|
|
Grisha Alroi-Arloser
Checkpoint, Aladdin, Magic Software und
andere
Die aktuellen Handelsbeziehungen zwischen
Deutschland und Israel
Was haben Audi, Mercedes, BMW, Volkswagen, Ford,
Bosch, Siemens, BASF, Airbus und EADS gemeinsam? Sie alle nutzen
Software des israelischen Unternehmens Tecnomatix, dem
Weltmarktführer für Tools zur Optimierung von
industriellen Produktionsabläufen Und es ist nicht das einzige
israelische Unternehmen, das hierzulande erfolgreich ist. Im
Gegenteil.
Israelisches Know-how ist in Deutschland auf
dem Vormarsch. VW nutzt für die Entwicklung neuer Modelle am
virtuellen Reisbrett digitale Simulationstechnologie des
israelischen Unternehmens ORAD. Die Firma ist auch für die
Gestaltung digitaler Studiowelten bei fast allen deutschen
Fernsehsendern zuständig und peppt weltweit Sportsendungen
auf. Vodafone und T-mobile nutzen israelische CRM- und
Abrechnungstechnologien, und deutsche Autobauer setzen auf
israelische Zulieferer von Magnesiumbauteilen. Jüngstes
Beispiel: BMW bezieht Teile des Lenksystems der 1er- und neuen
3er-Serie aus Israel.
Auch der Waren- und Know-how-Verkehr in die
andere Richtung floriert. So werden etwa 40 Prozent des Stroms, der
aus israelischen Steckdosen kommt, in Kraftwerken produziert, an
deren Bau Siemens beteiligt war. Mit 390 Millionen US-Dollar (USD)
lag 2004 die Lieferung deutscher Fahrzeuge nach Israel zwar noch
unter der des Rekordjahrs 2001, aber immer mehr Israelis
würden ein deutsches Auto kaufen, wenn sie könnten.
Prominentester Interessent ist Israels Premier Sharon: er brach ein
Jahrzehnte altes Tabu und schaffte Mitte März 2005 zwei
gepanzerte Mercedes-Limousinen für den wichtigsten Mann im
Staat und seine Gäste an. Sicher ist sicher. Der
legendäre Mossad hingegen setzt auf gepanzerte BMW. SAP hat in
den vergangenen drei Jahren sein Entwicklungsteam in Israel von 50
auf 500 Mitarbeiter aufgestockt. Das Unternehmen integriert
israelische Technologien in sämtliche seiner weltweit
vermarkteten Produkte. VW ist mit der Errichtung eines
Magnesiumwerks am Toten Meer mit 250 Millionen Euro
größter europäischer Investor in Israel. Kurzum, es
ist Musik in den deutsch-israelischen
Wirtschaftsbeziehungen.
Dabei hatten sie sehr bescheiden begonnen.
1960, fünf Jahre vor Aufnahme der diplomatischen Beziehungen,
lag das Handelsvolumen bei weniger als 100 Millionen USD. 2004
erreichte es erstaunliche 4,46 Milliarden, eine kontinuierliche
Steigerung um jährlich neun Prozent über 45 Jahre. Seit
2003 ist Israel Deutschlands zweitgrößter Handelspartner
im gesamten Nahen und Mittleren Osten, noch vor Iran und
Ägypten und nur knapp hinter Saudi-Arabien. Gemessen an der
Bevölkerungszahl von 6,8 Millionen liegt es als Handelspartner
sogar noch vor den USA und Japan. Israel exportiert für 1,3
Milliarden USD in die Bundesrepublik und importiert im Gegenwert
von über 3,1 Milliarden Deutschland ist seit Jahren Israels
zweitwichtigster Handelspartner nach den USA.
Machten in den 60er-Jahren
landwirtschaftliche Produkte fast 90 Prozent der israelischen
Exporte nach Deutschland aus, waren es 2004 mit 111 Millionen USD
weniger als zehn Prozent. Mittlerweile besteht der Großteil
israelischer Ausfuhren nach Deutschland aus
Hochtechnologieprodukten der Sparten Maschinen, Elektronik, Optik,
Mess- und Medizintechnik. Chemische Produkte, Kunststoffe und
Textilien schlagen mit insgesamt 400 Millionen USD zu Buche. Die
Gesamtexporte nach Deutschland nahmen 2004 im Vergleich zu 2003 um
20,8 Prozent zu.
Die israelischen Importe aus Deutschland
bestanden zu 35 Prozent aus Maschinen und elektrischen
Geräten, 17 Prozent chemischen Erzeugnissen, zwölf
Prozent Transportmitteln, neun Prozent Optik, Mess- und
Medizintechnik, sechs Prozent Kunststofferzeugnissen und drei
Prozent Agrarprodukten. Die Importe aus Deutschland zogen 2004 um
13,6 Prozent an.
Was israelische Beobachter der bilateralen
Wirtschaftsbeziehungen nach wie vor beklagen, ist das große
Außenhandelsdefizit zu Israels Ungunsten. Traditionell standen
Import und Export in einem Verhältnis von zwei zu eins, doch
im Jahre 2000, dem besten Jahr für die Wirtschaft des Landes
seit Staatsgründung, schien sich die Schere endlich zu
schließen. Der Ausbruch der Intifada, in Verbindung mit der
globalen Flaute im Hightechgeschäft, setzte der israelischen
Exportwirtschaft jedoch sehr zu und beendete die Hoffnung auf eine
ausgeglichenere Handelsbilanz mit Deutschland: nur 30 Prozent des
Gesamtvolumens entspringen 2004 israelischen Exporten, 70 Prozent
Importen aus Deutschland.
Mittelfristig kann mit einer Verbesserung
gerechnet werden. Israels Wirtschaftswachstum erreichte 2004 satte
4,2 Prozent, die Exporte legten um zehn Prozent zu, und die
Hightechbranche, seit Anfang der 90er-Jahre Israels Wachstumsmotor,
ist weltweit im Aufwind. Bei einer positiven Entwicklung im
politischen Prozess kann man also von einem stärkeren Anstieg
des Exports als des Imports ausgehen. Träger einer solchen
Entwicklung werden die Informations- und Kommunikationsbranchen
sein, aber auch die Biotechnologie, Pharmazeutik, neue Materialien
für die Oberflächenbehandlung herkömmlicher Stoffe
und die Medizintechnik.
Einen nicht unwesentlichen Anteil an den
deutsch-israelischen Wirtschaftsbeziehungen hatte traditionell der
Tourismus. In guten Jahren machten deutsche Besucher zehn Prozent
aller Touristen aus, im Jahr des Papstbesuchs 2000 waren es
über 200.000. Die allgemeine Reiseangst nach dem 11. September
2001 führte zu dramatischen Einbrüchen im Fremdenverkehr
nach Israel. Zwar legten die Besucherzahlen 2003 leicht und im
Folgejahr sogar kräftig zu, aber die Zahl deutscher Touristen
macht nur noch knapp fünf Prozent aller Israelreisenden aus.
Mit 77.000 Besuchern wurde 2004 nur eine Zahl, wie in den
70er-Jahren erreicht. Allerdings melden Vertreter der Branche
für 2005 einen Anstieg der deutschen
Besucherzahlen.
Mit der Osterweiterung der EU wird
Deutschland noch mehr zum Zentrum Europas und rückt weiter ins
Blickfeld israelischer Unternehmen. Die Gemeinschaft war schon vor
dem Mai 2004 bedeutendster Handelspartner Israels und wird nach der
Erweiterung seinen Vorsprung weiter ausbauen. Dementsprechend
suchen israelische Unternehmer nach dem richtigen Standort für
die Versorgung dieses Marktes. Wenn es um Logistik-Backbones geht,
um Vertriebs- und Marketingpartner, fällt die Entscheidung
immer häufiger zugunsten Deutschlands. Die größte
europäische Volkswirtschaft ist an sich ein lohnender
Zielmarkt, die geografische Lage macht sie aber als Standbein
für europaweite Aktivitäten noch attraktiver. Über
40 israelische Firmen haben sich bislang in Deutschland
niedergelassen, darunter über 20 Hightechunternehmen wie
Checkpoint, Aladdin, Magic Software, Technomatix, Orbotech,
Babylon, Iscar, Orad und andere.
Der Umfang israelischer Investitionen in
Deutschland hat den deutscher Investitionen in Israel seit langem
überholt. Die Betreibergesellschaft des Rostocker Hafens ist
israelisch. Die sächsische Freiberger Compound Materials GmbH
- einer der führenden Hersteller von halbisolierenden und
halbleitenden Galliumarsenid-Substraten für die
Halbleiterproduktion - befindet sich seit 1995 mehrheitlich im
Besitz der israelischen Federman-Gruppe, die dort mittlerweile
Investitionen von über 100 Millionen Euro tätigte.
Wachsendes Interesse finden auch gewerbliche Immobilien und Hotels
in Deutschland, was allein 2004 zu Investitionen im knapp
dreistelligen Millionenbereich führte. Deutsche Investoren
konzentrieren sich eher auf strategische Beteiligungen im
Hightechbereich, wie die jüngste Akquisition eines
Startup-Unternehmens durch SAP, die dritte in vier Jahren,
zeigt.
Auch Siemens engagiert sich stark in Israel.
Über die 1995 gegründete Tochtergesellschaft
"Siemens-Israel" hält der deutsche Technologiekonzern
Beteiligungen an derzeit etwa 55 israelischen Unternehmen. Die
Summe der getätigten Investitionen beläuft sich dabei auf
über 250 Millionen Euro. Die Deutsche Telekom investierte mehr
als 10 Millionen Dollar in den israelischen Wagniskapitalfonds
Magnum Communcations. Sie hält auch Beteiligungen an den
innovativen Telekommunikationsfirmen Barak ITC und Vocaltec
Communications. DaimlerChrysler beteiligt sich über einen
Wagniskapitalfonds an Firmenneugründungen in den Bereichen
Elektronik, Transporttechnologie, Kommunikations- und
Informationstechnologie. RWE hält über seine Tochter
Starkstrom 25 Prozent der Anteile an Ardan Industries und Henkel
besitzt 50 Prozent des israelischen Chemiekonzerns Sod. Die Bayer
AG investierte 1999 circa acht Millionen DM in zwei israelische
Venture Capital Firmen, die auf Start-ups aus den Bereichen
Biotechnologie, Chemie, Software und Verfahrenstechnik
spezialisiert sind.
In den 90-er Jahren war die Hoffnung auf
Frieden die treibende Kraft des israelischen Wirtschaftswachstums.
Die vergangenen vier Jahre zeigten aber, wie rasch diese Hoffnung
in Pessimismus umschlagen kann und wie sehr sich mangelnde
Stabilität auf die Wirtschaft auswirkt. Erst wenn es zu einem
stabilen und dauerhaften Einvernehmen mit den Palästinensern
gekommen ist und die arabische Feindseligkeit gegenüber Israel
einer Kooperationsbereitschaft weicht, werden die Staaten und
Völker der Region ihr wahres Wirtschaftspotenzial entfalten
können.
Aus der Einsicht in die unbedingte
Notwendigkeit einer solchen Entwicklung auch für Deutschland
und Europa müssen jetzt verstärkte Anstrengungen
unternommen werden, deutschen Konzernen und kleinen wie mittleren
Unternehmen die in den vergangenen vier Jahren entstandenen
Berührungsängste zu nehmen.
Sie müssen auf die technologischen und
geschäftlichen Potenziale einer Kooperation mit den Israelis
und die Vorteile eines umsichtigen Engagements in der Region
aufmerksam gemacht werden. Gleichzeitig sollte Israels Firmen der
Zugang zu strategischen Partnerschaften in Deutschland geebnet
werden.
Die Ausgangsposition der israelischen
Wirtschaft im 40. Jahr der Aufnahme diplomatischer Beziehungen ist
sehr günstig. Von einem landwirtschaftlich geprägten
Entwicklungsland mit stark interventionistischer Wirtschaftspolitik
wurde der jüdische Staat zu einer wissensbasierten
Industrienation westlicher Prägung, der knapp sechs Jahrzehnte
nach seiner Gründung zu den führenden Zentren
hochtechnologischer Entwicklungen gehört. Seine
Wirtschaftsleistung hat ihn unter die 25 reichsten Staaten der Welt
gebracht, und er ist integraler Teil der globalisierten
Weltwirtschaft.
Deutschland war stets ein wichtiger Partner
dieser Entwicklung, hatte einen starken Anteil an der
wirtschaftlichen Stabilisierung des jungen Staates und gehört
zu den Gewinnern des Engagements in Israel.
Grisha Alroi-Arloser ist
Bundesgeschäftsführer der Deutsch-Israelischen
Wirtschaftsvereinigung e.V. (DIW).
Zurück zur Übersicht
|