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Götz Hausding
Schöngefärbt oder schlechtgeredet?
Streit um die wirtschaftliche Gesamtsituation in
Deutschland
Einmal mehr von gegenseitigen Schuldzuweisungen
geprägt, verlief die Debatte um das Jahresgutachten des
Sachverständigenrates und den Jahreswirtschaftsbericht der
Bundesregierung für das Jahr 2005 vor dem Bundesrat am 18.
März. Dabei warfen sowohl der niedersächsische
Ministerpräsident Christian Wulff als auch sein Amtkollege aus
Thüringen, Dieter Althaus (beide CDU) der Regierung ein
vollständiges Versagen in der Wirtschaftspolitik sowie einen
ausgeprägten Drang zur "Schönfärberei" vor.
Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement
und der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck
(beide SPD) hingegen kritisierten das fortwährende
"Schlechtreden" des Wirtschaftsstandortes Deutschland durch die
Union. Benötigt würden, so waren sich Clement und Beck
einig, Optimismus und Zuversicht.
Im Jahresgutachten 2004/2005 vertreten die
Sachverständigen die Auffassung, dass die deutsche
Volkswirtschaft in den vergangenen Jahren die Chancen der
internationalen Arbeitsteilung erfolgreich genutzt habe,
andererseits aber zur Behebung der andauernden
Wachstumsschwäche die binnenwirtschaftlichen Probleme
angepackt werden müssten. Auf Teilbereichen des Arbeitsmarktes
sei mehr Flexibilität gefordert, um im Inland die
Voraussetzungen für mehr Wachstum und Beschäftigung zu
schaffen. In ihrem Jahreswirtschaftsbericht 2005 erwartet die
Bundesregierung ein Wirtschaftswachstum von 1,6 Prozent. Das
Haushaltsdefizit solle wieder unter drei Prozent des
Bruttoinlandsproduktes liegen.
Gemeinsam Verantwortung tragen
Auf die deutsche Volkswirtschaft seien im
Rahmen der Wiedervereinigung und des Prozesses des Zusammenwachsens
in Europa außerordentliche Lasten zugekommen, befand
Ministerpräsident Beck. Dennoch müsse man die Situation
realistisch sehen und die entsprechenden Konsequenzen ziehen. Der
Staat habe dabei aber nur begrenzte Möglichkeiten. Er
könne und müsse die Rahmenbedingungen bieten, dürfe
jedoch nicht in unternehmerische Entscheidungen eingreifen. Aus
diesem Grundsatz heraus ergebe sich eine gemeinsame Verantwortung
für die Entwicklung im Lande. Er wolle keineswegs den Eindruck
eines Schönredners erwecken, wolle aber dennoch Positives
benennen, auch um den dringend gebrauchten Optimismus zu entfachen.
So habe man mit erheblichen Steuersenkungen wie auch einer Senkung
der Abgabenqoute die Unternehmen entlastet. Dadurch sei die
Deutsche Wirtschaft in ihrer Wettbewerbsfähigkeit durchaus
gestärkt worden, was sich nicht zuletzt darin zeige, dass man
auch im Jahre 2004 "Exportweltmeister" gewesen sei. "Es gibt keinen
Grund, in Sack und Asche zu gehen", sagte der
Ministerpräsident. Auch im Bereich Wissenschaft und Forschung
stehe man nicht schlecht da. Dies zeige die erhebliche Steigerung
der deutschen Patentanmeldungen. Er sage all dies, weil es ein
kapitaler Fehler wäre, positive Dinge nicht
anzusprechen.
Niedersachsen Ministerpräsident Wulff
gab sich davon unbeeindruckt. Auch die längsten Reden
ändereten die Fakten nicht, sagte er und stellte fest: "Die
Zahlen in den vorliegenden Berichten sind verhehrend!" Die
Weltwirtschaft boomt, aber Deutschland nehme nicht teil -
Deutschland sei vom Musterschüler zum Sorgenkind verkommen, so
Wulff. Schuld daran sei die verfehlte Politik der Bundesregierung.
Man brauche mehr Optimismus, da sei er sich einig mit seinem
Vorredner. Allerdings blickten laut Umfragen 85 Prozent aller
Bundesbürger in eine unsichere Zukunft. Dies sei mehr als
verständlich. Ein zu geringes Wachstum, um Arbeitsplätze
zu schaffen und ein Bundeshaushalt, der schon zu Beginn des Jahres
Makulatur sei, förderten nicht gerade die Zuversicht in den
Aufschwung. Die von Beck so gelobten Steuersenkungen der
Bundesregierung brächten nicht den gewünschten Effekt, da
die Vorteile durch Steuererhöhungen in anderen Bereichen,
beispielsweise der Ökosteuer, wieder verwässert
würden. Zielführend hingegen sei, getreu dem Motto von
Bundespräsident Horst Köhler, alles zu tun, um den
Arbeitsplätzen die Vorfahrt zu gewähren. Dazu gehöre
neben der Flexibilisierung des Arbeits- und Tarifrechts auch der
Abbau der Bürokratie. Rot-Grün hingegen
präsentierten mit dem Antidiskriminierungsgesetz das genaue
Gegenteil, kritisierte Wulff. Schönfärberei, so begann
der Thüringische Ministerpräsident Althaus seine Rede,
sei schon der Untertitel des Jahreswirtschaftsberichts. Die
Formulierung: "Den Aufschwung stärken!" erwecke den Eindruck,
es gebe einen solchen. Davon könne jedoch nicht die Rede sein.
Bei 5,2 Millionen Arbeitslosen verbiete sich derartiges
Schönreden - eine Verharmlosung der Situation sei inakzeptabel
und ein klares Zeichen dafür, dass die Bundesregierung die
wahre Dimension der Probleme nicht erkennen wolle und auch keine
wirklichen Antworten habe. Die Senkung der Körperschaftsteuer
sei ein erster Schritt in die richtige Richtung, allerdings helfe
sie nicht den mittelständischen Personengesellschaften. Er
erwarte, dass die Senkung der Steuern seriös gegenfinanziert
werde. Weitere Steuerausfälle könnten sich die
Länder nicht leisten.
Wirtschaftliche Erholungsphase
erreicht
"Trübsal blasen bringt unser Land nicht
voran", entgegnete ihm Wirtschaftsminister Clement. Der Bericht des
Sachverständigenrates berge auch positive Aussagen in sich.
Schließlich sei die dreijährige Stagnation vorüber.
Die Exporte seien weiter gestiegen, ebenso wie die
Unternehmensgewinne - auch bei Mittelständlern. Ein Grund
dafür sei die moderate Entwick-lung der Lohnstückkosten
in Deutschland. Man befinde sich derzeit in einer wirtschaftlichen
Erholungsphase. Wer, wie die Union dies nicht erkenne, lebe in
einer Scheinrealität. "Lösen Sie sich davon!" forderte
Clement. Die Erwerbstätigkeit steige, die Arbeitslosigkeit
nehme ab. Wer dennoch vom "Untergang" wie die CDU-Vorsitzende
Angela Merkel oder von der "Verelendung Deutschlands" wie Michael
Glos von der CSU spreche, agiere verantwortungslos. Nur Reden
reiche nicht, sagte er an Althaus gewandt, man müsse auch
handeln. Dies habe die Regierung getan. Die Unternehmenssteuern
würden weiter gesenkt, dies sei nötig um weiter
international wettbewerbsfähig zu sein. Seine dringende Bitte
sei es nun, den gefundenen Kompromiss nicht bei der Frage der
Gegenfinanzierung zu zerreden. Im Übrigen seien, entgegen der
Ansicht des Thüringer Ministerpräsidenten, auch
Personengesellschaften besser gestellt als je zuvor. Clement regte
an, die Föderalismusdebatte neu zu beleben und zu Ende zu
führen. Dabei dürfe keiner mit dem Finger auf den anderen
zeigen. Der Bundesregierung wie auch ihm persönlich seien
mutige und konkrete Vorschläge willkommen. Eine andauernde
Aufforderung zur Lockerung des Kündigungsschutzes und zur
Beschränkung von Arbeitnehmermitspracherechten verstehe er
darunter allerdings nicht.
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