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Eva Grundl
Die Veränderung der Sicht auf die Welt
Kostbarkeiten der Buchmalerei aus dem
Spätmitteltalter im Konstanzer Rosgartenmuseum
Es war im Jahre 1513, als der Maler Ulrich Taler aus beruflichen
Gründen von Augsburg nach Konstanz am Bodensee
übersiedelte. Dort angekommen, nahm er bei Hans Widmer, einem
der vielen ortsansässigen Schreibmeister Quartier und
unterrichtete gleich noch dessen Tochter in seiner Kunst. "Male mir
die Miniaturen für die Bände II und IV meines Messbuches
und zwar so prächtig und gut als Du es nur vermagst", lautete
der Auftrag des Hugo von Hohenlandenberg (um 1460 bis 1532), dem
letzten Bischof in Konstanz vor der einsetzenden Reformation. Ins
Boot geholt hatte dieser neben dem Schwaben auch noch Hans
Springinklee den Älteren aus Nürnberg, der dem Umfeld
Albrecht Dürers zugerechnet werden kann und die Bände I
und III ausgestalten sollte. Die Gründe für die
bischöfliche Auftragsvergabe ausgerechnet an auswärtige
Handwerker liegen zwar im Dunkeln, jedenfalls aber kann das
vierteilige Missale zur Zeit im Rosgartenmuseum in Konstanz
bestaunt werden. Dort zählt es zu den "Highlights" einer
hochkarätigen Schau von internationaler Bedeutung: Bis zum 17.
April werden in einem der ältesten Museen
Baden-Württembergs rund 40 illustrierte Handschriften aus der
Zeit zwischen dem Konstanzer Konzil (1414 bis 1418) bis zur
Reformation gezeigt, die entweder in der früheren Bischofs-
und Reichsstadt angefertigt wurden oder einen unmittelbaren Bezug
zu diesem Zentrum der Buchmalerei des 15. und 16. Jahrhunderts
haben. Die Exponate sind aus 18 bedeutenden Bibliotheken Europas
zwischen Stockholm und Prag, Karlsruhe und Wien an den Bodensee
gekommen.
Egal, ob religiös-liturgische Bücher, ob
Fabelbücher oder der spätmittelalterliche "Megaseller",
das Wappenbuch des in Konstanz ansässigen Ritters Konrad von
Grünenberg: Alle Arbeiten legen Zeugnis ab von der
Kunstfähigkeit jener Zeit. Lernen kann man aber nicht nur,
dass eine weltweite Vernetzung noch vor der Erfindung des Begriffes
der "Globalisierung" bestanden hat. Vielmehr spiegelt sich in den
Handschriften auch der kultur- und geistesgeschichtliche Wandel
jener bewegten Epoche mit ihren mannigfaltigen Umbrüchen. Mit
Nürnberg als einem der Zentren hatte im Umkreis Albrecht
Dürers eine Veränderung der Sicht auf die Welt
stattgefunden, in deren Folge die Aufmerksamkeit weniger auf ein
Heil und Erfüllung bringendes Jenseits, denn auf eine konkrete
Naturbeobachtung im Diesseits gerichtet wurde.
Dazu kam, dass durch die steigende Alphabetisierung und die
Verbreitung der Brille immer mehr Menschen immer länger lesen
konnten und sich die Ansprüche und Bedürfnisse der
LeserInnenschaft änderten: Es entwickelten sich die Gattungen
der Gebrauchs- und Unterhaltungsliteratur, die weniger stringent
religiös, dennoch aber nach wie vor moralisierend
geprägt, zu den neuen "Lesestoffen" zählten. Nicht
vergessen werden darf auch, dass seit dem Ende des 14. Jahrhunderts
in Deutschland Papier hergestellt wurde und somit preiswertes
Material zur Herstellung von Büchern zur Verfügung
stand.
Eine der ganz großen Sensationen der Ausstellung in
Konstanz ist die Möglichkeit, sämtliche sieben, sich in
Europa befindlichen Exemplare der weltberühmten
"Richental-Chronik" miteinander vergleichen zu können.
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