Bedrohungen haben sich geändert
Interview mit Professor Eberhard
Sandschneider
Das Parlament: Herr Sandschneider, Bundeskanzler Gerhard
Schröder sieht in der NATO nicht mehr die primäre
Institution für transatlantische Konsultationen und
Koordinierung. Stimmen Sie seiner Analyse zu?
Eberhard Sandschneider: Die Sachbeschreibung des Kanzlers
ist völlig richtig, wenn man sich die Debatte um den Irak
anschaut, aber auch viele andere Dinge. Dann muss man sagen: Wir
diskutieren das nicht mehr zwangsläufig in der NATO. Das hat
auch damit zu tun, dass die NATO eine militärische
Organisation ist, und da darf man sich nicht wundern: Die
wesentlichen Bedrohungen sind anderer Art und im wesentlichen
nicht-militärischer, asymmetrischer Art, da hat eine
Institution wie die NATO zunächst auch mal keine Antworten
darauf, das ist das Problem der NATO.
Das Parlament: US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld
hat sich betont freundschaftlich gegeben - bricht ein neues Kapitel
in den transatlantischen, in den deutsch-amerikanischen Beziehungen
an?
Eberhard Sandschneider: Also eine neue Dimension gibt es
noch nicht, aber eine neue Phase. Diese Phase ist dadurch
geprägt, dass jetzt erstmal auf atmosphärischer und
emotionaler Ebene die üblichen und notwendigen Symbole laufen,
dass man wieder aufeinander zugeht. Rumsfeld hat das nach der
Umarmungsinitiative von Condoleeza Rice eher im Entertainerstil
gemacht und sich selbst als Old Rumsfeld bezeichnet und das hat
Lacher ausgelöst. Und wenn Leute lachen, dann entspannt sich
die Situation auch ein bisschen, das war seine Intention. Aber man
darf sich keine Illusionen machen: Wir haben an vielen Stellen
unterschiedliche Interessen und auf der Arbeitsebene wird man diese
Konflikte austragen müssen.
Das Parlament: UN-Generalsekretär Kofi Annan hat
sehr engagiert für eine Reform der Vereinten Nationen geworben
- wird eine solche Reform gelingen?
Eberhard Sandschneider: Es ist bemerkenswert, dass es der
von ihm eingesetzten Gruppe gelungen ist, trotz großer Skepsis
der Beteiligten am Anfang mit einem solchen Konsensergebnis
aufzuwarten. Spannend wird es, wenn nun die UNO selbst vor die
Frage gestellt wird: welche Reformen wollen wir jetzt, und sind wir
überhaupt in der Lage, uns zu reformieren. Doch eine Sache hat
er ausgelassen: Den Sicherheitsrat. Aber eine Reform der Vereinten
Nationen ohne eine Reform des Sicherheitsrates ist schlicht
undenkbar, und das ist genau eines der Nadelöhre, durch das
die UN durch muss. Die ursprüngliche Idee: mehr
Repräsentativität des Sicherheitsrates ist wunderbar,
aber da sind harte Machtinteressen im Spiel und das wird keine
einfache Situation für die UNO werden. Aber am Sicherheitsrat
wird sich entscheiden, ob die UNO tatsächlich reformfähig
ist.
Das Parlament: Hillary Clinton hat erstmals in
Deutschland einen Einblick in ihr außenpolitisches Denken
gegeben - für welche Form amerikanischer Außenpolitik
steht sie?
Eberhard Sandschneider: Sie hat im Prinzip schon das
Credo der demokratischen Partei vorgetragen, mit sehr starken
Worten, was die Bedeutung der Vereinten Nationen angeht, was auch
die Bedeutung der Vereinten Nationen für die USA angeht. Da
gewinnt man schon den Eindruck, dass eine prominente Senatorin
jetzt anfängt, auf dem internationalen Parkett Erfahrungen zu
sammeln. Das Signal zur Stärkung der UNO ist allerdings eine
Position, die wir auch von anderen demokratischen
Präsidentschaftskandidaten, nicht zuletzt von ihrem Mann,
schon gehört haben.
Das Interview führte Michael Hyngar
Prof. Dr. Eberhard Sandschneider ist Direktor am Berliner
Forschungsinstitut der Deutschen Gesellschaft für
Auswärtige Politik.
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