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Johanna Metz
Protestler stricken sich ein Statut
Damals ...vor 25 Jahren am 13. Januar: Die
Grünen werden Bundespartei
Die alte Stadthalle im Badischen platzte aus allen Nähten,
als sich ein bunter Haufen Delegierter am 12. und 13. Januar 1980
in Karlsruhe einfand, um eine grüne Partei zu gründen.
Die Sowjets waren gerade in Afghanistan einmarschiert und die SPD
hatte beschlossen, das Atomprogramm der Bundesregierung
fortzuschreiben. Die NATO hatte den Doppelbeschluss zur
Nachrüstung mit neuen Mittelstreckenraketen verkündet.
Hundertausende gingen gegen diese Politik auf die Straßen,
demonstrierten gegen Wiederaufbereitungsanlagen und Atomkraftwerke.
Kein schlechter Zeitpunkt also für die Implementierung einer
grünen Protestpartei. So rief August Haußleitner, einer
der ersten Sprecher des Bundesvorstandes, nicht ohne Pathos und die
Apokalypse fest vor Augen, in den überfüllten Saal: "Wir
erleben in diesem Augenblick den Aufmarsch, das Vorstadium zum
dritten Weltkrieg, und da wollen wir uns nicht in Formalitäten
differenzieren, da wollen wir die Tore offen halten und in Zukunft
zusammenarbeiten!"
Nun, auch bei geöffnetem Tor gibt es vereinzelte
Lattenschüsse, und so verlief die Grünen-Gründung
nicht ganz ohne Zwist und Hader. Immerhin hatten sich die
versprengten Gruppen der Protestszene von links bis rechts mit viel
Verve vorgenommen, in nur zwei Tagen ein Statut für die neue
Bundespartei zu erarbeiten. Eine "ökologische,
basisdemokratische, soziale und gewaltfreie" Alternative zu den
etablierten Parteien sollte daraus erwachsen. Angereist waren
Kommunisten, Feministinnen und Naturschützer ebenso wie
Radikaldemokraten, Wertkonservative und Spontis. Seit Kriegsende
hatte sich kein derart breites Spektrum zur Gründung einer
neuen Partei zusammengefunden. Die Versammlungsleitung, leidlich
überlastet, wurde überhäuft mit
Geschäftsordnungsanträgen und Abstimmungswiederholungen,
so dass es nur zäh voranging. Ein Schlitzohr stoppte heimlich
die große Saaluhr, um zu verhindern, dass Delegierte vor der
entscheidenden Abstimmung zu ihren Zügen eilen. Störer
hielten den Betrieb zusätzlich auf: Mal erkämpften sich
echauffierte Emanzen das Mikrofon und warfen den Grünen
"Anti-Feminismus" vor. Mal waren es minderjährige
Angehörige einer illegalen "Indianerkommune",
Ausreißer-Kinder, welche von den Delegierten lautstark
verlangten, die Schulpflicht abzuschaffen und sich für das
Recht auf "Ausziehen von zu Hause ab zwölf Jahren"
einzusetzen. Besorgt über das Bild der Grünen in der
Öffentlichkeit, forderte das Präsidiumsmitglied Wilhelm
Knabe die anwesenden Journalisten auf, "das nun nicht als Ausdruck
der grünen Aktivitäten zu bringen, wenn das möglich
sein sollte".
Doch was sollte eigentlich "Ausdruck grüner
Aktivitäten" sein? Und wie konnte die neue Partei organisiert
werden? Darüber gab es harte Kontroversen. Fast wäre die
Parteigründung an der Frage der Doppelmitgliedschaft
gescheitert. Ganz knapp und gegen den Widerstand vieler Kommunisten
(der so genannten K-Gruppen) und den Vertretern bunter
(alternativer) Listen beschlossen die Delegierten schlussendlich,
Mitglied der Grünen könne nur werden, wer keiner anderen
Partei angehöre. Mehr Einigkeit bestand beim Verbot der
Ämterhäufung und dem - für die Grünen nun schon
legendären - Rotationsprinzip. Ein Parteivorsitzender war
nicht vorgesehen, vielmehr ein 17-köpfiger Bundesvorstand mit
drei gleichberechtigten Sprechern (heute sind es zwei). Und auch
das war neu: Als erste Partei empfahlen die Grünen, Frauen und
Minderheiten bei Vorstandswahlen paritätisch zu beteiligen.
Anprangern wollte man ferner die Missachtung der Menschenrechte,
Hunger und Armut in der Dritten Welt, wachsende Arbeitslosigkeit
und eine Verschärfung der Umweltkrisen.
90 Prozent der Delegierten stimmten nach dieser ersten
Übereinkunft einer Parteigründung zu. Auf dem Parteitag
in Saarbrücken im März wurden die politischen Ziele dann
konkretisiert. Die Grünen forderten forsch die sofortige
Auflösung von NATO und Warschauer Pakt, die allseitige
Abrüstung und den sofortigen Verzicht auf Atomenergie.
Wertkonservative Kräfte verließen die Partei, die
Basisdemokraten gingen gestärkt hervor.
Im selben Jahr traten die Grünen bei den Bundestagswahlen
an. Mehr als magere 1,5 Prozent der Stimmen waren nicht drin. In
Baden-Württemberg lief es schon besser. Dort schickten die
Grünen immerhin sechs Abgeordnete in den Landtag. Doch bis zum
bundespolitischen Durchbruch vergingen drei Jahre: Bei den
Bundestagswahlen 1983 kam die Öko-Partei auf 5,6 Prozent. 27
links-alternative Abgeordnete saßen nun im Parlament und
brachten - nicht nur optisch, durch selbst gestrickte Pullover,
pralle Bärte und zottelige Haare - eine andere Farbe in das
hohe Haus.
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