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Götz Hausding
Europäische Verfassung soll schnell
ratifiziert werden
Fischer und Teufel sehen
Einigungsmöglichkeiten
Bundesaußenminister Joschka Fischer
(Bündnis 90/Die Grünen) hat vor dem Bundesrat in der
Sitzung am Freitag eine schnelle Ratifizierung der EU-Verfassung
gefordert. Noch vor der parlamentarischen Sommerpause 2005 solle
der Verfassungsvertrag die Zustimmung von Bundestag als auch vom
Bundesrat erhalten. Die Bundesregierung, so Fischer, wolle mit der
zügigen Verabschiedung "ein Zeichen setzen". Ebenfalls lobende
Worte für den Vertragsentwurf fanden sowohl der
rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD),
als auch sein baden-württembergischer Amtkollege Erwin Teufel
(CDU).
"Die Länder sind an einer schnellen
Ratifizierung interessiert," sagte Teufel, verlangte allerdings im
Namen der unionsregierten Länder Nachbesserungen, um ein
für alle Seiten befriedigendes Ergebnis zu
erzielen.
Der vorliegende Vertrag über eine
Verfassung für Europa begründet die Europäische
Union und verleiht ihr eine eigene Rechtspersönlichkeit. Die
Verfassung soll die Handlungsfähigkeit der Europäischen
Union insgesamt erhöhen. Dazu werden die Zuständigkeiten
zwischen Union und Mitgliedstaaten konkreter als bisher abgegrenzt
und weitere Bereiche für Entscheidungen mit qualifizierter
Mehrheit geöffnet. Auch die Mitwirkungsrechte der Länder
und Regionen werden mit der Europäischen Verfassung deutlich
gestärkt. Besonders wichtig aus Ländersicht sind die dem
Vertrag beigefügten Protokolle über die Rolle der
nationalen Parlamente und über die Anwendung der
Grundsätze der Subsidiarität und
Verhältnismäßigkeit. Danach können die
nationalen Parlamente im Rahmen eines so genannten
Frühwarnsystems innerhalb von sechs Wochen ihre Bedenken gegen
einen europäischen Gesetzentwurf vorbringen, falls dieser
gegen das Subsidiaritätsprinzip verstößt. Sie
erhalten außerdem ein Klagerecht vor dem Europäischen
Gerichtshof bei Subsidiaritätsverstößen.
Entwürfe von europäischen Gesetzgebungsakten werden
zukünftig unmittelbar den nationalen Parlamenten
zugeleitet.
Ministerpräsident Erwin Teufel
bezeichnete die neue Verfassung als "einen wichtigen Schritt nach
vorn". Er habe sich als gewählter Vertreter des Bundesrates im
europäischen Konvent immer wieder für eine klare
Kompetenzabgrenzung, die Einhaltung des
Subsidaritätsgrundsatzes und eine
Einflussnahmemöglichkeit der Regionen eingesetzt. Vieles davon
habe man erreicht. Die Verfassung enthalte alle wesentlichen
Elemente eines modernen Staatenverbundes. Besonders wichtig sei die
Stärkung des Europäischen Parlamentes, es sei nun
gleichgestellt mit dem Europäischen Rat. Neben der Schaffung
eines Ausschusses der Regionen sei man insbesondere über das
Klagerecht des Bundesrates bei Subsidaritäts- oder
Kompetenzverstößen froh. Dies sei, so Teufel,
möglich geworden, durch die Fürsprache von
Außenminister Fischer, dem ausdrücklicher Dank
gebühre. "Wenn Sie sich weiter so kooperativ zeigen", sagte
der Ministerpräsident, "werden die Verhandlungen zwischen
Bundesrat und Bundesregierung bald zu einen befriedigenden Ergebnis
kommen." Damit zielte er auf eine Länderforderung ab, nach der
die Länder bereits beim Zustandekommen konkreter
EU-Initiativen Mitspracherechte haben wollen. Außerdem solle
die Bundesregierung sich bei Abstimmungen auf EU-Ebene nicht
enthalten dürfen in Fragen, die der Bundesrat bereits
abgelehnt habe. Mit dem Ratifizierungsprozess sei ein weiterer
Schritt von historischer Dimension eingeleitet worden, sagte
Ministerpräsident Kurt Beck. Wer, so fragte er, hätte zum
Kriegsende vor 60 Jahren damit gerechnet, dass im Jahre 2005 ein
vereintes Europa, in dem Ost und West gemeinsam miteinander leben,
existieren werde? Dank, Respekt und Anerkennung gebühre allen,
die an diesem Werk mitgewirkt haben, insbesondere von deutscher
Seite Außenminister Fischer und Länderkammervertreter
Teufel. Nun gelte es, die Vorlagen mit Leben zu füllen. In der
europäischen Außenpolitik müsse in Zukunft mit einer
Stimme gesprochen werden, forderte Beck und begrüßte
gleichzeitig die Aufwertung des Europäischen Parlaments. Dass
die föderalen Strukturen Deutschlands integraler Bestandteil
der europäischen Entwicklung seien, zeige sich auch bei der
Einräumung der Klagerechte bei Subsidaritäts- und
Kompetenzverstößen. Beck gab jedoch zu bedenken, dass man
sich bei der durchaus nötigen Kompetenzabgrenzung nicht in
Kompetenzstreitigkeiten verlieren dürfe. In der Frage der
Mitspracherechte der Länderkammer widersprach er dem
baden-württembergischen Kollegen. Deutschland werde auf
EU-Ebene durch die Bundesregierung vertreten, dabei müssten
die Belange der Länder ernst genommen werden, indem man sie
anhört. Es dürfe allerdings kein "permanentes
Gezänk" ausbrechen, erklärte Beck.
Auch Joschka Fischer stellte zu Beginn seiner
Rede einen historischen Bezug zum Ende des Zweiten Weltkrieges dar.
Man danke den Amerikanern dafür, Deutschland nicht allein
gelassen zu haben nach Kriegsende. Amerikanische
Sicherheitsgarantien und die deutsch-französische
Aussöhnung hätten die Integration Deutschlands in Europa
erst möglich gemacht. Nun sei die EU dabei, ein Garant
für Stabilität und Sicherheit zu werden. Einen wichtigen
weiteren Schritt auf diesem Wege stelle die neue Verfassung dar.
Durch sie habe man Einigungen erreicht, die in den vielen
Regierungskonferenzen vorher nicht möglich waren. Fischer
dankte ebenfalls Erwin Teufel für seine Mitarbeit. Die
Länder hätten die Verfassungsbildung konstruktiv
begleitet und gestaltet, lobte er. Die Einarbeitung einer
Subsidaritätskontrolle sei gut, es käme jedoch immer auf
die Ausgestaltung an. Das Klagerecht dürfe immer nur als
letztes Mittel dienen. Fischer betonte die große Bedeutung des
zukünftigen europäischen Außenministers wie auch des
ständigen Ratsvorsitzenden. Im Vergleich zu dem derzeit
rotierenden Vorsitz werde ein ständiger Repräsentant von
außen stärker wahrgenommen. Auf die Bedenken der
unionsgeführten Länder eingehend, sicherte Fischer zu,
die Bundesregierung werde die Belange der Länder sehr ernst
nehmen und berücksichtigen. Eine Vorfestlegung durch den
Bundesrat sei jedoch nicht sinnvoll. Trotz dieser Differenzen, so
schloss er, gebe es gute Chancen auf Einigung vor der
Sommerpause.
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