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Jeannette Goddar
Hinter den Fällen muss man die Menschen
erkennen
Drei Jahre lang kürten zwei
Wissenschaftsorganisationen die freundlichsten
Ausländerbehörden der Republik: Ein Ortsbesuch in
Leipzig
Wenn Wolfgang Frühwald erzählt, wie er dazu gekommen
ist, eine so illustre Auszeichnung zu erfinden, lässt er es an
deutlichen Worten nicht fehlen: Was Gastwissenschaftler in
deutschen Behörden erlebten, sei "alarmierend", eine Gefahr
für den internationalen Wissenschaftsstandort Deutschland und
keinesfalls hinnehmbar. Der Präsident der
Alexander-von-Humboldt-Stiftung berichtet von
Ausländerbehörden, die in "finstersten Löchern"
untergebracht seien, und von hochdotierten Stipendiaten, einem
russischen Professor zum Beispiel, dem bei der Einreise erst einmal
für drei Monate der Pass abgenommen wurde. Um Abhilfe zu
schaffen, machte sich der Präsident der
Alexander-von-Humboldt-Stiftung auf den Weg, suchte und fand im
Stifterverband für die deutsche Wissenschaft einen starken
Partner und schrieb einen Preis aus: eine mit immerhin je 25.000
Euro dotierte Auszeichnung für die drei "freundlichsten
Ausländerbehörden" der Republik. Der Titel wird an
Ämter verliehen, die sich in besonderer Weise als
"aufgeschlossen, flexibel und hilfsbereit" erwiesen haben. Die
Entscheidung fällt eine hochrangige Jury auf Grundlage von
Nominierungen ausländischer Wissenschaftler und Stipendiaten.
In diesem Jahr wurden die Behörden in Leipzig, Düren und
Aalen prämiert.
Ortsbesuch Leipzig, Seeburgstraße. Auf der Suche nach der
freundlichen Behörde findet man ein unauffälliges
vierstöckiges Haus, in dem 30 Mitarbeiter sich um die Belange
der 30.000 in der Stadt lebenden Ausländer kümmern. Im
Erdgeschoss; stehen kurz vor Schalterschluss zehn Männer und
Frauen an. Sie halten Pässe in den Händen, dazu
Formulare, Miet- und Arbeitsverträge, Immatrikulationen und
Einladungen. Aber immerhin, ein bisschen Freundlichkeit scheint
durch: Das Zimmer mit dem Serviceschalter ist hell und freundlich.
An den Wänden hängen Bilder, auf dem Boden stehen
Pflanzen, es gibt einen Kopierer und eine Kinderspielecke. Es
läuft ein Video, das die Stadt Leipzig vorstellt.
Vier Mitarbeiter hören sich an der Rezeption die Anliegen
an, sichten die Unterlagen und helfen im Zweifel auch beim
Ausfüllen der Formulare. Zwei Drittel der Fälle werden so
gleich im Eingangsbereich erledigt. Niemand wartet lange und vor
allem nicht mehrfach. Die Umgestaltung des "Servicebereichs" war
ein zentraler Schritt auf dem Weg zur freundlichen Behörde:
Früher hat man - wie es Behörden gerne tun - die
Zuständigkeiten der Sachbearbeiter in einer komplexen Mischung
aus Anfangsbuchstaben und Fachgebieten sortiert. Bevor er
überhaupt einen Zuständigen zu Gesicht bekam, trug jeder
Kunde nach oft stundenlanger Wartezeit ein erstes Mal an der
Rezeption sein Anliegen vor. Von dort wurde er in das "richtige
Zimmer" geschickt und erfuhr im Zweifel erst nach Stunden, dass er
umsonst gekommen war. Tatsächlich sind auch in der deutschen
Öffentlichkeit, wenn sie denn einmal informiert wird, die
Wartezeiten neben der Unfreundlichkeit der Mitarbeiter das
Hauptärgernis. Immer wieder beklagt werden stundenlange
Herumstehereien für Dinge, die gar nicht erledigt werden
können. Weil Unterlagen fehlen, das Amt gar nicht
zuständig ist, die Anträge noch nicht bearbeitet wurden
oder der zuständige Kollege gerade zu Tisch ist.
Dass Leipzig dies in den Griff bekommen hat, klingt wenig
spektakulär - reichte aber aus, damit sage und schreibe 80
ausländische Studierende und Wissenschaftler sich
persönlich dafür einsetzten, dass "ihr" Amt zur
ausländerfreundlichsten Behörde der Republik gekürt
wird. Getu Abraham ist einer von ihnen. Für "empfindsame
Wissenschaftler", erzählt der äthiopische
Veterinärmediziner mit einem leisen Lächeln, sei jeder
Kontakt mit Behörden eine Zeit raubende Last; für
Ausländer die Unsicherheit gegenüber deutschen Beamten
häufig groß. Aber: "Wenn ich hier einen Antrag abgeben
muss, kann ich beruhigt schlafen."
Der Kopf hinter der Leipziger Freundlichkeitsoffensive
heißt Norbert Beital und hat seine eigene Geschichte mit
Ausländerbehörden. Bevor er Leiter des Leipziger
Ordnungsamtes wurde, war er Streifenbeamter, Rechtsanwalt und
Professor. Davor - nämlich bis zu seiner Einbürgerung -
war der gebürtige Kroate selbst regelmäßiger Gast
auf dem Amt. Anders als die drei hölzernen Affen auf seinem
großen Schreibtisch im zehnten Stock wollte Beital bei seiner
Amtsübernahme vor zwei Jahren nicht weggucken, weghören
und schweigen. Als eine der ersten Handlungen nahm er sich die
Ausländerbehörde vor. Die halbhohe Wand, hinter der sich
die Mitarbeiter verschanzt hatten, wurde abgerissen und der heutige
Counter aufgestellt. Es wurde renoviert. Aus einem
notdürftigen Aufenthaltsort wurde ein lichtes Kundencenter.
Die Arbeit wurde neu verteilt.
Vor allem aber wurde in Fortbildung investiert. In Kurse in
interkultureller Kompetenz, aber auch in etwas, was man einfach mit
Emphase umschreiben könnte. Man setzte sich zusammen und
studierte, oft über Stunden, die Menschen, die sich in den
Akten verbargen. Für Beital war das das A und O der Reform:
"Sachbearbeiter kennen doch meist nur einen ganz kleinen
Ausschnitt. Aber um Interesse und Verständnis zu entwickeln,
muss man den ganzen Menschen betrachten. Und wer die Menschen
hinter den Fällen sieht, nutzt auch eher mal
Ermessensspielräume aus." Schließlich holte Beital noch
eine bulgarische Studentin ins Haus. Die verbrachte ihr Praktikum
mit der Entwicklung von Vorschlägen für eine
freundlichere Behördenarbeit. Einer ihrer Vorschläge soll
mit Hilfe des Preisgelds umgesetzt werden. Gemeinsam mit dem
Studentenprojekt "Haus der 5 Kontinente" will das Amt im Internet
für Leipzig als internationale Stadt werben. Dass die
Ausländerbehörde den Studierenden entgegenkommt, ist
nichts Neues: Zu jedem Semesterbeginn richtet die Behörde an
der Uni eine Außenstelle ein.
Leipzig ist eine der letzten drei Städte, die geehrt
wurden. Nach drei Jahren läuft die Ausschreibung aus. Der
"Wettbewerb um Freundlichkeit", sagt Wolfgang Frühwald, habe
inzwischen bundesweit Wirkung gezeigt. Die Auszeichnung habe ein
Bewusstsein dafür geschaffen, dass engagierte
Ausländerämter für ein positives Deutschlandbild wie
für die internationale Wettbewerbsfähigkeit des
Forschungsstandorts Deutschland unverzichtbar seien. Eine
Anerkennung für "hervorragendes Engagement" erhielten in
diesem Jahr Behörden in Augsburg, Braunschweig, Gelsenkirchen,
Mannheim und Oldenburg.
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