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Ines Gollnick
Medienkritik als Nischendasein
Wie Zeitungen das TV beobachten
Ein Leben ohne Fernsehen ist für die meisten Deutschen
nicht vorstellbar. Etwa dreieinhalb Stunden täglich schaute
2004 der Bundesbürger im Durchschnitt in die Flimmerkiste.
Trotzdem fristet die Medienkritik in den Zeitungen ein
Nischendasein. Manche kapitulieren ganz. "Die Zeit" zum Beispiel
gab das Ressort "Medien" Anfang 2004 auf. Dabei kann es sich die
Medien-Gesellschaft eigentlich nicht leisten, die Zuschauer mit
dieser Bilderflut allein zu lassen. Allein 32 Kabelprogramme und
unzählige digitale Satellitenprogramme senden 24 Stunden
täglich. Dennoch gibt es sie: die Orientierung über die
Medien in Qualitätszeitungen wie der "Süddeutschen
Zeitung" (SZ) und der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ), auch
in der "Frankfurter Rundschau" im Feuilleton mit dem Schwerpunkt
Programmbeobachtung, in der "Welt", im Berliner "Tagesspiegel".
Allerdings konzentriert sich viel Gedrucktes lediglich auf die
Programmvorschau, die nur einen Teil der Medienkritik ausmacht. In
Programmzeitschriften, die die Kioske überfluten oder in
"Bild", die täglich Millionen Leser und Leserinnen erreichen,
fehlen weitgehend das Hintergründige und die Analyse.
Stattdessen gehen diese Medien ein symbiotisches Verhältnis
mit dem Fernsehen ein, wollen diese Publikationen Teilhaber der
Show sein, pushen das Programm mit fragwürdigen
Positivkommentaren oder begleiten die Show mit einem Fotoroman
über Daniel (Kübelböck), um Profiteur von der Show
als sozialem Ereignis zu sein.
Für Zeitungen und Zeitschriften in Deutschland ist das
Fernsehen ein wichtiges Thema. Allerdings gelinge es Printmedien
nur in Grenzen, für eine kritische Einsicht in
Zusammenhänge und Wirkungsweisen des Mediums Fernsehen zu
sorgen, so ein Ergebnis der Studie "Kritik der Medienkritik", die
die Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM) in
Auftrag gegeben hat und jetzt in Köln vorstellte.
Durchgeführt wurde die Studie vom Hans-Bredow-Institut
(Hamburg) gemeinsam mit Wissenschaftlern der Universität
Hamburg und des Instituts für Publizistikwissenschaft und
Medienforschung der Universität Zürich. Um die Ergebnisse
zu diskutieren, holten die LfM und die Bundeszentrale für
politische Bildung Wissenschaftler und die Macher von Medienseiten
auf ein Podium.
Für die Studie "Kritik der Medienkritik" sind anhand einer
repräsentativen Stichprobe alle Artikel in überregionalen
Tages- und Wochenzeitungen, in "Bild" und Programmzeitschriften
ausgewertet worden, die sich mit dem Fernsehen befassen.
Darüber hinaus ist die Berichterstattung zu wichtigen
Einzelthemen, unter anderem "Deutschland sucht den Superstar", die
TV-Duelle und die Berichterstattung über den Irak-Krieg
ausgewertet worden. Professor Ralph Weiß fällt ein
unmissverständliches Urteil: "Die Strukturen der
publizistischen Medienkritik sind fragil. Die kritische,
reflektierende und hintergründige Berichterstattung über
Medien ist in der aktuellen Tages- und Wochenpresse bislang nicht
dauerhaft installiert. Innerhalb der redaktionellen und beruflichen
Strukturen prägt sie sich unterschiedlich aus. Publizistische
Medienkritik stellt sich so als Konglomerat und Nischenprodukt auf
dem Prüfstand dar." Doch wer eine unabhängige
Medienkritik suche, finde sie trotz Ressourcenproblemen auf den
Medienseiten wie denen von SZ und FAZ. Auch das förderte die
Studie zutage.
Uwe Kamann, seit 27 Jahren bei epd-medien und Kenner des
Kritikergeschäfts, ist vor allem aufgefallen, dass mit den
privaten Sendern medienökonomische Themen stark zugenommen
haben. Medienethische Fragen hätte es immer gegeben, aber
natürlich würden sie in der Spaßgesellschaft anders
gewertet. Mehr medienrechtliche Themen, eine differenziertere
Berichterstattung und eine Professionalisierung der Kritik sind
Ergebnisse seiner Beobachtung aus fast drei Jahrzehnten. Der
Stellenwert innerhalb der Medienkritik sei nicht entsprechend der
Bedeutung des Fernsehens in der Gesellschaft gestiegen.
"Wir sind nicht der Oberlehrer"
Michael Hanfeld, Ressortleiter Medien bei der FAZ, kritisierte
die Sicht aus dem wissenschaftlichen Elfenbeinturm, weil sie die
aktuellen Produktionsbedingungen zu stark außer acht lasse.
Früher hätten drei Re-dakteure für das Ressort
geschrieben, heute hält Hanfeld allein die Stellung und kann
jeden aus der Redaktion für Themen anwerben. "Wir wollen News
produzieren, mischen in der Medienpolitik mit, alles auf der Seite
ist Hand gemacht." Der Copytest Ende 2004 habe belegt, dass Leser
den Medienteil als einen der wichtigsten im Feuilleton einstuften.
Zum Selbstverständnis des Medienkritikers sagte er: "Wir sind
nicht die Oberlehrer. Das Letzte, was wir wollen, ist der
ausgefahrene Zeigefinger."
Hans-Jürgen Jacobs, Ressortleiter Medien bei der
Süddeutschen, befindet sich personell noch im Schlaraffenland.
Mit vier Vollzeitstellen, zwei Pauschalisten und freien
Mitarbeitern wird produziert. "Medienjournalismus ist nur im Team
gut zu machen, weil Politik, Kultur, Gesellschaft und Wirtschaft
zusammen spielen", so seine Haltung. An die eigene Nase fassen
müssten sich die Macher, wenn es um die Themenpalette gehe.
Die Redaktionen ließen sich die Themen noch zu stark von
Pressestellen vorgeben.
Zwölf Seiten Medien pro Woche bietet "Der Tagesspiegel" in
Berlin. Ressortleiter Joachim Huber formuliert seine Philosophie
gelassen: "Gestern haben Menschen Radio gehört, fern gesehen
und Zeitung gelesen. Daraus entstehen Interessen, die wir bedienen
wollen. Wir fragen bei jedem Thema nach der Quote. Es geht uns
besser, als die Wissenschaft glaubt."
Er berichtete von Anrufern in der Redaktion, die Empörung
teilen wollen: "Haben Sie das auch gesehen. War das nicht
unerhört?" Schöne neue Medienwelt. Bei so viel Programm
sind Transparenz und öffentliches Nachdenken mehr denn je
gefragt. Zwar erreichen Qualitätszeitungen die breite Masse
nicht, aber die Kritik hält zumindest Maßstäbe
für seriösen Journalismus in Umlauf.
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