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Klaus-Jürgen Haller
Verwirrtes und verwirrendes Land
Politik und Gesellschaft der USA auf den Punkt
gebracht
Das Ganze ist eine höchst lesenswerte Sammlung von
Reportagen, Analysen und Kommentaren, die zuvor in der
Wochenzeitung "Die Zeit" erschienen sind, ergänzt durch die
Faktensammlung des Fischer Weltalmanachs. Die Themenpalette der
"Zeit"-Beiträge reicht von der Wiederwahl des George W. Bush
bis zur nicht weniger erstaunlichen Selbstbehauptung des Blues im
Delta des Mississippi, vom Krieg gegen den Terror bis zur
Kinderfreundlichkeit im amerikanischen Alltag, obwohl sich Vater
Staat in Sachen Kinderbetreuung und Mutterschutz geiziger zeige als
Onkel Dagobert.
Die großen Reportagen, die in den meisten Zeitungen
ausgestorben sind, bieten überraschende Einblicke in ein
verwirrendes Land. Über eine High School in Chicago
beispielsweise, in der das Militär im wahrsten Sinn des Wortes
das Kommando übernommen hat - ein Beitrag zur Rettung der
Jugend vor Verwahrlosung, Rauschgift und Bandenkrieg und zugleich
Teil der frühzeitigen Rekrutenwerbung.
Die Redaktion hatte ausgesuchte Amerikakenner unterschiedlicher
Couleur in ihren Reihen. Mehrfach ist der Unwille über den
Kurs der jetzigen Administration mit Händen zu greifen;
Charles A. Kupchan von der Georgetown Universität fordert,
dass vorrangig Europa Amerika Zügel anlegen müsse, falls
sich in Washington nicht doch noch die Vernunft durchsetze. Wie das
vonstatten gehen soll, bleibt offen; Europa ist nachhaltig
gespalten. Obendrein bescheinigt Helmut Schmidt der EU eine
Stillstandskrise, unfähig, die selbstverschuldete
Arbeitslosigkeit zu überwinden.
Europa wäre schlecht beraten, so Mitherausgeber Michael
Naumann, wenn es angesichts der Malaise am Persischen Golf an
seiner "präemptiven Abstinenz" festhielte. Robert Kagan sagt
voraus, dass Amerikaner und Europäer keine gemeinsame
Strategie finden werden, solange sie sich nicht über das
Ausmaß der Bedrohung verständigen können, die von
Terror und Massenvernichtungswaffen ausgeht. Das Thema kommt in den
Beiträgen zu kurz; gleiches gilt für die wenig
überzeugende Rolle der UNO, die nach 16 Irak-Resolutionen
immer noch nicht zum Eingreifen bereit war. Spätestens nach
dem Einsatz chemischer Kampfstoffe gegen iranische Soldaten und
Kurden im eigenen Land hätte Saddam Hussein vor ein
internationales Tribunal gestellt werden müssen, argumentiert
Anne-Marie Slaughter von der Princeton Universität.
Harvard-Professeor Joseph S. Nye, der während der
Clinton-Administration zwei Jahre im Pentagon arbeitete, hält
Bushs umstrittene Doktrin des Präventivkrieges für
richtig, wiewohl sie ohne die Vereinten Nationen keine Zukunft
habe. Ein multilateraler Krieg gegen den Irak, so Nye, hätte
den Anforderungen der Gerechtigkeit genügt; der Sicherheitsrat
habe das Regime hinlänglich verurteilt, das
Massenvernichtungswaffen eingesetzt, den Terror unterstützt
und jedwede pluralistische Politik unterdrückt habe.
Der dritte Band der Reihe "Fischer Weltalmanach aktuell" soll
nach dem Willen der Herausgeber ein verlässliches
Nachschlagewerk sein. Dummerweise fehlt zum Nachschlagen das
Wichtigste: Ein verlässliches Namen- und Sachregister.
Der Fischer Weltalmanach aktuell USA
Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt 2005; 192 S., 8,90
Euro
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