Erik Spemann
Es bleibt kein Stein auf dem anderen
Bayern und die Verwaltungsreform
Es bleibt kein Stein auf dem anderen - Bayern krempelt seine
Verwaltung drastisch um und will auch den Vorschriften-Dschungel
kräftig durchforsten. Das Unternehmen gilt als Kernstück
der ganzen Legislaturperiode. In einer Regierungserklärung vor
dem Landtag sprach der für das Projekt "Verwaltung 21"
verantwortliche Staatskanzleichef Erwin Huber von der
"umfassendsten Strukturreform der bayerischen Verwaltung seit den
letzten Jahrzehnten". Ziel sei eine Verschlankung, um mit weniger
Personal mehr finanziellen Spielraum für politisches Gestalten
zu gewinnen.
Die Opposition übte heftige Kritik. Die SPD-Abgeordnete
Christa Naaß sagte, der Staatsregierung gehe es nicht
vorrangig um eine effektive, bürgernahe, kommunalfreundliche
Verwaltung, sondern um Kürzen, Leistungsabbau, Rückzug
des Staates, Zerstückeln von Strukturen und um die
"egoistischen und ehrgeizigen Ziele" von Ministerpräsident
Stoiber, die Statsverschuldung bis 2006 auf Null zu bringen.
Grünen-Fraktionschef Sepp Dürr bemerkte, so wie Huber
vorgegangen sei, sei es kein Wunder, dass für die Menschen in
Bayern "Reform" inzwischen zum "Unwort" geworden sei.
Dem Minister zufolge fallen bei der Verwaltungsreform allein
durch Abbau von Hierarchien mehr als 20 Präsidentenstellen
weg. Bei voller Umsetzung werde zusammen mit der
Arbeitszeitverlängerung für die Beamten ein
Einsparpotenzial von rund 11.000 Stellen oder rund 550 Millionen
Euro pro Jahr erreicht. Bei der Neuorganisation der
Bezirksregierungen bis 2006 werden laut Huber 1.000 Planstellen
abgebaut, etwa 25 Prozent des Personals. Die
Gewerbeaufsichtsämter wurden bereits im Januar den Regierungen
angegliedert. Die bisherigen Ämter für Versorgung und
Familienförderung werden zu einem "Zentrum Bayern Familie und
Soziales" umgewandelt.
Abbau von Planstellen und Behörden
Aus bisher 75 Behörden im Bereich Bau- und
Wasserwirtschaftsämter macht Huber 39, was 1.400 Stellen
weniger bedeutet. Die Vermessungsämter schrumpfen von 79 auf
51. Und die bisherigen fünf Landesämter im
Geschäftsbereich des Umweltministeriums werden auf zwei
komprimiert.
Noch in diesem Jahr soll die Reform der Forst- und
Landwirtschaftsverwaltung über die Bühne gehen. Die
Bewirtschaftung des Staatswaldes übernimmt eine Anstalt des
öffentliches Rechts ("Bayerische Staatsforsten"), mit mehr als
2.800 Mitarbeitern das größte Forstunternehmen
Mitteleuropas, so Huber. Landwirtschafts- und Forstämter
(bisher 79 beziehungsweise 127 Sitze) werden zu 47 Ämtern
für Landwirtschaft und Forsten zusammengelegt. Der
Reformminister geht dabei von 1.200 Planstellen weniger aus.
Zu den Reform-Opfern zählt - was unter Juristen einen
Proteststurm ausgelöst hat - auch das bisher bundesweit
einzigartige Bayerische Oberste Landesgericht. Auf unterer Ebene
müssen die Außenstellen der Amtsgerichte dichtmachen. Bei
der Polizei werden Präsidien und Direktionen zu einer neuen
Führungsebene verschmolzen. Statt 59
Führungsdienststellen wird es künftig nur noch 13
geben.
Weiter kündigte Huber einen Aufgabenabbau an und griff die
Bundesregierung an, die Bürokratie nicht ab-, sondern aufbaue.
Die vom Bundeswirtschaftsminister versprochene Initiative sei im
Sande verlaufen. Die Bilanz von dessen Amtszeit seien "sage und
schreibe 1.000 neue, zusätzliche Gesetze und Verordnungen -
willkommen in Absurdistan". Dagegen seien in Bayern bereits mehr
als 600 Vorschläge zum Aufgabenabbau gesichtet worden, von
denen das Kabinett 119 befürwortet habe.
Huber versprach auch eine konsequente Umsetzung der von der
"Henzler-Kommission" vorgelegten Vorschläge zur Entlastung
insbesondere der Unternehmen. Von 105 Empfehlungen seien 95
aufgegriffen, 75 auf den Weg gebracht und 20 bereits
vollständig umgesetzt worden. Der Staatskanzleichef: "Bayern
soll das Land mit den wenigsten Vorschriften werden." Ein Drittel
der Verwaltungsvorschriften werde ersatzlos gestrichen. "Sehr
rasch" will Huber die Zahl der Landesverordnung von 1.100 auf rund
850 reduzieren. Bereits um zehn Prozent zurückgegangen sei
seit Januar 2003 die Zahl der Landesgesetze.
Die SPD-Abgeordnete Naaß warf der Staatsregierung bei ihrer
Reformpolitik autoritären, selbstherrlichen und
obrigkeitsstaatlichen Stil vor. Der Zentralismus habe sich
weiterentwickelt, "die Ministerien wurden entmachtet und die
Staatskanzlei bestimmte, nicht nur welche Verwaltung, sondern
welchen Staat wir künftig haben werden". Schon jetzt sei die
Funktionsfähigkeit des Staates in vielen Bereichen nicht mehr
gewährleistet und es fehlten Tausende Beschäftigte in der
Finanzverwaltung, bei der Polizei und in den Schulen. Der Freistaat
sei als größter Arbeitgeber der größte
Arbeitsplatzvernichter.
Grünen-Fraktionschef Sepp Dürr hielt Huber vor,
Superminister im großspurigen Ankündigen und im
grundlosen Selbstlob zu sein, weil bisher so gut wie nichts von den
bei Amtsantritt ausgerufenen Reformen umgesetzt worden sei. Bayern
bleibe "ungefährdeter deutscher Bürokratie-Meister". Als
"unrühmlichstes aller unrühmlichen Beispiele" bezeichnete
Dürr die Einführung eines Büchergeldes - "ein
bürokratisches Monster ohnegleichen", das auf die Kommunen
losgelassen werde. Mit dem Vollzug seien 1.450 kommunale
Verwaltungsstellen befasst, insgesamt betrage der Aufwand nach
eigenen Berechnungen der Staatsregierung immerhin 118.900
Stunden.
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