Stadtion) führen. Das
wäre zugleich der Versuch gewesen, aus dem Ostteil der Stadt
die Straßenbahn (wo sie durch die DDR erhalten blieb) in den
Westteil weiterzuführen (wo man sie zu Gunsten der U-Bahn und
einem dichten Busnetz abgeschafft hatte) - wenn auch nur für
200 Meter. Doch auch hier fehlt dem Senat das notwendige Geld
(gleiches gilt für eine Straßenbahn durch die Leipziger
Straße zum Bundesrat und weiter zum Potsdamer Platz).
Außerdem machen die Bewohner zwischen künftigem Haupt-
und Nordbahnhof mobil gegen einen geplanten Stadtbahnring mit
Straßenbahn. Sie wollen noch mehr Lärm verhindern. Und
noch mehr Verkehr. Doch dieser wird automatisch durch den
Hauptbahnhof entstehen, der künftig nicht nur die
Ost-West-Verkehre aufnimmt (wie der Bahnhof Zoo), sondern auch die
Nord-Süd-Verkehre. Wie auch immer: Der neue Hauptbahnhof der
Bundeshauptstadt wird (vorerst) nicht mit einer Straßenbahn an
den innerstädtischen Verkehr angebunden, dafür mit einer
Mini-U-Bahn. Und einem Hafen für Wassertaxis. Mit diesen kann
man freilich schnell zumindest bis an den Rand des Alexanderplatzes
gelangen. Allemal ins Nikolai-Viertel und zum Roten Rathaus.
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