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Kernbereich privaten Lebens nicht antasten
Regierung will Vorgaben des
Bundesverfassungsgerichts umsetzen
Recht. Die Bundesregierung will einem Urteil des
Bundesverfassungsgerichts vom 3. März vorigen Jahres
nachkommen, wonach bei der akustischen Wohnraumüberwachung der
"absolut geschützte Kernbereich privater Lebensgestaltung"
nicht angetastet werden darf. Dazu hat sie einen Gesetzentwurf
(15/4533) vorgelegt.
I n ihm heißt es, die akustische
Wohnraumüberwachung solle als Ermittlungsmaßnahme bei der
Strafverfolgung erhalten bleiben, um die organisierte
Kriminalität, den Terrorismus und andere Formen besonders
schwerer Kriminalität wirksam bekämpfen zu können.
Das Abhören von Wohnungen habe sich vor allem bei Kapital- und
Betäubungsmitteldelikten als "erfolgreiches und
unverzichtbares Ermittlungsinstrument" erwiesen. Da es im
Erhebungszeitraum von 1998 bis 2001 nur etwa 120 solcher Verfahren
im gesamten Bundesgebiet gegeben habe, werde die
Wohnraumüberwachung nur "zielgerichtet und zurückhaltend"
eingesetzt.
Die Karlsruher Richter hatten allerdings
betont, die akustische Wohnraumüberwachung dürfe nicht in
Bereiche eingreifen, die von der Verfassung geschützt werden
und einer Verfügung durch die öffentliche Gewalt
schlechthin entzogen sind. Die Privatwohnung sei als "letztes
Refugium" ein Mittel zur Wahrung der Menschenwürde.
Dies verlange zwar nicht einen absoluten
Schutz der Räume der Privatwohnung, wohl aber absoluten Schutz
des Verhaltens in diesen Räumen, wenn es sich um die
individuelle Entfaltung im "Kernbereich privater Lebensgestaltung"
handele. Ergeben sich während einer Überwachung
Anhaltspunkte für eine Gefährdung solcher absolut
geschützter Bereiche, sieht der Regierungsentwurf nun vor,
dass das Abhören und Aufzeichnen "unverzüglich zu
unterbrechen" sei. Es dürfe erst fortgesetzt werden, wenn neue
tatsächliche Anhaltspunkte darauf hinweisen, dass es nicht zu
einem Eingriff in absolut geschützte Bereiche
kommt.
Die Regierung will die Vorschriften
übersichtlicher strukturieren und den Richtervorbehalt
generell stärken. Die Genehmigung der Abhörmaßnahme
durch einen Richter stelle ein bewährtes Mittel dar, um sich
widerstreitende Rechtspositionen zu einem Ausgleich zu bringen. Mit
dem Entwurf sollen Richter und Gerichte in die Lage versetzt
werden, durch transparente Entscheidungen einen "sorgfältigen
und kritischen Umgang" mit der akustischen Wohnraumüberwachung
zu gewährleisten.
Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme
zwölf Gegenvorschläge unterbreitet, die darauf abzielen,
den Vorgaben des Gerichts zwar nachzukommen, die polizeilichen
Ermittlungen aber so wenig wie möglich zu
beeinträchtigen. Die Bundesregierung hat die Vorschläge
der Länderkammer in ihrer Gegenäußerung
überwiegend zurückgewiesen. Dass die akustische
Wohnraumüberwachung künftig für die
Strafverfolgungsbehörden mit einem erhöhten Aufwand
verbunden sein werde, sei eine der Konsequenzen des Urteils. Dieser
Mehraufwand sei für die Praxis machbar, auch wenn er mit einem
höheren Personaleinsatz und höheren Kosten verbunden sei.
Die in den Anträgen des Bundesrates angelegte
"Schmälerung" des wirksamen Schutzes der Menschenwürde
begegne weithin erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken, die
den erwarteten praktischen Nutzen der Bundesratsvorschläge
nicht aufwiegen könnten.
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