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Kirsten Burckschat
Die Macht über den Müll
Niedersachsen: Entsorungspolitik sorgt für
Unruhe
Die Diskussion über eine weitgehende Liberalisierung der
Abfallwirtschaft hat bei den niedersächsischen Kommunen und
Landkreisen zu neuer Verunsicherung geführt. Das machte jetzt
eine Anhörung im Umweltausschuss des niedersächsischen
Landtags deutlich. "Wir brauchen Planungs- und Investionssicherheit
und endlich eine klare Linie der Regierung bei der kommunalen
Abfallentsorgung", so Axel Ebeler vom niedersächsischen
Städtetag. Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) hatte
seine Ziele erst kürzlich unmissverständlich dargelegt.
Er will die Privatisierung der Abfallwirtschaft Stück für
Stück vorantreiben, auch im Bereich der
Restmüllentsorgung. Mehr Wettbewerb könne für die
Bürger zu Kostensenkungen führen, die Kommunen sollten
sich dagegen stärker auf ihre Kernaufgaben konzentrieren,
sagte er.
Diese Äußerungen haben die Opposition aufgeschreckt.
Mit Unterstützung der SPD fordern die Grünen im Landtag
jetzt in einem Antrag ein klares Bekenntnis des Parlaments zur
kommunalen Daseinsvorsorge. Sie befürchten, dass eine weitere
Privatisierung der kommunalen Abfallentsorgung zu einer
Monopolwirtschaft von Müllmultis wie der Remondis AG
führen werde. Das Unternehmen ist erst seit kurzem nach der
Übernahme der RWE Umwelt zur Nummer eins im bundesweiten
Entsorgungsmarkt aufgestiegen. Unternehmen dieser
Größenordnung, so die Bedenken der Opposition,
kümmerten sich nicht um ökologische Langzeitprobleme bei
der Entsorgung und würden den Markt mit Preisdiktaten kaputt
machen.
Die kommunalen Spitzenverbände in Niedersachsen
bestätigen diese Sorge und befürchten selbst
wirtschaftliche Nachteile. "Wenn jeder Bürger frei über
seinen Anbieter entscheiden kann, bleiben die Kommunen auf der
Strecke", sagte ein Sprecher. Die privaten Entsorger würden
sich lukrative Regionen und Geschäftsbereiche herauspicken.
Landkreise und Kommunen müssten aber wegen ihres
Grundentsorgungsauftrags jede noch so entlegene Tonne im Wald
abholen. Außerdem bliebe an den Kommunen der teure Betrieb von
Deponien hängen. Mehrkosten durch zusätzliche
Kontrollaufgaben bei der Entsorgung könnten dann auch nicht
mehr durch Müllgebühren gedeckt werden, sondern
müssten aus Steuern bezahlt werden.
FDP will liberalisieren
Die CDU-Fraktion ist sich deshalb auch noch nicht einig,
inwieweit sie den Kommunen hier den Rücken stärken oder
die Liberalisierungspolitik des FDP-Umweltministers stützen
soll. Für den umweltpolitischen Sprecher der FDP-Fraktion,
Christian Dürr, hat die Expertenanhörung noch einmal
bestätigt, "dass die privaten Müllentsorger besser
für die Zukunft gerüstet sind als die Kommunen". Die
geladenen Vertreter des Entsorgungsriesen Remondis sehen ihrer
Zukunft gelassen entgegen. Sie setzen auf einen schrittweisen
Einstieg in die Entsorgungswirtschaft und schlagen nun vor,
zunächst im Rahmen der bestehenden Gesetzgebung
Beteiligungsgesellschaften mit den Kommunen einzugehen. Langfristig
sind sie davon "überzeugt, dass eine Privatisierung der
Abfallwirtschaft nicht mehr aufzuhalten ist". Rückenwind
erhalten sie aus Brüssel. Auf europäischer Ebene haben
die Liberalisierungsbefürworter die Mehrheit, und mit Spannung
wird derzeit eine Entscheidung von Parlament und Kommission zur
Zukunft der kommunalen Daseinsvorsorge in Europa erwartet. Schon
deshalb wollen die Fraktionen von SPD und Grünen mit einem
Landtagsbeschluss die Position der Bundesregierung in der EU zum
Schutze der kommunalen Abfallentsorgung stärken.
Umweltminister Sander bekräftigte hingegen auch nach der
Anhörung, dass er sich in allen Gremien, also auch im
Bundesrat, für eine weitere Privatisierung und mehr Wettbewerb
im Entsorgungsmarkt einsetzen werde.
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