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Christian Ludwig
Diplomatie auf der persönlichen Ebene
Städtepartnerschaften zwischen Deutschland
und Israel
Städtepartnerschaft - was für ein großes Wort. Da
werden Städte verbunden, Steine und Beton. Aber soll das alles
sein? Was steht hinter der technokratischen Umschreibung, und wie
lebt so eine Partnerschaft? Es geht um die Menschen. Sie sind es,
die sich kennenlernen, sich treffen. Die Menschen in Haifa, der
größten Hafenstadt Israels, und Bremen, dem kleinsten
Bundesland Deutschlands, begegnen sich seit vielen Jahren. Im
Frühjahr 2005 ist es wieder soweit. 40 Bremerinnen und Bremer
werden auf einer Bürgerfahrt nach Haifa einen intensiven
Einblick in Kultur, Geschichte, Politik und Leben in Israel
erhalten. Im letzten Jahr hatte der Oberbürgermeister von
Haifa, Yona Yahav, seine ausdrückliche Einladung an die Bremer
ausgesprochen.
Hermann Kuhn von der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG)
Bremen hat das umfangreiche Programm zusammengestellt und freut
sich über das Interesse an dem Land. "Vor zwei Jahren sind wir
noch gescheitert." Jetzt ist die Neugier so groß, dass er
schon fast die nächste Fahrt planen kann. Früher hat das
Auswärtige Amt vor Fahrten nach Israel gewarnt.
Die Kontakte zwischen Bremen und Haifa haben eine lange
Geschichte. Bereits 1978 ist die "Stiftung Kulturfonds Haifa"
gegründet worden. Zweck der Gründung war die
Förderung junger israelischer Künstler. Finanziell
getragen wird die Stiftung von der israelischen Regierung, der
Stadt Haifa und der Freien Hansestadt Bremen. 1988 wurde die
Städtepartnerschaft zwischen Bremen und Haifa offiziell
begründet.
Der damalige Bürgermeister Hans Koschnick hatte die
Hafenstadt Haifa als Partnerstadt nicht zufällig gewählt.
Sie habe die Besonderheit, dass "die verschiedenen religiösen
Bevölkerungsgruppen in sehr guter Nachbarschaft leben",
schwärmt Andrea Frohmader, Referentin für Internationale
Beziehungen im Bremer Rathaus. Beeindruckend sei das "Fest der
Feste". Es kombiniert die Feiertage Chanukka für die Juden,
Ramadan für die Moslems und Weihnachten für die Christen.
Lebhaft geht es zu in der "Deutschen Kolonie", im Herzen des
arabischen Viertels der Stadt. Deutsche Templer hatten die Kolonie
vor mehr als 130 Jahren gegründet, vor wenigen Jahren wurde
sie auch mit Bremer Geldern renoviert.
Die Partnerschaft lebt vom Zusammentreffen der Menschen. Sie
sind es, die der Beziehung einen Sinn geben. Die Senatskanzlei im
Rathaus Bremen sieht sich deshalb lediglich als Koordinator und
Antreiber. Es geht um Kultur, Begegnung, Austausch und
Verständnis für das jeweils andere Land. Es geht aber
auch um den Versuch, zum friedlichen Zusammenleben zwischen
Arabern, Juden und Palästinensern beizutragen. Die
Internationale Friedensschule Bremen, Givat Haviva in Israel und
die "Jerusalem Times" beispielsweise haben das so genannte "Bremer
Nahost Portal" ins Leben gerufen. Per Mail oder in Internetforen
können dort arabische, israelische und deutsche Jugendliche,
die sich aufgrund der Konflikte im Nahen Osten kaum begegnen,
miteinander in Kontakt treten. Das Projekt ist getragen von der
Überzeugung, dass nur der persönliche Austausch
Verständnis und die Bereitschaft und Fähigkeit, sich in
die Einstellung anderer Menschen einzufühlen, erzeugt.
Persönliche Kontakte fördert auch eine Initiative, die
auf Stadtteilebene gepflegt wird. Das Bürgerhaus Hemelingen
organisiert seit 1992 einen Austausch zwischen Bremen und Tamra.
Tamra ist eine rein arabische Gemeinde mit 24.000 Einwohnern und
liegt etwa 30 Minuten von Haifa entfernt. Wenn offizielle Bremer
Delegationen in Haifa sind, besuchen sie stets auch Tamra. Die
Reisegruppen wohnen privat und empfangen im Folgejahr ihre
Gastgeber. Dadurch können sich intensive persönliche
Beziehungen aufbauen, die in vielen Fällen über Jahre
Bestand haben. Walter Hayer ist Rentner, war Tischler und hat 1998
an einem Austausch teilgenommen. "Da wurde ich richtig behütet
aufgenommen." Mit der Familie aus Tamra ist er seitdem eng
befreundet. Sogar zu arabischen Hochzeiten wird er eingeladen. Er
ist aber auch immer wieder erschüttert von den
Verhältnissen in dem Land, "was da für eine Wirklichkeit
herrscht, das kann man sich gar nicht vorstellen". Ihm geht es um
das "politische Gleichgewicht in der öffentlichen Wahrnehmung,
die Benachteiligung der Palästinenser". Er will mit dem
Programm aber auch gegen Fremdenfeindlichkeit in Bremen
kämpfen.
Auf Eigeninitiative beruht auch die Zusammenarbeit zwischen
Henriette Cejpek vom Bremer Theater und Meirav Kupperberg vom
Akko-Theater. Das Akko-Theater ist berühmt dafür,
Brücken zwischen der arabischen und der jüdischen Kultur
zu schlagen. Im "Projekt-Babel" arbeiten sie seit zwei Jahren
zusammen. Es thematisiert den Neubeginn einer Gesellschaft.
Zwölf Schauspielerinnen und Schauspieler aus verschiedenen
Ländern entwickeln das Projekt. In Bremen soll das Stück
dieses Jahr fertiggestellt und uraufgeführt werden. Aus der
Zusammenarbeit wurde die deutsch-hebräische szenische Lesung
"Unter Wasser" von Margret Kreidl geboren. Unter der Dramaturgie
von Christine Richter-Nilsson wurde es im Rahmen der Haifa-Tage,
einer Veranstaltungsreihe Ende 2004, in Bremen uraufgeführt.
Das Stück handelt von Erinnerung und Sprache und führt
eindrucksvoll vor Augen, dass Sprache sowohl verbinden als auch
trennen kann.
Womit wir wieder bei der Bürgerreise wären. Die
Erwartungen der Teilnehmer sind breit gefächert.
Sie wollen fragen, ob es jemals Frieden geben wird oder "sich
das alles soweit verhärtet hat, dass eine Koexistenz der
verschiedenen Gruppen nicht mehr möglich ist", wie der
ehemalige Journalist Christian Siegel meint. Andere interessieren
sich für die strukturellen Änderungen in der
Gesellschaft, seitdem die Einwanderer verstärkt aus Russland
nach Israel kommen, oder für Jerusalem, "die Stadt, die man
gesehen haben muss". Kerstin Meier hat persönliche Gründe
für die Fahrt. "Wir haben Freunde in Haifa. Ehemalige
Zwangsarbeiterinnen. Die will ich besuchen." Diplomatie auf ganz
persönlicher Ebene.
Christian Ludwig ist freier Autor in Bremen.
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