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Karl-Otto Sattler
Neuer Politikstil am Neckar
Baden-Württemberg: Oettinger zum
Ministerpräsidenten gewählt
Politisch dürfte sich am Neckar wenig
ändern, doch wird in der Villa Reitzenstein mit dem urbanen
Managertyp Günther Oettinger ein neuer Stil im konservativen
"Ländle" einkehren. Auffallend häufig macht der neue
Regent den Grünen Avancen. Anders als Erwin Teufel will
Oettinger, gerade erst im Amt, auch in Berlin kräftig
mitmischen.
Der König ist tot, es lebe der
König. Das klingt einfach, ist es aber nicht. Derart
schmerzhaft hat sich Günther Oettinger, immerhin seit Dezember
nach seinem Sieg über Annette Schavan beim unionsinternen
Mitgliedervotum als neuer Ministerpräsident designiert, seine
Thronbesteigung wohl nicht vorgestellt. Sozusagen bis zur letzten
Minute seiner Amtszeit ließ Erwin Teufel den ungeliebten
Nachfolger demonstrativ Zorn und Bitterkeit wegen seines durch
Oettingers Lager erzwungenen Abgangs spüren. Die 1.200
Gäste des zur Verabschiedung Teufels inszenierten Festakts
waren perplex, als der 65-Jährige noch einmal eine
Frontalattacke gegen den neuen Herrn der Villa Reitzenstein ritt:
Er nehme seinen Rücktritt "nicht an von denen, die ihn
angestoßen haben, denn sie sind mir bis heute jede
Begründung schuldig geblieben", schleuderte Teufel in den
Saal.
So lastet zum Start der neuen Regentschaft
das Image des Königsmörders auf Oettinger, und diesen Ruf
muss der 51-Jährige erst einmal abschütteln. Am besten
ungerührt zur Tagesordnung übergehen, business as usual:
Der Manager-Typ dürfte versuchen, cool aus dem Schatten der
Vergangenheit zu treten und rasch eigene Duftnoten zu setzen. Seine
Signale, anders als der bodenständige Teufel zügig auch
auf der Berliner Bühne mitmischen zu wollen, markieren bereits
eine Wende: Wer bundespolitisch und in den Medien auftritt,
lässt heimisches Kleinklein schnell hinter sich.
In erster Linie werden sich Schwaben und
Badener mit einem anderen Politikstil anfreunden müssen.
Teufels solide Behäbigkeit wird einer quirligen
Geschäftigkeit weichen, nicht umsonst zählt der Neue das
einstige "Cleverle" Lothar Späth zu seinen Vorbildern und
Freunden. Oettinger werde "sich eher am Stil von Lothar Späth
orientieren", prognostiziert die Hohenheimer
Kommunikationswissenschaftlerin Barbara Pfetsch. Und dazu
gehöre eine verstärkte mediale Präsenz. Teufel zog
es nur widerwillig in Talkshows, Oettinger wird bei einem Anruf
Christiansens oder Maischbergers nicht "Nein" sagen.
Der verheiratete Protestant und Vater eines
Sohnes, der gern Rockkonzerte besucht und bei Festen schon mal bis
zum Schluss bleibt, passt vom eher urbanen Habitus her nicht
unbedingt zu der katholisch-konservativ geprägten
Südwest-CDU, deren Inkarnation geradezu idealtypisch
"Landespater" Teufel war. Schnellredner Oettinger, ein ehemaliger
Steueranwalt, kann als Musterbeispiel einer in den 70er- und
80er-Jahren in allen Parteien groß gewordenen Kaste
technokratischer Polit-Manager gelten. Zeichnet sich diese Garde
oft durch spezialisiertes Fachwissen aus, so agiert Oettinger indes
als einer der rar gewordenen Allround-Politiker: Er kennt sich
nicht nur im CDU-Landesverband, zu dessen Vorsitzendem er kommendes
Wochenende gewählt wird, sondern auch in den
Verästelungen der Landespolitik bestens aus. Seit 1991 hat
Oettinger die Fraktion geführt, er beherrscht das
Geschäft, das er nun eben mit mehr Machtfülle von der
Regierungsbank aus betreibt.
Am politischen Kurs wird sich kaum etwas
ändern. Zwar kündigte Oettinger an, Kindergartenbetreuung
und Ganztagsschulen stärker zu fördern. An der
wirtschaftsnahen Linie will er jedoch festhalten, häufig
unterstreicht er sein Bekenntnis zur Atomenergie. Ausgebaut werden
soll das Straßennetz. Oettingers Domäne ist die
Wirtschafts- und Finanzpolitik, und das ist im "Ländle" von
Gewicht: "Die Wirtschaft und die Schaffung von Arbeitsplätzen
müssen im Vordergrund der Landespolitik stehen." Der DGB,
dessen Beziehungen zu Teufel frostiger Natur waren, erhofft sich
mehr Bereitschaft zum Dialog. Allerdings ärgert Oettinger die
Gewerkschaften mit seiner Forderung nach längeren
Arbeitszeiten ohne Lohnausgleich oder nach Einschnitten bei der
Steuerfreiheit von Schicht- und Nachtzuschlägen. Die rigide
Law-and-order-Innenpolitik soll fortgeführt werden, auch soll
die Polizei von Einsparungen im Etat ausgenommen werden. Was zum
persönlich eher liberal-lässigen Stil nicht so recht
passen will: Oettingers Plädoyer für
Schuluniformen.
Auffallend ist, dass der
Ministerpräsident den Grünen kurz vor seinem Amtsantritt
erneut Avancen gemacht hat: Er schließe eine Koalition mit der
Öko-Partei nach der Wahl 2006 nicht aus, "gerade in
Baden-Württemberg haben wir grüne Mandatsträger, die
pragmatischer als viele Grüne bundesweit sind". In der Tat
gelten die Südwest-Grünen im innerparteilichen Spektrum
als konservativ. Frisch in Erinnerung ist noch deren Hilfe bei der
Stuttgarter OB-Wahl für CDU-Rathauschef Wolfgang Schuster.
Solche Tändeleien muten erstaunlich an, schließlich
regiert die Union mit der FDP. Oettinger aber bringt es fertig, bei
einer Podiumsdiskussion betont freundschaftlich mit Jürgen
Trittin zu plaudern und gleichzeitig für die Kernenergie
einzutreten.
Oettinger gehört zur Generation von
CDU-Politikern wie Christian Wulff, Roland Koch oder Peter
Müller. Anders als diese Schwergewichte hat es der Schwabe
jenseits der Landesgrenzen noch nicht zu Einfluss und Ruhm
gebracht. Das soll sich nun ändern: "Die Präsenz von
Baden-Württemberg in Berlin muss ausgebaut werden." Das unter
Teufel an der Spree entstandene Vakuum will gefüllt werden.
Oettingers Einsatz in der Hauptstadt wird freilich nicht nur
Landesinteressen befördern. Unüberhörbar meldet er
seit Monaten seine bundespolitischen Ambitionen speziell in Sachen
Wirtschaft und Finanzen an. Erst einmal ist jedoch
Kärrnerarbeit zu Hause angesagt.
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