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Jérôme Cholet
"Wir sitzen alle in einem Boot"
Deutsche, israelische und palästinensische
Journalisten haben zusammen eine Zeitung gemacht
Es gibt Konstellationen, die nicht alltäglich sind. Auf
Einladung des Auswärtigen Amts und der Herbert-Quandt-Stiftung
kamen im April 21 Nachwuchsjournalisten aus Israel, den
Palästinensischen Gebieten und Deutschland zusammen. Unter der
Überschrift "Trialog" diskutierten sie die Rolle der Medien in
ihrem Beziehungsdreieck. Ein konfliktreiches Unterfangen, denn es
galt das Verständnis für die Auseinandersetzungen
zwischen Israelis und Palästinensern, die Erinnerung der Shoa
und die Befürchtungen, die Deutschlands Engagement im Nahen
Osten hervorruft, zu finden.
"Wir sitzen alle in einem Boot", schreibt ein dreiköpfiges
Team aus jungen Journalisten in einem Artikel über die
drängenden Fragen. Yael Ben-Moshe, Israelin aus Tel Aviv,
Nisreen Abuorf, Palästinenserin mit derzeitigem Wohnsitz in
Amman, und ein Kollege aus Hamburg haben an "Die Brücke"
gearbeitet, dem zentralen Projekt ihrer Zusammenkunft. Innerhalb
von zwei Tagen entstand eine druckreife Zeitung. "Ein schwieriges
Unterfangen", so Nisreen, "durch den jeweils Dritten am Tisch
geraten die Perspektiven durcheinander und werfen ein neues
Licht."
Nachdem das Auswärtige Amt im letzten Jahr Schüler aus
Israel und Deutschland an einen Tisch setzte, um mit ihnen
über das Verhältnis ihrer Staaten, das schwere Erbe der
Shoa und den Neuanfang zu sprechen sowie einen Blick in die Zukunft
zu werfen, wurden dieses Mal deutsche, israelische und erstmals
Journalisten palästinensischer Herkunft eingeladen. Am Ende
entstand eine Zeitung, die neben persönlichen Erfahrungen und
Hintergründen der Frage nachgeht, wie die Medien zu mehr
Verständnis beitragen können. "Ich kannte Deutschland
bereits", erzählt Rabie, dessen Vorname leicht mit dem Titel
eines jüdischen Schriftgelehrten zu verwechseln ist. Der junge
Palästinenser stammt jedoch aus einem Flüchtlingslager in
Ramallah im Westjordanland. "Es war der Trialog der mich ansprach,
die Chance, einmal zu Dritt zusammenzukommen."
Die Konstellation hätte nicht schwieriger sein können.
Palästinenser und Israelis trennt ein wachsender Sperrwall,
Israelis und Deutsche gedenken in diesen Monaten gleichzeitig dem
60. Jahrestag der Befreiung zahlreicher Konzentrationslager und dem
40. erfolgreicher diplomatischer Beziehungen. Deutschland versucht
seiner besonderen Verantwortung für den Staat Israel gerecht
zu werden, ist gleichzeitig aber auch um das Leid der
Palästinenser besorgt. Ausreichend Trennendes stand im Raum.
Doch die Erstellung der Zeitung und verschiedene Termine mit
Regierungsvertretern generierten das Unerwartete. "Ich hätte
nie gedacht, dass es uns gelingt, so sorgsam miteinander
umzugehen", schließt Lucy Aharish, eine Israelin, die als
einzige Araberin in einem israelischen Dorf aufgewachsen ist und
Enttäuschungen gewohnt war. "Niemals hätte ich gedacht,
dass sich Israelis, Palästinenser und Deutsche so weit
öffnen können, vor allem dann nicht, wenn es um
Geschichte und Politik geht. Das war der Geist von Berlin", sagt
die arabische Israelin.
Das Ergebnis dieser Zusammenkunft war ein intensiver Austausch.
Beim Besuch des Hauses der Wannseekonferenz erwarb ein
Palästinenser ein Schulbuch über die Shoa und zollte
damit der deutschen Aufarbeitung ebenso Respekt wie dem Leid, das
den Juden angetan wurde. Die israelische Delegation initiierte eine
Programmänderung. Statt ins Jüdische Museum zu gehen und
eine weitere Stätte deutsch-israelischer Beziehungen zu
besichtigen, wurde ein Termin mit dem Generaldelegierten der
Palästinensischen Vertretung in Berlin wahrgenommen. Aus der
Zusammenkunft entwickelte sich eine Dynamik des Entgegenkommens -
und sie soll weiter währen, in der journalistischen Arbeit
ebenso wie bei einem Wiedersehen.
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