Hartmut Hausmann
Luxemburg als Vermittler gefragt
Frühjahrsgipfel der Staats- und
Regierungschefs am 22. und 23. März
Im Dezember 1996 wurde Jean-Claude Juncker als Retter des
Gipfels von Dublin gefeiert. Dem Ministerpräsidenten des
kleinsten EU-Landes war es gelungen, in einem scheinbar
unlösbaren Streit zwischen den beiden "Großen" der Union
zu vermitteln. Der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl verlangte von
seinen Kollegen möglichst strikte Regeln zur Sicherung des
zukünftigen Euro, sein französischer Kollege Jacques
Chirac wollte Brüssel möglichst wenig Einfluss auf die
nationale Haushaltspolitik zugestehen.
Am 22./23. März ist der Luxemburger, zugleich auch
Finanzminister seines Landes, wieder gefordert, wenn es neben der
Aufgabe, die Wachstumsstrategie des Lissabon-Prozesses neu zu
beleben, vor allem um eine Reform dieses Paktes geht. Die
Vorzeichen haben sich allerdings stark verändert. Zwar ist
Chirac immer noch Präsident und vertritt im wesentlichen die
gleichen Positionen wie 1996. Doch diesmal steht Kohl-Nachfolger
Gerhard Schröder auf seiner Seite.
Stabilitätspakt dreimal verletzt
Beide Länder haben in den letzten drei Jahren gegen die in
Dublin festgelegten Regeln verstoßen und die zulässige
Obergrenze von drei Prozent beim Haushaltsdefizit
überschritten. Beiden drohen deshalb bei weiteren
Verstößen massive Geldbußen in
Milliardenhöhe.
Einmütig verlangen Paris und Berlin eine möglichst
weitgehende Aufweichung des Paktes. Und wieder kommt Juncker nicht
nur fachlich, sondern auch wegen des rotierenden EU-Vorsitzes eine
zentrale Vermittlerrolle zu. Er hat bereits deutlich gemacht, dass
es bei den Änderungen nicht ausschließlich nach dem
Willen von Deutschen und Franzosen gehen kann und wird. Einen "Pakt
der Banalitäten", der keinerlei politische Wirkung mehr
entfalte, werde es mit ihm nicht geben. Eher werde er gar keine
Reform vorzuschlagen, als eine Verwässerung des bestehenden
Paktes zu akzeptieren.
An den Grundsätzen des Paktes - Begrenzung des
zulässigen Haushaltsdefizits und der Staatsschulden - wird
sich danach nichts ändern. Der Gipfel soll lediglich eine
Erklärung über die Auslegung dieses Paktes verabschieden.
Dazu hat Juncker eine Liste von 16 Ausnahmetatbeständen
vorgelegt, die eine kurzfristige Verletzung dieser Regeln
rechtfertigen könnten. In dieser Liste fehlt allerdings fast
alles, was zuletzt von Berlin und Paris verlangt worden war:
Schröder etwa will sowohl die Zuschüsse an die neuen
Bundesländer im Rahmen der deutschen Einheit als auch die
Beiträge an den EU-Haushalt bei der Beurteilung des deutschen
Defizits berücksichtigt wissen. Und Chirac fordert, ganze
Positionen wie den Forschungs- oder Verteidigungshaushalt
herauszurechnen.
Um dem vorzubeugen, plant Juncker sogar in einigen Punkten eine
Verschärfung. So sollen die Mitgliedstaaten gezwungen werden,
in konjunkturell "guten Zeiten" noch stärker zu sparen. Danach
könnte die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren
einleiten, wenn ein Land eine Periode guten Wirtschaftswachstums
nicht zum Abbau seiner Schulden nutzt. Doch dagegen sind noch
andere Länder, die einen zu großen Einfluss Brüssels
auf ihre Haushaltspolitik befürchten. Ihnen gegenüber
stehen Österreich und die Niederlande, die möglichst
strikte Regeln verlangen und Junckers Vorschlag als zu weich
kritisieren. Die alten Regeln beinhalten offenbar auch die neuen
EU-Mitglieder als künftige Euro-Länder, weil zu laxe
Regeln ihnen zu Hause die Durchsetzung der erforderlichen
Haushaltsdisziplin erschweren würde.
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