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Volker Koop
Demokraten rücken zusammen
"Bei Extremisten darf es kein Pardon
geben"
Die deutschen Neonazis werden zufrieden sein:
Mit ihrem Einzug in den Sächsischen Landtag, mit der
Gleichsetzung von Holocaust mit dem Bombenangriff der Alliierten
auf Dresden, mit ihrer Ankündigung am 60. Jahrestag des
Kriegsendes am 8. Mai am Brandenburger Tor und dem
Holocaust-Mahnmal demonstrieren zu wollen und mit ihrer Absicht,
bei der Bundestagswahl im kommenden Jahr mit einem Wahlbündnis
von NPD und DVU anzutreten, haben sie für ein Aufsehen in den
Medien und für eine Resonanz in der Politik gesorgt, von dem
sie vor einem Jahr sicherlich nicht einmal zu träumen gewagt
hätten.
Das Verbot der NPD ist plötzlich ebenso
wieder zum Thema geworden wie Änderungen im Versammlungsrecht.
Richtig dürfte sein: Eine extremistische Partei wird man
vielleicht verbieten können, aber nicht die Geisteshaltung
ihrer Anhänger. Die Ursache nach den Gründen für das
Aufkommen der Neonazis hat begonnen und die Schuldzuweisungen
reichen von der hohen Arbeitslosigkeit bis zum Vorwurf an alle
demokratischen Parteien, sie hätten ohne Not das vorpolitische
Feld geräumt und es den braunen Rattenfängern
überlassen.
Einig sind sich alle Demokraten: Es wäre
eine unerträgliche Provokation, wenn die NPD am 8. Mai durch
das Brandenburger Tor marschieren und vor dem Holocaust-Mahnmal
demonstrieren dürfte. Doch um dies zu verhindern, müsse
man nicht das Versammlungsgesetz ändern, sondern geltendes
Recht nur konsequent anwenden, ist die Überzeugung des
innenpolitischen Sprechers der FDP-Bundestagsfraktion, Max Stadler.
Wegen der NPD sollte man nicht über Nacht die Aufhebung
traditioneller Verfassungsvorschriften vornehmen. Ohnehin sollte im
Vordergrund nicht die juristische, sondern die politische
Auseinandersetzung stehen, sagt Stadler, und weiter: "Ich habe auch
große Zweifel, ob ein neues Verbotsverfahren zum Erfolg
führen würde, Schon nach der Einstellung des erstens
Verfahrens hat die NPD an Zulauf gewonnen. Ein zweites Scheitern in
Karlsruhe können wir nicht riskieren. Zudem kann man
Gesinnungen nicht verbieten, sondern man muss ihnen politisch
entgegenwirken." Anzusetzen sei bei der politischen Bildung der
Jugend. Der relativ niedrige Altersdurchschnitt der NPD-Mitglieder
in Sachsen von 30 Jahren zeige, dass hier eine Hauptaufgabe liege.
Der FDP-Abgeordnete schlägt vor, im Fernsehen die
fünfteilige Serie "Holocaust" zu wiederholen, die in den
70er-Jahren vielen Zuschauern die Augen über die schrecklichen
Verbrechen der Nazis geöffnet habe. Schulklassen sollten mit
Zeitzeugen diskutieren und sich an Gedenkstätten informieren.
Dazu sollten die Aussteigerprogramme für NPD-Mitglieder
intensiviert werden. Das alles aber reiche nicht. Nötig sei
auch eine Wirtschaftspolitik, die zu neuen Arbeitsplätzen
führe und gerade jungen Menschen eine bessere Perspektive
biete.
Auch der CSU-Bundestagsabgeordnete Hartmut
Koschyk geht noch einmal auf den von der NPD im Sächsischen
Landtag provozierten Eklat ein und verweist darauf, dass für
die übergroße Mehrheit in Deutschland klar sei: "Trauer
über deutsches Leid, wie zum Beispiel das Bombeninferno von
Dresden, darf nicht missbraucht werden, um das verbrecherische
Nazi-Regime zu verharmlosen." Mit ihrem üblen Auftritt habe
die NPD erneut bewiesen, dass Rechtsextremisten nur
vordergründig und zur Täuschung der Wähler Glatze
und Stiefel gegen Anzug und Krawatte eingetauscht hätten. Ihre
wirklichen Ziele blieben die alten. Ebenso wichtig wie die
Prüfung eines erneuten Parteiverbotsverfahrens sei es, dass
die Demokraten die Extremisten bekämpften und ihnen ihr
gefährliches Spiel nicht erleichterten: "Weder durch
überzogene Reaktionen, noch durch Wegsehen. Und: Wo
Extremisten gegen Recht und Gesetz verstoßen, darf es kein
Pardon geben." Aufmärsche, wie sie die NPD am 29. Januar 2000
unter dem Brandenburger Tor veranstaltet hätten, müssten
unterbunden werden. Die Unionsfraktion habe bereits im Januar - so
Hartmut Koschyk weiter - ein Gesetz vorgelegt, mit dem das
Brandenburger Tor und das Holocaust-Mahnmal, ähnlich wie heute
schon das sowjetische Ehrenmal, in die so genannte Bannmeile um den
Bundestag einbezogen werden sollten. Er hoffe auf eine breite
Zustimmung zu diesem Gesetz, denn: "Eine wehrhafte Demokratie kann
es nicht bei Appellen gegen Rechtsextremisten belassen."
Selbstkritisch räumt Monika Lazar, ein,
dass der erstarkende Rechtsextremismus zu lange ignoriert worden
sei. Warnungen seien in den Wind geschlagen oder verharmlost
worden, sagt die Abgeordnete vom Bündnis90/Die Grünen. So
habe man rechtextremistische Gruppen vor Ort als ein
vorübergehendes Phänomen eingestuft, um den Ruf einer
Region nicht zu beschädigen. Dadurch seien rechtzeitige
Gegenmaßnahmen verhindert worden. Zudem sei die rechtsextreme
Gefahr verschleiert worden, indem man die PDS mit rechtsextremen
Parteien in einen Topf geworfen und nicht zu den demokratischen
Parteien gezählt habe. Wozu so etwas führe, sehe man im
Sächsischen Landtag. Monika Lazar: "Wer Rechtsextremen den
Nährboden entziehen will, muss Demokratie, Freiheit und
Gleichheit aller Menschen als Grundwerte selbstbewusst vertreten.
Die Grundlage hierfür muss schon im Kindesalter von Eltern und
Bildungseinrichtungen gelegt werden. Auch ist es notwendig, die
demokratischen Kräfte im Land zu stärken und zu
vernetzen. Dazu zählt auch die finanzielle Förderung
nicht-staatlicher Initiativen, welche die Zivilgesellschaft
ausbauen und Aufklärung betreiben." Alle demokratischen
Parlamentarier müssten sich nach Überzeugung der
Grünen-Abgeordneten daran messen lassen, ob sie in der Lage
seien, sich mit rechtsextremen Abgeordneten wirksam
auseinanderzusetzen. Dazu seien gemeinsame Handlungskonzepte quer
durch alle Parteien einzuhalten. Jede Zusammenarbeit mit
rechtsextremen Parteien seien auszuschließen. Monika Lazars
Überzeugung: "Um deren wahren Charakter zu entlarven,
genügt es nicht, sie zu ignorieren oder sich abzuwenden.
Zivilcourage und offensives Reagieren innerhalb und außerhalb
des Parlaments sind unerlässlich."
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