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Hartmut Hausmann
Der Europarat will Regeln für Gentechnik in
der Landwirtschaft
Strikte Kennzeichnung gentechnisch
veränderter Lebensmittel
Als Reaktion auf die weltweit wachsende
Produktion und Nutzung gentechnisch veränderter Organismen
(GVO) hat die Parlamentarische Versammlung des Europarates die
Regierungen der 46 Mitgliedstaaten zur Anwendung klarer Regeln
unter angemessener Berücksichtigung des Vorsorge-Prinzips
aufgefordert. Nur so könne sichergestellt werden, dass neue
und traditionelle landwirtschaftliche Produktionsweisen
nebeneinander existieren könnten. Außerdem müsse es
das Ziel sein, die ökologischen und ökonomischen
Lebensgrundlagen der Menschen und die biologische Vielfalt ihrer
Lebensräume nachhaltig zu sichern.
Solange es noch keine durch
Langzeitbeobachtung gesicherten Erkenntnisse hinsichtlich des
Nutzens der genetisch veränderten Organismen (GVO) im Agrar-
und Nahrungsmittelsektor oder zu den gesundheitlichen und
ökologischen Gefahren gebe, müssten auch die Wahlfreiheit
der Verbraucher, die Erfordernisse der Entwicklungsländer und
eine umfassende Information der Öffentlichkeit sichergestellt
werden.
In der mit großer Mehrheit angenommenen
Entschließung sprechen sich die Parlamentarier für eine
striktere Regulierung der Kennzeichnung von tierischen Produkten
bei Verwendung von genveränderten Futtermitteln aus. Bei der
notwendigen verbindlichen Kennzeichnung von Saatgut müsse die
technische Nachweisgrenze von 0,1 Prozent als das effektivste
Mittel gelten, um sowohl ökologische Folgen einzudämmen
als auch die Einhaltung von Kennzeich-nungs-Schwellenwerten zu
gewährleisten. Da die Erhaltung eines einfachen Zugangs zu
gentechnikfreien Lebensmitteln gewährleistet werden soll,
setzt das auch voraus, dass die Lebensfähigkeit einer
Landwirtschaft ohne GVO langfristig gesichert werden muss. Das
gelte auch für den Grundsatz, dass Farmer in der Lage sein
müssen, ihr eigenes Erntegut zur Aussaat zu verwenden, um
Abhängigkeiten von den großen Saatgutunternehmen, die
zunehmend den Markt beherrschen, zu reduzieren.
Klare Regeln werden ebenfalls für die
Haftung gefordert, wobei die Frage bleibt, wer die Zusatzkosten zu
tragen hat, die mit der Ermöglichung der Koexistenz verbunden
sind, wie Abstandsregel oder Anbauregister, die nach dem
Verursacherprinzip zu lösen seien. Dazu zählt auch die
Einrichtung GVO-freier Zonen. Regionale Zusammenschlüsse zu
GVO-freien Zonen sollten möglich sein, um ökologisch
sensible Gebiete zu schützen.
Die Initiative der Europaratsversammlung ist
vor dem Hintergrund zu sehen, dass in gentechnische Anwendungen
hohe Investitionen geflossen sind, die sich für die
Unternehmen nun auch rentieren sollen. Neben der großen Zahl
weltweit genehmigter Pflanzen- sorten stehen jetzt auch transgene
Fische und gentechnisch veränderte Mikroorganismen vor der
Markteinführung. Die Erwartungen der Hersteller reichen dabei
von der Senkung der Produktionskosten über ausreichende
Versorgung der Weltbevölkerung bis zu qualitativ verbesserten
Lebensmitteln. Darüber hinaus wird an Verfahren zur
biologischen Entsorgung von Schadstoffen geforscht.
Die Versammlung stellt dies nicht in Frage
und stuft auch das Gesundheitsrisiko bei den gegenwärtigen GVO
als gering ein. Langfristige Auswirkungen auf die
Biodiversität aber seien schwer einzuschätzen, zumal es
keine allgemein anerkannte Definition eines "ökologischen
Schadens" gibt. Daher sei ein Langzeit-Monitoring zwingend
notwendig. Das gelte ganz besonders für die Züchtung von
transgenen Nutztieren und genetisch veränderten
Mikroorganismen, da die gesundheitlichen Risiken für den
Menschen (Allergien, ernährungsphysiologische Auswirkungen,
Zoonosen) bislang kaum erforschten seien. Unbeantwortet bleibe auch
die Frage, ob es ethisch vertretbar ist, transgene Tiere wegen der
Wirtschaftichkeit zu züchten.
Da die Entwicklung kaum aufzuhalten sein
wird, sollte wenigstens sichergestellt werden, dass gentechnisch
veränderte Nutztiere keinesfalls in offenen Herden gehalten
werden. Um Risiken, die von transgenen Fischen auf die umliegenden
Ökosysteme ausgehen, gering zu halten, sollte von einer
Haltung in Käfigsystemen in offenen Gewässern abgesehen
werden. Transgene Pflanzen und Tiere, die Pharmazeutika liefern,
sollten nur in geschlossenen Systemen gehalten werden. Zwischen
gesundheitsfördernden und therapeutischen Effekten müsse
unterschieden werden.
Eine wirksame Regelung wird vor allem dadurch
erschwert, dass international sehr unterschiedliche politische
Strategien beim Umgang mit GVO angewandt werden. Während in
den USA weder eine Trennung der Warenströme noch eine
verbindliche Kennzeichnung vorgeschrieben sind und in Brasilien und
Mexiko bereits vielfache Vermischungen heimischer Arten
festgestellt wurden, hat sich die Europäische Union dafür
entschieden, ihre Politik am Vorsorge-Prinzip auszurichten und
Produzenten wie Verbrauchern durch eine strenge Genehmigungspraxis
dauerhaft Wahlfreiheit zu ermöglichen. Dadurch ist die
Etikettierung "GVO-frei" zu einem für Ex- und Import
entscheidenden Qualitäts-Kriterium geworden. Obwohl zumindest
EU-weit Regelungen bestehen, gibt es Besorgnisse, dass über
einzelne Länder in Zentral- und Osteuropa eine schleichende
und unkontollierte Verbreitung von GVO erfolgt. Deshalb sollen
über den Europarat auf dem ganzen Kontinent vergleichbare
Sicherheitsstandards beim Umgang mit GVO als Mindestnorm erreicht
werden.
Berichterstatter Wolfgang Wodarg (SPD) wies
darauf hin, dass die Diskussion in Mittel- und Osteuropa noch nicht
sehr weit fortgeschritten und dass das Problembewusstsein ungleich
ausgeprägt sei. Nur in Tschechien und Ungarn gebe es die
technischen Vor-aussetzungen, um GVO-Reste in Lebensmitteln
nachzuweisen. Bei in Moskau gekauften Lebensmitteln seien
Kontaminationen von 30 Prozent nachgewiesen worden, obwohl in
Russland der Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen
verboten ist. Diese Situation könne damit im Zusammenhang
stehen, dass in den USA im Jahr 2000 30 Millionen Dollar bewilligt
wurden, damit die amerikanische "agroniotechnische Industrie" sich
in Osteuropa ausbreiten könne.
Während die G 7-Länder soeben
vergeblich nach gemeinsamen Initiativen zur Armutsbekämpfung
in der Dritten Welt suchten, weist die Versammlung in diesem
Zusammenhang darauf hin, dass das Patentsystem zum Schutz geistigen
Eigentums keinen fairen Ausgleich zwischen den reichen und den
ärmeren Ländern gewährleistet. Das Patentrecht
erweist sich als trickreiches Instrument, um Besitzrechte an
landwirtschaftlichen Ressourcen zu erwerben. Patente auf
biologisches Material verschärfen Abhängigkeiten und
bergen die Gefahr von Monopolen und einem
Verdrängungswettbewerb zum Nachteil traditioneller
bäuerlicher Strukturen.
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