Robert Luchs
Die Baumriesen fallen
Raubbau in Kambodscha
Ex-König Norodom Sihanouk wusste um die Katastrophe. Doch
sein Einfluss war schon ge-schwunden, als er an die britische
Umweltorganisation Global Witness schrieb: "Durch die Abholzung des
Tropenwaldes wird die Zukunft Kambodschas und die unserer jungen
Generation geopfert." Auch vor der Nationalversammlung in Phnom
Penh stieß er auf taube Ohren, als er den Kahlschlag für
die schweren Überschwemmungen verantwortlich machte, die sich
in den letzten Jahren in dem südostasiatischen Land
häufen.
Früher konnten sich die Bauern auf die Regenzeit verlassen.
In den vergangenen zwei, drei Jahren fällt der Regen
unregelmäßiger. Und die Bauern sind mehr und mehr
verunsichert, wann sie mit der Reisanpflanzung beginnen sollen.
Marcus Hardtke, deutscher Mitarbeiter bei Global Witness in der
Hauptstadt Phnom Penh, sieht große Veränderungen
zumindest auf regionaler Ebene. Es sei sicherlich schwierig, diese
Entwicklung direkt mit dem Raubbau am Tropenwald in Verbindung zu
bringen. Aber die zunehmende Tro-ckenheit sei offensichtlich, mit
Bodenerosion im Gefolge und einem veränderten Mikroklima. Die
Perioden der Trockenheit sind inzwischen von sechs auf acht Monate
angewachsen. Das hat schwerwiegende Folgen für die
Landwirtschaft, aber auch für den im Wortsinn "angeschlagenen"
Wald, der sich kaum mehr regenieren kann. Seen sinken ab, mit
erschreckenden Folgen für den Fischbestand.
Die Roten Khmer, die zwischen 1975 und 1979 rund zwei Millionen
Menschen umbrachten, hatten noch bis Anfang der 90er-Jahre weite
Teile des wald-reichen Westens an der Grenze zu Thailand
kontrolliert. Mit dem schwungvollen Tropenholz-Handel finanzierten
sie ihre Truppen und ihre Vorstöße gegen die Armee. Dann
schaltete sich auch Ministerpräsident Hun Sen in das lukrative
Geschäft ein, obwohl Artikel 59 der 1993 verkündeten
Verfassung den Schutz und Erhalt der Umwelt vorschreibt.
Als das Land befriedet und die letzten Roten Khmer zu den
Regierungstruppen übergelaufen waren, kam das
Holzgeschäft erst so richtig in Fahrt. "Von dem Boom haben
alle politischen Parteien, die Armee und praktisch jeder
profitiert, der eine Kettensäge halten konnte", so Marcus
Hardtke. Die Situation geriet außer Kontrolle, sodass Mitte
der 90er-Jahre die Geberstaaten der kambodschanischen Regierung ein
Ultimatum stellten: Falls nicht sofort eine Waldreform eingeleitet
würde, dann werde die Ressource Wald für immer verloren
sein. Kambodscha würde keine Entwicklungsgelder mehr erhalten.
Unter diesem Druck leitete Ministerpräsident Hun Sen in 1999
eine Reform ein. Von ihr wurden die Betreiber von den im ganzen
Land verteilten Sägewerken betroffen. Die "großen Fische"
blieben weitgehend unbehelligt, weil sie mit Regierungsstellen
gemeinsame Sache machten.
Absurderweise führte die Waldreform dazu, dass der
Regierungschef die unliebsame Konkurrenz wie die
Oppositionsparteien ausschaltete. So ganz will sich aber die Lobby
der Holzhändler nicht verdrängen lassen. Auch bestimmte
Leute in den Ministerien in Phnom Penh leben von dem skrupellosen
Holzeinschlag nicht schlecht. Also wurde eine neue Idee geboren -
das Anlegen von Plantagen bis zu einer Maximalgröße von
10.000 Hektar. Um sie aber anzulegen, muss zunächst einmal der
Wald verschwinden. Und genau das geschieht jetzt in Kambodscha.
Unverantwortliche Profitgier
In den Provinzen Pursat und Kampong Chhang fressen sich die
Sägen tief in die Wälder hinein. Akazien-Plantagen sind
geplant, obwohl der Boden dafür gar nicht geeignet ist. Dann
sollen später auch noch Gummi- und Eukalyptus-Bäume
gepflanzt werden. Ob dies allerdings jemals geschehen wird, ist
mehr als fraglich. Die Größenordnungen sind aus
europäischer Sicht unvorstellbar. Es handelt sich um
Waldgebiete von bis zu 300.000 Hektar. Der Schaden, der aus
Profitgier entsteht, wird nicht wieder gut zu machen sein. Das
Monopol für das Anlegen der Plantagen hat der Konzern
Pheapimex, dessen Betreiber in der Nähe von
Ministerpräsident Hun Sen angesiedelt ist.
Global Witness hat in seiner jüngsten detaillierten
Untersuchung mit dem durchaus doppeldeutigen Titel "Taking a Cut"
(Einen Schnitt machen) aufgedeckt, dass die Holzlobby auch vor
Naturschutzgebieten nicht Halt macht. Am Beispiel des Aural
Wildlife Sanctuary, in den Provinzen Pursat und Kompong Speu
gelegen, enthüllt die Umweltorganisation erneut die enge
Verflechtung mit Hun Sen. Seine 1.000 Mann zählende Leibgarde
unter Generalmajor Hinh Bun Heang profitiert vom Handel mit
Tropenholz.
Die der Leibwache angehörenden Offiziere Mao und Maorng
kommen nach Informationen von Global Witness ein- bis zweimal
wöchentlich mit eigenen Trucks in das Naturschutzgebiet und
zahlen jeweils 1.000 Dollar Bestechungsgeld an die Spezialeinheiten
der Forstverwaltung.
Die Armee hat nicht nur Erfahrung mit illegalem Holzhandel,
sondern auch die logistischen Möglichkeiten, das Geschäft
nach außen abzusichern. Sie hat genug Leute und eine
ausreichende Zahl von Trucks, die die wertvolle Fracht in andere
Provinzstädte oder direkt nach Vietnam bringen. Die britischen
Umweltschützer haben inzwischen eine haarsträubende
Entdeckung gemacht. Bei Kontrollflügen und Untersuchungen
stellten sie in der östlichen Provinz Mondulkiri fest, dass
auf einem mit Gras- und Buschland bewachsenen Hochplateau das
Herbizid Agent White versprüht wird. Im Vietnamkrieg war das
Gift nach Agent Orange von den Amerikanern zur Entlaubung der
Wälder benutzt worden. Kaum vorstellbar, welchen Schaden das
im höchsten Maße krebserregende Herbizid bei den
Bewohnern der Provinz verursachen kann. Marcus Hardtke: "Die
sprühen das Gift, um Platz für ihre Pflanzungen zu
schaffen. Fraglich ist nur, wie sich das auf die Pflanzungen
auswirken wird..."
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