Mona Naggar
Deutschland schon bald als Ehrengast am Nil?
Zur Internationalen Buchmesse in
Kairo
In der Nähe der neuen Oper, unter einem
Gummibaum mit Blick auf den Nil, betreibt Khalid Salman seit
über 20 Jahren eine der erfolgreichsten "Buchhandlungen"
Kairos. Das Familienunternehmen hat 24 Stunden geöffnet. Alle
Bücher sind in eine durchsichtige Folie eingeschlagen, um sie
gegen Staub und Regen zu schützen. Die Bücher sind auf
einem Podest rund um den Stamm eines Gummibaumes geordnet. Neben
beliebten Ratgebern, Comics, Zeitungen und Zeitschriften verkauft
Khalid auch anspruchsvolle Literatur: "Hundejahre" von Günter
Grass, "Der Kleine Prinz" und kritische Veröffentlichungen zur
Demokratisierung in der arabischen Welt, etwa von dem in Paris
lehrenden syrischen Politologen Burhan Ghalyun oder von dem
libanesischen Journalisten Hazim Saghiye.
Khalid Salman ist ein beliebter
Geschäftspartner vieler arabischer Verleger auf der Buchmesse,
an der in diesem Jahr 610 Verlage aus 25 Länder teilnahmen. Er
kauft jedesmal dort ein und zahlt pünktlich seine Rechnungen.
Ein weiterer gern gesehener Geschäftpartner ist der Vertreter
der Buchhandlung Diwan. Die vor zwei Jahren eröffnete
internationale Buchhandlung liegt im Stadtteil Zamalik. Sie
beherbergt auch ein kleines Café, eine Musik- und ein
Filmabteilung. Auch Vertreter von europäischen und
amerikanischen Bibliotheken und Buchhandlungen kaufen auf der
Buchmesse in Kairo ein.
Alle arabischen Buchmessen sind
Verkaufsmessen. Da es kein funktionierendes Vertriebssystem
für Bücher gibt, sind die Messen die einzige
Möglichkeit, sich ein umfassendes Bild über
Neuerscheinungen zu verschaffen, sich über lieferbare Titel zu
informieren und Bestellungen aufzugeben. Der Verkauf von Lizenzen
spielt immer noch eine untergeordnete Rolle. Raubdrucke und
Raubübersetzungen sind auch bei renommierten Verlagen weit
verbreitet.
Für das normale Publikum ist die
Buchmesse eine Gelegenheit, Bücher zu ermäßigten
Preisen einzukaufen. Die am meisten verkauften Titel sind
religiöse Literatur: klassische Koraninterpretationen,
Sammlungen der Aussprüche des Propheten Muhammad,
Publikationen von Mode-Predigern, Bücher über
Traumdeutung oder Ratgeber über gottgefälliges Eheleben
und islamische Kindererziehung.
Auf allen arabischen Buchmessen wird Zensur
ausgeübt. Sie hängt von der ideologischen Ausrichtung der
Machthaber ab und von Rücksichten auf verschiedene politische
und religiöse Kräfte. Manchmal ist die Zensur auch ganz
willkürlich, wie jetzt in Kairo: Die offiziellen Vertreter der
Messe verkündeten zwar, dass es dieses Mal keinen Eingriff in
die Bücherauswahl der Verlage geben werde. Aber viele Verleger
mussten feststellen, dass bei der Auslieferung ihrer Ware etliche
Titel fehlten. Darunter fast alle Veröffentlichungen von Nasr
Hamid Abu Zaid, "Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins" von
Milan Kundera, "Die prophetische Persönlichkeit" von Maruf
ar-Rasafi, ein Gedichtband von Mahmud Darwisch und
Adonis.
Es handelt sich dabei teilweise um Titel, die
auf dem ägyptischen Markt erhältlich sind. Die
offiziellen Stellen leugnen nach wie vor, dass es sich um Zensur
handelt. Der Arabische Verlegerverband fühlt sich nicht
zuständig und setzt sich zum Ärger vieler Verleger nicht
für die Interessen seiner Mitglieder ein. Er beteuert
lediglich, dass er keine schriftlichen Beschwerden bekommen habe.
Die staatliche Literaturzeitschrift "Akhabar al-Adab" vermutet eine
Bücher-Mafia hinter den verschwundenen Titeln und macht sich
Sorgen um das Bild Ägyptens im Ausland.
Das Problem ist - nach Meinung von Sayyid
Mahmud, Feuilletonist bei der Wochenzeitschrift "al-Ahram al-Arabi"
und bei "al-Hayat" -, dass niemand sagen kann, wer hinter den
Zensurmaßnahmen steckt. Sind es Sicherheitsbehörden oder
das Informationsministerium? Die Verleger bekommen keine
Bescheinigung über ihre beschlagnahmten Bücher und haben
somit nichts in den Händen, um rechtliche Schritte
einzuleiten. Nun hoffen sie, dass ihre beschlagnahmten Bücher
zurückgeschickt werden.
Bereits vor dem Start der diesjährigen
Buchmesse in Kairo kursierte die Nachricht, dass es einen deutschen
Schwerpunkt geben werde. Diese Ankündigung entpuppte sich als
Falschmeldung, aber die Idee ist trotzdem nicht vom Tisch. Auf dem
deutsch-arabischen Symposium "Erkenntnisse und Ausblick nach dem
Gastauftritt der Arabischen Welt auf der Frankfurter Buchmesse", zu
dem die Deutsche Welle und das Goethe-Institut eingeladen hatten,
empfand Volker Neumann, Präsident der Frankfurter Buchmesse,
die Idee als eine große Ehre. Um sie zu verwirklichen, brauche
man allerdings viel Zeit und die Zusammenarbeit der verschiedenen
in der Auswärtigen Kulturpolitik tätigen Institutionen.
In den nächsten Monaten soll es zu einer endgültigen
Klärung kommen.
Auf dem Symposium überboten sich
deutsche und arabische Teilnehmer über den Auftritt der
Arabischen Liga in Frankfurt mit Selbstlob; Kritiker kamen nicht zu
Wort. So wurde auch nicht die Frage aufgeworfen nach dem Grund
für das schwache Interesse der deutschen Verleger an der
diesjährigen Kairoer Messe, wenn der arabische Schwerpunkt auf
der Frankfurter Buchmesse tatsächlich ein Riesenerfolg
war.
Die Antwort konnte man auf der
Gesprächsrunde hören, zu der das Goethe-Institut, die
Frankfurter Buchmesse und der ägyptische Verlegerverband
eingeladen hatten. Die mangelnde Professionalität der
arabischen Verleger ist das größte Problem. Was ist zum
Beispiel der Sinn von 10.000 ausgestellten arabischen Büchern
in Frankfurt, wenn die Verleger keine Informationen über die
Titel in einer europäischen Sprache zur Verfügung
stellen? Wie soll da Interesse bei nicht-arabischen Verlegern
geweckt werden?
Ein weiteres Problem ist der arabische
Buchmarkt. Die Auflagenhöhe liegt zwischen 1.000 und 2.000
Exemplaren für die gesamte arabische Welt bei einem
durchschnittlichen Verkaufspreis zwischen vier und fünf
US-Dollars. Aus ökonomischer Sicht ist dieser Markt für
deutsche Verleger uninteressant.
Das Interesse arabischer Verlage an
deutschsprachigen Titeln hält dagegen an. Erfreulich sind
Neuerscheinungen aus dem Bereich der Kinderliteratur, "Der
Regenbogenfisch" von Marcus Pfister oder Kästners "Konferenz
der Tiere". Die arabische Übersetzung von Elfriede Jelineks
"Die Klavierspielerin" wurde in Kairo vorgestellt. Auch "Simple
Storys" von Ingo Schulze liegt nun auf Arabisch vor, - das Produkt
einer Kooperation des Goethe Instituts mit dem staatlichen
ägyptischen Supreme Council of Culture.
Vernehmbare Opposition
Das Rahmenprogramm der Buchmesse, dieses Jahr
unter dem Titel "Auswirkungen der arabischen Renaissance und
Chancen für Reformen", griff die laufende politische Debatte
in Ägypten auf. Seit mehreren Monaten kämpfen
verschiedene oppositionelle Kräfte und
Nichtregierungsorganisationen dafür, die fünfte Amtszeit
von Präsident Mubarak und die Vererbung des Amtes an seinen
Sohn Gamal zu verhindern.
Die "Volkskampagne für Veränderung"
und die "Ägyptische Bewegung für Veränderung"
fordern, die Wahlmodalitäten des Präsidenten, die in der
ägyptischen Verfassung festgelegt sind, zu ändern. Auf
verschiedenen Podiumsdiskussionen waren durchaus kritische Stimmen
zu hören. Der Politologe Gamal Zahran beispielsweise
diskutierte die Argumente, die seit Jahren von den Machthabern
herangezogen werden, um ernsthafte Reformen zu verhindern: Die
Bewahrung der Stabilität, der israelisch-palästinensische
Konflikt oder der vom Ausland praktizierte Druck.
Andererseits wurden auch die Grenzen der
politischen Freiheit in Ägypten deutlich. Ayman Nur, der an
einer Podiumsdiskussion über die Gründung neuer Parteien
in Ägypten teilnehmen sollte, konnte nicht erscheinen. Er war
Ende Januar verhaftet worden. Nur ist Präsident der
neugegründeten liberalen Partei al-Ghadd (der Morgen), die
sich innerhalb der Volkskampagne für Veränderung
engagiert. Ihm wurde die Fälschung von Unterschriften, die zur
Gründung der Partei notwendig waren, vorgeworfen.
Zwei Demonstrationen von ungefähr 150
Aktivisten der Initiativen gegen eine fünfte Amtszeit von
Mubarak auf dem Gelände der Messe veranlassten die
Sicherheitsbehörden, hunderte Polizisten aufmarschieren zu
lassen. Der Verkauf kam an diesem Tag zum Erliegen.
Zurück zur Übersicht
|