Biggi Bender
Das Strafrecht reduziert den Konsum nicht
Sucht existiert in allen Gesellschaften, losgelöst davon,
ob der Umgang mit Suchtstoffen restriktiv oder liberal gehandhabt
wird. Jede Droge hat schädliche gesundheitliche Auswirkungen.
Der Konsum von Drogen ist umso problematischer, je früher der
Konsum beginnt. Es können Abhängigkeiten insbesondere auf
der körperlichen Ebene (Alkohol, Tabak, Heroin) oder der
psychischen Ebene (Cannabis, Spielsucht, Magersucht) entstehen. Es
gibt nicht den Drogenkonsumenten: Es gibt Gelegenheitsraucher und
süchtige Raucher, Genusstrinker und alkoholabhängige
Trinker, Cannabisprobierkonsumenten und "Dauerkiffer". Sucht und
Abhängigkeit sind Ausdruck von psychischen und physischen
Problemen. Die betroffenen Personen sind krank und bedürfen
der Hilfe.
Die Situation in Deutschland ist dadurch geprägt, dass
Jugendliche immer früher damit beginnen, Tabak, Alkohol und
Cannabis zu probieren und zu konsumieren. Die Unterscheidung
zwischen legalen (Tabak, Alkohol) und illegalen Drogen (Cannabis,
Ecstasy, Heroin) hat zur Konsequenz, dass Alkohol und Tabak frei
verkäuflich sind und mit Einschränkungen beworben werden
dürfen. Besitz, Verkauf und Werbung für illegale Drogen
sind verboten.
Grüne Drogenpolitik will alle Süchte in den Blick
nehmen. Der Jugendschutz steht im Mittelpunkt. Prävention und
Aufklärung sind erstes Gebot. Wo Sucht schon entstanden ist,
sind Hilfe und Unterstützung notwendig und Repression nur in
Ausnahmefällen hilfreich. Im Sinne dieser Politik sind aus
dieser Legislaturperiode zum Beispiel der Aktionsplan Drogen und
Sucht, der trotz massiver Proteste auch Tabak und Alkohol
beinhaltet, die Tabaksteuererhöhungen, die Abgabe auf Alkopops
und der laufende Versuch der heroingestützten Behandlung
Drogenabhängiger zu nennen.
Die Debatten zur Drogenpolitik sind nicht mehr so stark von
Polemik und ideologischen Scheuklappen geprägt wie
früher. Wir sind einer parteiübergreifenden Drogenpolitik
im Bereich der illegalen harten Drogen einen großen Schritt
näher gekommen, wie sich am Beispiel des Heroinprojektes
zeigt.
Gleichzeitig existiert jedoch ein hoch emotional besetztes
Thema: Welcher Umgang ist bezüglich des Konsums von Cannabis
der richtige? Während den Grünen unterstellt wird,
Auswirkungen des Konsums von Cannabis zu verharmlosen, wird der
CDU/CSU und großen Teilen der SPD vorgeworfen, die mit dem
Cannabiskonsum verbundenen Probleme hochzustilisieren.
Auch im Bereich Cannabis ist grüne Devise, auf
Aufklärung und Prävention zu setzen sowie in den
Fällen, wo es notwendig ist, Behandlungs- und Therapieangebote
zu machen. Die Illegalität erschwert die Prävention; denn
wer redet schon gerne über Verbotenes?
Bei der Differenzierung zwischen legalen und illegalen Drogen
wird mit unterschiedlichen Maßstäben gemessen. Abgewogen
werden muss die Gesundheitsschädigung und das
Abhängigkeitspotenzial auf der einen Seite und die
Einschränkung der freien Entscheidung auf der anderen Seite.
Bei der Anwendung einheitlicher Maßstäbe ist nicht zu
begründen, warum Cannabis anders als Alkohol und Tabak zu
behandeln ist. Zu berücksichtigen ist zum Beispiel, dass
Cannabis, im Gegensatz zu Alkohol und Tabak, keine physische (zum
Teil jedoch psychische) Abhängigkeit verursacht. Das
Abhängigkeitsrisiko für Alkohol und Tabak liegt bedeutend
höher als das Risiko, eine Cannabisabhängigkeit zu
entwickeln. Geschätzt wird, dass 2,2 Prozent der 14- bis
24-Jährigen Cannabis-Konsumenten im Laufe ihres Lebens
abhängig werden.
Sehr restriktive Zugangswege wie zum Beispiel in den USA
führen nicht zu weniger Konsum von Drogen als liberale
Regelungen, wie beispielsweise in den Niederlanden. Deutschland
"leistet" sich die Belastung von Polizei, Staatsanwaltschaft und
zum Teil die Gerichte durch später oft eingestellte Verfahren
und kriminalisiert Jugendliche (meist Probier- oder
Gelegenheitskonsumenten). Eine ganze Generation fühlt sich
verfolgt und sieht nicht ein, was das Unrecht sein soll.
Gefahr der Regelmäßigkeit
Ziel grüner Präventionspolitik ist, dass Jugendliche
so spät wie möglich mit dem Konsum von Zigaretten,
Alkohol und Cannabis experimentieren und sich keine
regelmäßigen Konsummuster herausbilden. Leider führt
das Strafrecht oft dazu, dass beim Cannabiskonsum in Schulen
bewusst weggesehen wird, statt präventiv zu handeln. Denn ein
Hinweis zur "Schadensminimierung" wie "Wer Cannabis raucht, sollte
dieses jedenfalls nicht in Kombination mit Alkohol oder Ecstasy
tun" kann als Aufforderung zum Konsum einer illegalen Droge
verstanden werden.
Wir begrüßen, dass im Mai 2004 die Deutsche
Hauptstelle für Suchtfragen sich zum Umgang mit
Cannabiskonsumenten geäußert hat und feststellt, dass:
"der Cannabiskonsum ordnungspolitisch über- und
gesundheitspolitisch unterbewertet wird; der Konsum von Cannabis
für Jugendliche mit hoher Konsumfrequenz erhebliche
gesundheitliche Risiken birgt; qualifizierte Prävention,
Beratung und Therapie notwendig sind; das Strafrecht über
Jahre hinweg einen Beweis schuldig geblieben ist, den Konsum von
Cannabis zu reduzieren und dies den Erfordernissen
glaubwürdiger Cannabisprävention widerspricht.
Diese Stellungnahme bestärkt Bündnis 90/Die
Grünen darin sich weiterhin für die Entkriminalisierung
von Cannabiskonsumenten einzusetzen. Dabei steht die Umsetzung der
Urteile des Bundesverfassungsgerichts von 1994 (bundesweite
Vereinheitlichung der "geringen Menge", bei der ein Strafverfahren
eingestellt wird) und 2002 (Fahrerlaubnisverordnung - kein
Führerscheinentzug bei bloßem Besitz von Cannabis) als
erster konkreter Schritt im Vordergrund.
Biggi Bender ist gesundheits- und drogenpolitische Sprecherin
der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen.
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