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Ines Gollnick
Die Unaufdringliche: Ursula Sowa
Parlamentarisches Profil
Gute Politik soll so sein wie die Architektur von Peter Zumthor
und Alvaro Siza. Ein gewagter Vergleich mit ihren
Lieblingsarchitekten, den die Grüne Ursula Sowa, selbst
Architektin, da anstellt - einer, der zum Nachdenken herausfordert.
Sinnliche Architektur, Konzentration auf das Wesentliche, Reduktion
der Räume, der Elemente, der Materialien, das sind
Beschreibungen für Sizas architektonischen Stil. Er baute
unter anderem die Universitätsbibliothek von Aveiro, ist
berühmt für seine Skizzen, die komplexe Situationen
festhalten und dadurch ihr Verständnis erleichtern. Für
die Politik würde das bedeuten: konzentriert auf das Wichtige,
reduziert auf das Notwendige und am Ende steht so etwas wie ein
Gebäude, etwas Sichtbares und Handfestes. Eine optimale
Vorstellung.
Sowa denkt zur Zeit nicht an Gebäude, jedenfalls nicht an
selbst entworfene, sondern an neue Institutionen für
Nachwuchswissenschaftler aus den Geistes-, Sozial- und
Kulturwissenschafter, so genannte Themen zentrierte,
interdisziplinär arbeitende Forschungskollegs. Es geht ihr um
ein neues strukturelles Förderkonzept für Geistes-,
Sozial- und Kulturwissenschaftler. Der erste von ihr
maßgeblich mit geprägte Antrag dazu hat den Bundestag in
erster Lesung passiert. "Ich bin sehr zufrieden mit dem Ergebnis",
sagt sie im Gespräch mit "Das Parlament". Der Antrag sei nicht
einfach so "durchgerutscht". Von politischen Schnellschüssen
und Schaufensterreden, die gut klingen, hält sie nämlich
gar nichts. Die Forschungskollegs für Geistes-, Sozial- und
Kulturwissenschaften werden jetzt ein Schwerpunkt im
Bildungsausschuss des Bundestages. Im Mai steht das Thema auf der
Tagesordnung einer Anhörung, damit Kosten, Form und
Zeiträume für die Umsetzung diskutiert werden
können. "Experten und Betroffene sollen diesen Antrag
kritisch-konstruktiv in einer Art Bürgerbeteiligung
betrachten", so die Politikerin. Evaluierung bereits im
Entstehungsprozess des Gesetzes, das hört sich nach
vernünftigem Handwerk an.
Wenn es so läuft wie bei diesem Antrag, fühlt sich
Sowa auf dem Weg zu einer gut gestalteten Politik. Etwas
einzufädeln sei das eine, aber dann Rückenstärkung
zu bekommen, sei das Wesentliche. "Ich nenne das tragfähig
werden."
Dass sie für die Bundespolitik ihren Beruf als Architektin
auf Eis legen musste, fiel Ursula Sowa schwer. Den Dreiklang Beruf,
Familie und Politik unter einen Hut zu bringen, war zu ihren
kommunalpolitischen Zeiten in Bamberg kein Problem. Als sie jedoch
2002 in den Bundestag einzog, regelte sie ihr Leben logistisch neu.
Sie funktionierte das Architekturbüro im selbst erbauten Haus
in Bamberg zum Wahlkreisbüro um und pendelt jetzt zwischen den
Welten.
"In mehrere Richtungen denken und handeln, das mache ich schon,
seit ich Kinder habe", erläutert die 47-Jährige. Eine
ganz wichtige Rolle habe ihr Partner. Ohne ihn liefe es nicht.
Schließlich gibt es drei Kinder aus erster Ehe zu versorgen,
14, 16 und 19 Jahre alt. Das Wochenende gehört deshalb der
Familie, politische Termine sind dann zweitrangig.
Mitglied des Bündnisses 90/Die Grünen ist die
gebürtige Würzburgerin seit 2000, für die GAL
saß sie bereits seit 1990 im Stadtrat von Bamberg. Das Mandat
hat sie abgegeben, um sich ganz auf die Bundesebene zu
konzentrieren. Ihre Natürlichkeit fällt auf, wenn man sie
kennen lernt. Das Gestylte ist nicht ihr Ding, eher ein
Selbstbewusstsein, dass sie nicht zur Schau tragen muss. Die
Konzentration auf den Kern einer Sache ist ihr wichtig, Substanz
statt Show. Natürlich schätzt auch sie die Freiheiten,
die das Mandat bringt. "Mir gefällt das Abgeordnetendasein
schon überwiegend. Es ist faszinierend, wie jeden Tag eine
neue Reise anzutreten. Man muss spontan bleiben, immer wieder das
Neue suchen. Die große Kunst ist, selbst den Faden nicht zu
verlieren."
Es passiert ganz viel. Manchmal sei es so, als sei man in
verschiedenen Filmen unterwegs. Gerade war sie mit einer Delegation
des Bildungs- und Forschungsausschusses in Jakarta. Das Bildungs-
und Forschungsministerium hatte Indonesien angeboten, bei der
Einrichtung eines Frühwarnsystems zu helfen. Es gab unter
anderem Begegnungen mit zahlreichen Nichtregierungsorganisationen
und dem entsprechenden Ausschuss im indonesischen Parlament. Der
Spielraum der Politik dort sei ganz anders, ist Sowa aufgefallen.
"Da wird eine ganz zentrale Politik betrieben, was den
Urklimaschutz und die Menschenrechte angeht. Wenn ich es mit
unserem System vergleiche, kann ich schon sagen, dass das sehr
heilsam ist."
Erst seit Januar sitzt die Abgeordnete als Nachfolgerin von
Claudia Roth im Bildungs- und Forschungsausschuss. Zudem arbeitet
sie im Petitions- sowie im Kultur und Medienausschuss.
Stellvertreterfunktionen übernimmt sie im Sport- sowie im Bau-
und Verkehrsausschuss. Dort hat sich die Architektin auf Baukultur
spezialisiert und kann somit auch etwas die Verluste durch die
vorübergehende "Stilllegung" ihres Berufes kompensieren.
Hier gibt es auch Berührungspunkte mit der Arbeit in der
Enquete-Kommission "Kultur in Deutschland". Sowa kümmert sich
beispielsweise um die Weltkulturerbestätten. Die
Parlamentarierin stellt sich einen nationalen Aktionsplan für
Kultur vor, ähnlich dem für Friedens- und
Konfliktforschung. Deutschland brauche ihn, findet sie. Ein
Aktionsplan sei eine große Chance, um auch Bundesländer
auf freiwilliger Basis mit einzubinden. Ein solcher Plan gebe Ziele
vor, die dann alle im Blick hätten, jeder eben aus seinem
Blickwinkel. "Für die Kultur haben wir so etwas überhaupt
nicht." Sowa fände es außerordentlich spannend, wenn
Vergleiche zwischen den Bundesländern durch einen gemeinsamen
Aktionsplan möglich würden. Doch sie bleibt realistisch.
Um einen solchen Plan einzufädeln, brauche es viele
Gespräche. Die Idee sei nun in der Welt, aber ob sie den
Koalitionspartner überzeugen könne, weiß sie nicht.
Ihr ist vor allem wichtig, Kultur stärker in die Gesellschaft
zu integrieren, vor allem als sozialen Träger: "Kultur bildet
und eine gebildete Gesellschaft ist das größte Potenzial,
über das Deutschland verfügt."
Dass sie sich auch mit den Weltkulturerbestätten befasst,
ist gut für Bamberg. Da berühren sich Wahlkreisarbeit und
Enquete-Kommission. Sowa versteht sich nicht nur als Abgeordnete
für Ober-, Mittelfranken und Oberpfalz, sondern hat alle
Weltkulturerbestätten im Blick. In der Enquete will sie eine
Stiftung anregen, die flexibel auf die Bedürfnisse der
Weltkulturerbestätten reagieren kann und systematisch
arbeitet. Es gebe auch zurzeit Geld für die bewahrenswerten
Orte und Gebäude, aber eben verteilt auf sechs
Ministerien.
Die Enquete hat natürlich das ehrgeizige Ziel, bis zum Ende
der Legislaturperiode möglichst viele Handlungsempfehlungen in
Gesetze einmünden zu lassen. Doch Sowa bremst zu hohe
Erwartungen. Möglich, betont sie, wäre die Verankerung
von Kultur als Staatsziel im Grundgesetz und realistisch die zweite
Reform des Stiftungsrechts. Aktuell stehen Verbesserungen der
Künstlersozialkasse (KSK) an, um ihren Erhalt zu sichern.
Außerdem hat die Hartz IV-Gesetzgebung insbesondere für
Filmschaffende Handlungsbedarf ausgelöst. Mit einer
Anhörung soll jetzt zeitnah reagiert werden, damit
Änderungen im laufenden Verfahren einfließen
können.
Ihre Neugierde, ihr Optimismus, hält sie bei der Stange.
"Mit einer Beamtenmentalität kommt man hier nicht weit", sagt
sie. Eigentlich glaubte sie, als Architektin und Mutter schon einen
breiten Erfahrungshorizont zu besitzen. Doch die Bundespolitik hat
ihr viele neue Horizonte eröffnet. Was ihr wirklich fehlt, sei
Zeit zum Lesen. Richtig ins Schwärmen gerät Sowa, wenn
sie von ihrem Lieblingsdichter Adalbert Stifter erzählt. Sie
hat sich eine sehr schöne Ausgabe aus einem
österreichischen Verlag gekauft, illustriert, in
Großbuchstaben. Stifter in kleinen Portionen - dafür
reicht die Zeit immer.
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