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Johanna Metz
Aufgekehrt...
"Wir sind Papst!" So jedenfalls titelte erregt die
"Bild"-Zeitung nach der Wahl des Deutschen Joseph Ratzinger zum
neuen Oberhirten. Wir. Die Deutschen. Also, auch Sie und Sie, und
natürlich Sie. Alle sind wir Papst. Und wenn man den
Medienberichten in den vergangenen Tagen glauben möchte - und
Glaube versetzt ja bekanntlich Berge - wird nun alles besser. Dank
Benedikt XVI. wird Deutschland und bald auch die ganze Welt aus dem
Reformtrauma in den Traum vom Aufschwung taumeln.
Vorbei die Zeit von Depression und Massenarbeitslosigkeit! VW
produziert in Zukunft statt Polos Papamobile fürs Volk, und
H&M entwirft erschwingliche Papstroben für Jedermann.
Wolfgang Clement und seine weltlichen Mitstreiter verwalten dann
keine Arbeitslosen mehr, sondern allenfalls arbeitslose Pontifexe.
Denn: Ja! Wir sind Papst! Und Clement, Schröder, Köhler
und Co. sind die Oberpapas.
Dabei hätte sich die Papstwahl fast in Rauch
aufgelöst. Die 115 Kardinäle - so jedenfalls schildert es
ein redseliger holländischer Kardinal - hätten beinahe
die ganze Sixtinische Kapelle in Schutt und Asche gelegt, beim
Versuch, rein-weißen Dampf in den römischen Himmel zu
jagen, um die von Millionen erwartete Botschaft zu verkünden:
"Habemus Papam!"
Nun aber, wo es vollbracht ist, steigt aus allen Schornsteinen
des Landes von jedem deutschen Dach weißer Rauch empor, und
die Menschen blicken nach vorn. Wir sind wieder Wer, nach fast 500
Jahren, in denen kein Deutscher auf dem Heiligen Stuhl Platz
genommen hat! Und alle Probleme sind gelöst:
Vollbeschäftigung, Schlangen vor den Wahlkabinen und boomende
Börsen erwarten uns, und die Sorgen der Koalition vor den
NRW-Wahlen sind auch vom Tisch. Denn was für eine
Fußball-WM gilt, gilt doch erst recht für die
päpstliche Meisterschaft: Ein Sieg stärkt stets den
Regierenden den Rücken.
Und ist es nicht ein Treppenwitz der Geschichte, dass
ausgerechnet ein konservativer Bayer den angeschlagenen
Sozialdemokraten den Hintern rettet?
Klar, da sind die Neider schnell zur Stelle. Und natürlich:
Es sind die Briten, diese missgünstigen Queen-Knickser, die
uns mal wieder den Speck madig machen wollen. Die können eben
nur eine zickige Königin und ein seniles Prinzenpaar
vorweisen, wir aber einen echten Papst. Schon verunglimpft der
"Daily Telegraph" unseren Pontifex frevelhaft als einen "Rottweiler
Gottes", und die Unterschichtenpostille "Sun" ätzt auf ihrem
Titel über eine Mitgliedschaft des jungen Herrn Ratzinger in
der Hitlerjugend mit den Worten: "Vom Hitler-Jungen zum Papa
Ratzi". Nicht schön. Erst recht nicht, wenn das traditionell
spärlich bekleidete Mädchen auf Seite drei seiner
Heiligkeit zu allem Überfluss noch ein "warmes Willkommen"
entgegen haucht. Da halten wir es doch lieber mit den Worten der
"taz". Die kommentierte die Entscheidung des Konklaves mit drei
schlichten Worten: "Oh, mein Gott!"
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