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Josef-Thomas Göller
Die USA in Lateinamerika: der fehlgeschlagene
"Plan Kolumbien"
Bisher lassen die Erfolge des amerikanischen
Engagements gegen den Drogenhandel auf sich warten
Es enbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass Kolumbien die
älteste Demokratie Lateinamerikas ist und gleichzeitig das
gefährlichste Land der westlichen Hemisphäre. Zentrum des
Problems dieses seit 1959 zerfallenen Staates ist nicht mehr wie zu
Beginn des Bürgerkriegs der Kampf zwischen Arm und Reich,
sondern das gigantische Drogengeschäft. Die gesamte
kolumbianische Gesellschaft ist darin involviert. Die
linksgerichteten Rebellen, die mehr als die Hälfte des Landes
kontrollieren, bereichern sich hemmunglos am Drogenabau und
-verkauf, bekämpft von faschistoiden, privaten
Paramilitärs und der hoffnunglos unterlegenen Kolumbianischen
Armee, die ebenfalls ins Drogengeschäft verwickelt ist.
Während der Blick der Welt auf den Nahen Osten und den Irak
gerichtet ist, geschehen in Kolumbien die gleichen Terrorakte:
Autobomben zerfetzen Passanten, Granatmör-seranschläge,
Entführungen oder ganz einfache Morde sind an der
Tagesordnung. Nur: Mit Ausnahme der USA interessiert sich die
Außenwelt überhaupt nicht für die Agonie
Kolumbiens.
Für die Vereinigten Staaten stellt das strauchelnde
Kolumbien mindestens ein ebenso bedrohliches Problem dar wie der
internationale Terrorismus. Denn der Andenstaat im Norden des
südamerikanischen Subkontinents ist Hauptlieferant von Kokain
und Heroin für den amerikanischen Drogenmarkt.
Deshalb dehnte Präsident Bill Clinton im Jahr 1999 den
"Krieg gegen Drogen" ins Ausland aus. Er entwickelte den so
genannten "Plan Kolumbien", ein Versuch, den Drogenanbau vor der
Haustür der USA zu zerschlagen. Diesen Überseekrieg
wollte Clinton nicht mit eigenen Soldaten führen, sondern
vielmehr die kolumbianische Armee so hochrüsten, dass sie
endlich in der Lage wäre, den drogenanbauenden Guerrillas Herr
zu werden. Als Nebeneffekt, so der Plan Clintons, würde in
Kolumbien wieder Recht und Ordnung hergestellt und das gebeutelte
Land am Ende zu einer stabilen Demokratie zurückgeführt
werden.
Die Amerikaner rüsteten die Kolumbianer mit Hubschraubern
und Kleinfugzeugen aus, damit diese tief im Rebellengebiet die
Kokafelder mit Vernichtungsmitteln besprühen können.
Außerdem stellte die US-Regierung 2,5 Milliarden Dollar zur
Verfügung, um Drogenhändler zu bekämpfen. Hinzu
kommen mehrere Tausend - eine genaue Zahl ist vom Pentagon nicht zu
erfahren - amerikanische "Militärberater", die nach
offiziellem Sprachgebrauch kolumbianische Einheiten im Kampf gegen
die Drogen-Guerrilla ausbilden sollen. De facto aber handelt es
sich überwiegend um Elitesoldaten, die mit Kommandounternehmen
selbständig in Kolumbien schalten und walten und sowohl
Rebellen als auch Paramilitärs bekämpfen. Dies ist ein
echter Krieg der USA auf fremden Territorium. Da er aber nur die
USA und Kolumbien betrifft, wird er von der Weltgemeinschaft nicht
wahrgenommen.
Allerdings sind die militärischen Ergebnisse bisher
bescheiden, da auch dieser Krieg als "Billigversion" geführt
wird: Neben ausgebildeten amerikanischen Soldaten sind auch, wie im
Irak, private Kontraktoren eingeschaltet. Dies führte dazu,
dass seit 1999 mindestens 38 Flugzeuge zur Drogenbekämpfung in
Kolumbien abgestürzt sind, "hauptsächlich wegen der
mangelhaften Ausbildung und Erfahrung der Piloten", weiß eine
Quelle zu berichten. Aber auch die eingesetzten Flugzeuge einer
amerikanischen Privatfirma entsprechen offenbar nicht den
internationalen Sicherheitstandards und verfügen oft noch
nicht einmal über einen Bordcomputer. Diese Schlamperei
verursachte nachweislich den Tod von 17 amerikanischen
Spezialagenten - und stärkt deshalb nicht gerade die Moral der
im Einsatz stehenden amerikanischen Truppen und Drogenfahnder. In
anderen Fällen mussten Flugzeuge in Rebellengebieten
notlanden, und Amerikaner gerieten so in die Hände derer, die
sie jagten.
Nach fünf Jahren Dschungelkrieg fällt deshalb das
Fazit insgesamt dürftig aus. Vor allem die amerikanischen
"Ausbilder" in Kolumbien sehen ihre Tätigkeit zunehmend
kritisch und glauben selbst, dass sie mehr Schaden anrichten als
von Nutzen sind, wie aus gut unterrichteten Kreisen in der
amerikanischen Hauptstadt zu erfahren ist. Die Kritik
entzündet sich hauptsächlich daran, dass 80 Prozent der
amerikanischen Gelder zur Drogenbekämpfung in Kolumbien in
Waffen und Ausrüstung fließen, statt in Hilfsprogramme
für drogenanbauende Kleinbauern. Auch wenn alle Koka-Felder
mit Vernichtungsmitteln besprüht werden, führt dies zu
keinem nachhaltigen Ergebnis, da die Drogenanbauer in nahezu
unzugängliche Dschungelgebiete und Bergregionen ausweichen,
die nahe der Grenzen zu Bolivien und Peru liegen. Hinzu kommt, dass
diese Kleinbauern unter völliger Kontrolle der Guerrilla
stehen, die ihnen keinen Alternativanbau anderer Produkte
gestattet. Über die Jahre verkommt zudem das Wissen, ganz
normale Nahrungmittel anzubauen. Wer jetzt Bauer in Kolumbien ist,
kennt fast nur eine Pflanze: Koka.
Luis de Angulo vom Weatherhead Center für Außenpolitik
der Harvard Universität bringt dieses Dilemma auf den Punkt:
"Die USA sollten sich darauf konzentrieren, jene Flächen, die
bis vor kurzem für den Koka-Anbau genutzt, aber mittels
Sprühmittel verseucht wurden, wieder nutzbar zu machen. Vor
allem aber sollten sie die bäuerliche Landbevölkerung
gewinnen, indem sie regionale Entwicklungprogramme finanzieren,
also die Bauern mittels moderner Anbautechniken und
Alternativprodukte davon überzeugen, dass sie mit
Nahrungsmitteln ebenso Gewinn machen können wie mit
Koka-Anbau."
Gestützt werden solche Ansichten durch Studien der
amerikanischen Drogenfahndung. Sie fanden heraus, dass seit Beginn
des "Plans Kolumbien" kein Rückgang des Kokainschmuggels in
die USA zu verzeichnen ist. Im Gegenteil: Im Startjahr 1999 nahm
der Kokainexport in die USA sogar um elf Prozent zu.
Außerdem haben die Sprühaktionen der Amerikaner nicht
nur die Kokaproduktion ruiniert, sondern auch die Felder und das
Trinkwasser vergiftet, wodurch wiederum ein Teil der
Landbevölkerung erkrankte beziehungsweise jeglicher
Existenzgrundlage beraubt wurde. Bauern, die aus Unwissen auf den
zerstören Koka-Feldern Nahrungsmittel anbauten, haben ganze
Landstriche mit vergifteten Nahrungsmitteln verseucht; in
bestimmten Regionen Kolumbiens herrscht deshalb Hungersnot.
Kurzum: Der "Plan Kolumbien" ist letztlich zu kostspielig, zu
gefährlich für alle Beteiligten und im Endeffekt
wirkungslos. Die einzige wirkliche Unterstützung, die
Washington zur Bekämpfung des Drogenanbaus leisten kann, ist,
die hilf- und orientierungslose Landbevölkerung aus der Armut
herauszuführen. Würde die gleiche Menge Geldes in
alternative Landbauprogramme sowie moderne Landmaschinen investiert
werden, wie in Waffen und Militär, wäre längst mehr
erreicht. Damit einhergehen müsste außerdem ein
Bildungprogramm für jene Bauern, die keine andere Anbaupflanze
als Koka kennen. Nichts aber ersetzt die Drogenbekämpfung in
den USA selbst, glaubt Ted Carpenter vom Washingtoner Cato
Institut. Erst wenn der Teufelskreis von Nachfage und Angebot in
den USA selbst unterbrochen werde, also, wenn in den Vereinigten
Staaten die Nachfage nach Kokain deutlich sinke, dann werde auch
das Angebot weniger attraktiv und Kolumbien aus dem fatalen
Drogenanbau herausgeführt, sagt Carpenter.
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