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Karl-Otto Sattler
Bodenständig und solide
Baden-Württemberg: Erwin Teufel tritt
ab
Selbst Bundesaußenminister Joseph Fischer
ist voll des Lobes: "Das war eine große europäische
Rede." Alle Fraktionen applaudieren dem Rhetor. Angela Merkel,
Rezzo Schlauch, Birgit Homburger, Jörg van Essen gehen zur
Bundesratsbank und gratulieren. Die Debatte im Bundestag über
die EU-Verfassung ist vor allem eines: eine Huldigung an Erwin
Teufel (CDU), den scheidenden baden-württembergischen
Ministerpräsidenten. Bei seinem Auftritt in Berlin am 24.
Februar beschwört der Stuttgarter Regierungschef, der im
EU-Konvent für die Verankerung der Rechte der Regionen im
Grundgesetz der Staatengemeinschaft gefochten hat, sein Credo von
Europa als einer "Erfolsgeschichte", für die es "mit der Ratio
und dem Herzen" zu kämpfen gelte.
Erwin Teufel, der Europäer: Da zollt man
parteiübergreifend Beifall. Die Weihestunde im Bundestag
dürfte der 65-Jährige als angemessene Würdigung
werten. Das sieht zu Hause etwas anders aus: Im Schwäbischen
und Badischen steht der Abgang Teufels, der am 19. April seine
Insignien niederlegt, im Schatten des unschönen
landespolitischen Kleinkleins: Gegen seinen Willen wurde der
Ministerpräsident, der mit 14 Jahren länger als alle
Vorgänger in der Villa Reitzenstein residierte, von der Fronde
des Fraktionsvorsitzenden Günther Oettinger zum Rücktritt
getrieben. "Diese Gruppe will endlich selbst an die Regierung, das
ist der einzige Grund", hat Teufel einmal gewettert.
Der Dauerregent hatte andere Perspektiven:
"Ich bin selbstbewusst genug zu sagen, dass ich die nächste
Wahl überzeugend gewinnen kann." Seit dem Triumph des
ungeliebten Kronprinzen, der im Nachfolgekrieg auch noch Teufels
Favoritin Annette Schavan besiegte, vermag der Altvordere seine
Bitterkeit kaum zu unterdrücken. Denkwürdig eine Rede
Ende 2004 vor dem Landtag, bei der Erwin Teufel ziemlich
unverblümt kundtat, eigentlich unersetzlich zu sein - und
kurzerhand noch ein 170 Millionen Euro teures "Zukunftsprogramm"
auflegte. Der Verlust der Macht schmerzt.
Doch je näher der 19. April rückt,
desto abgeklärter und milder werden die Blicke auf Teufels
Ära, der 1991 Lothar Späth nach dessen Abgang im Zuge der
"Traumschiff-Affäre" wegen industriefinanzierter Reisen folgte
und seither auch die Landes-CDU führt. "Teufel, das muss man
zugestehen, hat seine Mehrheit 2001 mit dem überzeugenden
Image der Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit errungen",
sagt SPD-Kontrahentin Ute Vogt. Vom grünen
Fraktionsvorsitzenden Winfried Kretschmann stammt dieses positiv
gemeinte Urteil: "Vergleicht man Erwin Teufel mit den
Medienvirtuosen, die zunehmend die politische Bühne
bevölkern, ist er ein Unzeitgemäßer, ein
hoffnungslos Unzeitgemäßer."
Frei von Affären
Das Image der Bodenständigkeit und des
Soliden verhalf dem konservativen Teufel zur Rolle der
unangefochtenen landespolitischen Nummer eins: Frei von
Affären zog er im "Ländle" Schritt für Schritt seine
Bahn, die fast wie ein Werdegang im öffentlichen Dienst vom
ersten Landtagsmandat 1972 über zwei Staatsekretärsposten
und den Fraktionsvorsitz an die Kabinettsspitze führte. Als
eines von acht Kindern auf einem Bauernhof bei Rottweil
aufgewachsen, hatte Teufel eine Verwaltungsausbildung absolviert
und war mit 25 Jahren in Spaichingen zum jüngsten
Bürgermeister der Republik gewählt worden. Als
Ministerpräsident quartierte sich Teufel nicht in eine
Dienstvilla in Stuttgart ein, sondern zuckelte lieber morgens im
Zug von Spaichingen aus in die Hauptstadt. In Rottweil stieg seine
Sekretärin ein, und dann ging man während der Reise
zusammen die Post durch. Nötigenfalls übernachtete
Teufel, der als Junge Sportreporter werden wollte, in einem
gemieteten Zimmer in Stuttgart. Die populäre Bescheidenheit
hat indes nichts mit politischer Naivität zu tun. Der
bauernschlaue Teufel ist mit allen machtpolitischen Wassern
gewaschen. Erst zum Schluss entglitten ihm in der eigenen Partei
die Zügel.
So unangefochten der "ewige Erwin" am Neckar
das Zepter schwang, so schaffte er es nie, in Bonn und Berlin
mitzumischen - was angesichts der wirtschaftlichen Stärke
Baden-Württembergs und des Gewichts der Südwest-CDU in
der Gesamtpartei seltsam anmutet. Der Glanz der bundespolitischen
Kür blieb Teufel versagt, er versprühte auch keine
Ambitionen dieser Art. Als Wolfgang Schäuble und dann Annette
Schavan um die Kandidatur für das Bundespräsidentenamt
kämpften, spielte der "Ländle"-Regent keine Rolle.
Irgendwie umweht Teufel, den Mann mit dem alemannischen Tonfall,
trotz seiner Ausflüge in die europäische Politik das
Flair des Statthalters in der Provinz. Dazu passt die
spöttelnde Charakterisierung als "Landespater" - Teufel sitzt
auch im Zentralkomitee der Katholiken.
Landespolitisch gesellt sich zu manchem Licht
auch dieser und jener Schatten. Bei seiner ersten Wahl verlor
Teufel 1992 die absolute CDU-Mehrheit, angesichts des Vormarsches
der rechtsextremen Republikaner stürzte die Union auf 39,6
Prozent ab. Eine ungeliebte große Koalition war die Folge.
Seither steigerte Teufel die Prozentpunkte für die CDU wieder,
2001 waren es 44,8 Prozent. 1996 bereiteten ihm Parteifreunde im
Landtag eine Schmach: Erst im zweiten Durchgang schaffte Teufel die
Wahl zum Chef einer Koalition mit der FDP.
Baden-Württemberg steht ökonomisch
gut da und hat im Bundesvergleich die niedrigste Erwerbslosenquote.
Auch das Schulwesen und die Universitäten rangieren in der
Spitzengruppe. Teufel gelangen Großprojekte, an denen
"Cleverle" Späth gescheitert war: Mehrere Staatsbanken
fusionierten, die Energielandschaft wurde neu geordnet, aus
Südwestfunk und Süddeutschem Rundfunk entstand der
mächtige ARD-Sender Südwestrundfunk. Gegen viele
Widerstände auch in der CDU setzte er die Reform der
Verwaltung durch. Ausgerechnet im sparwütigen Schwaben hat
Teufel indes wenig solide gewirtschaftet: Er hinterlässt
Oettinger einen gewaltigen Schuldenbuckel, der auf gigantische 40
Milliarden Euro angewachsen ist. Von den üppigen
Privatisierungserlösen des Landes zweigte Teufel über 1,7
Milliarden Euro ab für insgesamt vier Zukunftsprogramme - die
als Erwin I, Erwin II, Erwin III und zuletzt nun als Erwin IV
firmieren, sozusagen das Sahnehäubchen zum Ausklang der
Amtszeit. Das Geld hätte auch in die Kredittilgung
fließen können. Das ist die Kehrseite der üppigen
Ausstattung von Wissenschaft und Forschung.
Doch mit der Schuldenhypothek muss sich
Teufel nicht mehr herumschlagen. Fortan kann er frischen Tatendrang
ausleben. Andere Herausforderungen wolle er künftig annehmen:
Man werde "sich wundern".
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