Martin Ebbing
Sieg der konservativen Eliten
Überraschendes Ergebnis der
Präsidentschaftswahlen im Iran
Für das iranische Regime hätten die
Präsidentschaftswahlen kaum besser laufen können: Mit
rund 63 Prozent in der ersten und 59 Prozent in der zweiten Runde
fiel die Wahlbeteiligung höher aus, als noch im Vorfeld
erwartet wurde. Die Teilnahme war zwar etwas niedriger als bei den
Präsidentschaftswahlen zuvor, aber doch höher als bei den
Parlamentswahlen im Februar und ausreichend, um als
Bestätigung des Systems interpretiert zu werden.
Durch eine großartige Demonstration von
nationaler Solidarität und öffentlicher Anteilnahme habt
ihr eure feste Entschlossenheit bewiesen, die nationale
Unabhängigkeit zu verteidigen und tapfer die Interessen des
Landes und des Systems der islamischen Republik zu sichern", dankte
Revolutionsführer Ayatollah Ali Khamene'i den
Wählern.
Zum zweiten gelang es, einen absoluten
Außenseiter in das Präsidentenamt zu hieven und damit die
Macht der Konservativen zu konsolidieren. Vor den Wahlen war
Mahmoud Ahmadinejad selbst in Teheran, wo er seit zwei Jahren als
Bürgermeister arbeitete, weitgehend eine politisch zu
vernachlässigende Größe. Im Iran werden
Bürgermeister nicht direkt gewählt.
In der ersten Wahlrunde am 17. Juni
überraschte er damit, dass er die zweitmeisten Stimmen
erzielte und sich damit für die Stichwahl eine Woche
später qualifizierte. Wahrscheinlich war nicht alles mit
rechten Dingen zugegangen. Mitglieder der Revolutionären
Garden und der Basiji, der paramilitärischen
Freiwilligengruppen, hatten alle Anstrengungen unternommen, um
unsichere Wähler dazu zu bewegen, sich für den
"richtigen" Kandidaten zu entscheiden. Der erzkonservative
Wächterrat, der eigentlich nur den ordnungsgemäßen
Ablauf der Wahlen zu überwachen hat, hatte die
Stimmauszählung weithin in die Hand genommen. Die mit den
Ultrakonservativen eng verbundene Zeitung Kayan gab schon vor
Beginn der Auszählung eine Titelseite in Druck, die das
völlig überraschende Ergebnis verkündete.
Mehdi Karroubi, ein populistischer, moderater
Reformer, der als Dritter abschnitt, beschwerte sich in der Folge
lautstark über "massive Eingriffe mächtiger Gruppen". Die
von ihm angekündigten Beweise blieben allerdings aus. Die
Warnung des Revolutionsführers, Kharroubi drohe das Land "ins
Chaos zu stürzen und damit den ausländischen Feinden in
die Hände spielen, was auch auf dich zurückfallen wird",
mag zu seinem Gesinnungswandel beigetragen haben.
Auch die Stichwahl steht im Schatten
erheblicher Zweifel am fairen Ablauf. Wieder traten die
Revolutionären Garden und die Basiji auf den Plan, wieder
wusste Kayan das Ergebnis vor Beginn der Auszählung. Das
Innenministerium, für die Auszählung verantwortlich,
klagte, die Wahl sei ihm in den letzten zwei Stunden vom
Wächterrat vollständig aus der Hand genommen
worden.
Ex-Präsident Ali-Akbar Haschemi
Rafsanjani, der vorab als Favorit gehandelt worden war, in der
zweiten Runde aber unterlag, hatte Mühe, seinen Groll zu
unterdrücken. "Diejenigen, die unrechtmäßig die Wahl
beeinflussten, sollen wissen, dass sie vom göttlichen Gericht
bestraft werden."
Unabhängig von möglichen
Manipulationen ist der Ausgang Anlass genug, einige liebgewordene
Vorstellungen über die innenpolitische Situation im Iran zu
revidieren. Zum einen hat sich eine Bevölkerungsschicht auf
der politischen Bühne zurückgemeldet, die im politischen
Diskurs der vergangenen Jahre weitgehend ausgeblendet wurde.
Ahmadinejad präsentiert sich als ein Kandidat der kleinen
Leute, der Besitzlosen und Unterprivilegierten und hatte damit
Erfolg. Ihre wirtschaftliche Lage hat sich seit der Revolution
nicht wesentlich verbessert und verbittert sehen sie, wie einige
Privilegierte immer reicher werden, während sie zunehmend
verarmen. Der unterlegene Rafsanjani ist der bekannteste Exponent
dieser privilegierten Schicht, die sich selbst schamlos bereichert.
Nach offiziellen Angaben leben rund 20 Prozent der Bevölkerung
im Iran unter der Armutsgrenze. Zehn Prozent leben in primitivsten
Behausungen.
Auffällig ist, dass ihre
Enttäuschung noch nicht soweit umgeschlagen ist, dass sich der
Zorn gegen die Revolution selbst und ihre Vertreter richtet. Die
Unzufriedenheit sitzt zwar tief, aber dennoch hatte sich
Ahmadinejad nicht allein schon dadurch disqualifiziert, dass er im
Wahlkampf auch weiterhin das Banner der alten Ideale vor sich
hertrug.
Anders herum war eine Stimme für
Ahmadinejad nicht unbedingt auch Ausdruck der Zustimmung zum
System. Viele Wähler suchten vielmehr nach einer Alternative,
nachdem sie sich sowohl vom alten Apparat wie von den Reformern
enttäuscht fühlen. Ahmadinejad galt als frisches Gesicht,
der zudem durch sein einfaches Auftreten und seinen bescheidenen
Lebensstil Sympathien für sich gewann. Auch Karroubi hatte auf
diesen Effekt spekuliert. Er versprach, jedem erwachsenen Iraner
monatlich rund 50 Euro aus den Öleinnahmen zu zahlen und
schaffte es damit auf den dritten Platz.
Auch wenn das Regime nach wie vor
äußerst unpopulär ist, hat sich doch gezeigt, dass
Voraussagen in- wie ausländischer Beobachter, sein Ableben sei
nur noch eine Frage der Zeit, verfrüht sind. Immerhin ist es
der Machtelite gelungen, einen Außenseiter in das
Präsidentenamt zu bringen und damit seine Macht über alle
staatlichen Institutionen auszudehnen. Das Parlament wurde bereits
im Februar vorigen Jahres zurückerobert, nachdem der
Wächterrat alle Reformkandidaten von der Wahl ausgeschlossen
hatte.
Die Reformer sind dagegen weit schwächer
als gern angenommen wurde. Ihr Kandidat Mustafa Moin landete
abgeschlagen auf dem fünften Platz. Aus der heutigen
Perspektive wird deutlich, dass der überwältigende
Wahlerfolg des nun aus dem Amt scheidenden Präsidenten
Mohammad Khatami das Resultat einer ähnlichen Protestbewegung
war, die nun Ahmadinejad nach oben gebracht hat. Khatami hat zwar
einige wirtschaftliche Verbesserungen wie den Abbau der
Auslandsverschuldung, verbesserte Bedingungen für
Auslandsinvestitionen und den Beginn der Privatisierung
eingeleitet, aber diese Maßnahmen kamen der Unterschicht nicht
direkt zugute.
Im Wahlkampf hatte Moin die wirtschaftliche
Situation nicht einmal angesprochen, sondern Themen wie
bürgerliche Freiheiten und Demokratisierung in den Mittelpunkt
gestellt. Dies sind eher die Belange der gebildeten Mittel- und der
Oberschicht.
Auch die europäischen Regierungen werden
ihre Annahmen ein wenig korrigieren müssen. Sie hatten auf
einen Wahlsieg von Rafsanjani gesetzt und seine Selbstdarstellung
für bare Münze genommen, er verfüge über
ausreichend Erfahrung und Einfluss, um eine Annäherung an den
Westen auch gegen die Hardliner im Regime durchzusetzen. Weder
seine Erfahrung noch sein Einfluss reichten aus um zu verhindern,
dass er bei der Wahl von der erzkonservativen Machtelite, die mit
ihm nicht auf gutem Fuß steht, ausgebootet wurde.
Mit Ahmadinejad haben sie es jetzt mit einem
Präsidenten zu tun, der sich in den ersten Tagen nach der Wahl
darum bemühte, sich ein freundlicheres Image zuzulegen. Von
seiner Biografie her ist er ohne Frage ein Hardliner. Er
gehörte zu den revolutionären Studenten, die als
Freiwillige im Krieg gegen den Irak an die Front gingen. Er
schaffte es bis zum Chefingenieur der 6. Armee der
Revolutionären Garden, 1987 promovierte er an der Teheraner
Universität für Wissenschaft und Technik. Danach wurde er
Gouverneur der im Nordwesten gelegenen Provinz Ardebil. Nach einem
Zwischenaufenthalt an der Universität löste er
schließlich einen Reformer als Bürgermeister von Teheran
ab.
In seiner ersten Ansprache nach dem Sieg
versprach er "einen fortgeschrittenen, modernen und islamischen
Iran", der für die ganze Welt ein Beispiel geben würde.
In seiner ersten Pressekonferenz blieb er in den Einzelheiten aber
vage. Immerhin kündigte er an, die Verhandlungen mit den
Europäern über das iranische Atomprogramm fortsetzen zu
wollen. Er begrüßte ausländische Investitionen und
den Ausbau von wirtschaftlichen Beziehungen und dementierte, er sei
ein Feind der Börse oder der Privatisierung der iranischen
Wirtschaft. Nur den Amerikanern zeigte er die kalte Schulter. "Wir
können auch gut ohne bessere Beziehungen leben", behauptete er
kühn.
Seine zukünftige Politik wird Mahmoud
Ahmadinejad sicher in vielen Punkten noch selbst formulieren
müssen, nachdem er so plötzlich vom Regionalpolitiker zum
Präsidenten katapultiert wurde. Große Kurswechsel sollten
allerdings nicht erwartet werden. Er ist ein Mann der konservativen
Machtelite um Revolutionsführer Khateme'i. Dieser Kreis, durch
keine demokratische Wahl legitimiert, hat ihn aufgebaut und er wird
ihre Politik umsetzen.
Innenpolitisch bedeutet das einen Stillstand
in der Öffnung der Gesellschaft. Extremisten werden die
Gelegenheit nutzen, um in der Kultur, bei den Rechten der Frauen
oder bei den persönlichen Freiheiten das Rad wieder ein
Stück zurück zu drehen. Das Regime wird sich aber
hüten, die offene Konfrontation zu riskieren, noch kann es
sich gegen den allgemeinen Trend der zunehmenden Liberalisierung
sträuben. Dissidenten und die kritischen Medien sehen schweren
Zeiten entgegen.
Wirtschaftpolitisch deutet sich eine Politik
des "Iran first" an. Das Regime weiß, dass es auf
ausländische Kooperation und Investitionen angewiesen ist, um
seine wachsenden wirtschaftlichen Probleme zu lösen und damit
das eigene Überleben zu sichern. Gleichzeitig verfolgt es aber
eine Politik der wirtschaftlichen Eigenständigkeit. In der
Praxis bedeutet dies, dass bei Partnerschaften auf einen
Technologietransfer großes Gewicht gelegt wird. Der steigende
Rohölpreis bringt zudem Geld in die Kassen, mit dem sich
einige Sozialprogramme finanzieren lassen werden.
Außenpolitisch hat auch in der
Vergangenheit der Revolutionsführer die Linie bestimmt. Es
wird beim tiefen Misstrauen gegenüber den USA und der
Strategie bleiben, Bündnispartner im Osten durch den Ausbau
wirtschaftlicher Beziehungen zu suchen. Ein Ausbau der Beziehungen
mit den europäischen Staaten ist für Teheran
äußerst attraktiv. Davon würde nicht nur die eigene
wirtschaftliche Entwicklung profitieren, sondern es würde es
Washington auch erschweren, aggressiv eine Politik des
Regimewechsels zu betreiben.
Wie viele Zugeständnisse man dabei den
Europäern zu machen bereit ist, ist im Regime selbst
umstritten. Mit Ahmadinejad haben sich die Akzente ein wenig
zugunsten der Befürworter einer härteren Linie
verschoben. Die Atomgespräche, die im August fortgesetzt
werden sollen, werden ein erster Testfall sein.
Zurück zur Übersicht
|