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Barbara Minderjahn
Votum für die Unabhängigkeit
Berg-Karabach: Parlamentswahlen
In zweierlei Hinsicht waren die Parlamentswahlen in der nicht
anerkannten Kaukasus-Republik Berg-Karbach für die derzeitige
de-facto Regierung ein Erfolg: Sie waren frei und fair, wie
internationale Wahlbeobachter bestätigten, und das
regierungsnahe Lager hat gewonnen. Die "Demokratische Partei"
errang 12 der 33 zu vergebenden Parlamentssitze, das Bündnis
"Freies Mutterland" zehn, die armenische
Revolutions-Föderation "Daschnakzutjun" drei. Acht Personen im
neu gewählten Parlament werden eine unabhängige
Abgeordnetengruppe bilden. Eines aber haben die Wahlen am 19. Juni
nicht erreicht: Sie haben der nach Unabhängigkeit strebenden
Region keine größere internationale Anerkennung
verschafft. In einer Stellungnahme des französischen
Außenministeriums heißt es: "Über die Bedingungen
für die Definition eines künftigen Status Berg-Karabachs
verhandeln die Konfliktparteien derzeit im Rahmen der Minsker
Gruppe. In dieser Hinsicht werden die Wahlen keinerlei Auswirkungen
auf den laufenden Friedensprozess oder den künftigen Status
Berg-Karabachs haben."
Der Konflikt um den Status der Region und der Versuch, mit einem
Volksentscheid den Ausgang des Konfliktes zu beeinflussen, sind
nicht neu. Im Dezember 1991 entschied sich die Bevölkerung von
Berg-Karabach in einem Referendum mehrheitlich für die
Unabhängigkeit ihres Staates. Doch der Status von
Berg-Karabach ist bis heute umstritten, weil die rund 12.000
Quadratkilometer kleine Kaukasusregion zwar seit je her
überwiegend von Armeniern bewohnt wird, aber niemals ein
eigenständiges Staatsgebilde darstellte. Das Gebiet liegt
umschlossen vom Staatsgebiet Aserbaidschans und war während
der Sowjetunion offiziell Aserbaidschan untergeordnet. Das ist der
Grund, warum Aserbaidschan Berg-Karabach bis heute als Teil seines
Territoriums beansprucht und warum die internationale Gemeinschaft
die Unabhängigkeit ohne die Zustimmung Aserbaidschans nicht
anerkennt.
Unterstützung aus Armenien
Dennoch bestimmt in Berg-Karabach die von der armenischen
Mehrheit gebildete Regierung de facto die Politik. Das hat
militärische Gründe. 1988 kam es in Aserbaidschan zu
pogromartigen Ausschreitungen gegen Armenier. Kurze Zeit
später sogar zum Krieg. Die Armenier gewannen den Krieg und
halten Berg-Karabach und die angrenzenden Gebiete seither besetzt.
Der stellvertretende Außenminister Masis Mailian erklärt:
"Seit 1988 sind wir de facto unabhängig von Aserbaidschan. Und
wir werden nie wieder zu einer Enklave werden. Nach den Ereignissen
von 1988 wissen wir, was es bedeutet, eine Enklave zu sein. Wir
wurden von allen Seiten blockiert. Es war Krieg. Bomben fielen. Wir
hatten nichts zu essen, kein Wasser, keine Elektrizität. Viele
Leute wurden umgebracht. Auch heute noch hören wir von
Aserbaidschan, dass sie uns bekämpfen wollen, wenn wir nicht
nachgeben. Wie können die da glauben, dass wir aserische
Staatsbürger werden wollen?"
Der Regierung fehlt bis heute die völkerrechtliche
Legitimität - ein Misstand, den die Politiker gerne beheben
würden, wie Außenminister Arman Melikian zugibt:
"Berg-Karabach muss von der internationalen Gemeinschaft als
unabhängiger Staat anerkannt werden. Wir haben unsere Wahl
1991 getroffen. Wir hatten ein Referendum. Wir wählten die
Unabhängigkeit, und da machen wir weiter. Wir bauen im Moment
unseren Staat auf." Unterstützt wird Berg-Karabach dabei vor
allem von Armenien. Doch auch die Regierung in Eriwan möchte
Berg-Karabach endlich international als einen eigenständigen
Staat akzeptiert sehen, und das hat mehrere Gründe. Die Region
lebt derzeit wirtschaftlich und politisch vollkommen von der
Unterstützung des Mutterlandes Armenien. Das meiste, was auf
den fruchtbaren Hügeln angebaut wird - das sind vor allem
Weintrauben und Getreide - wird in der sechs Autostunden entfernten
armenischen Hauptstadt Eriwan verkauft. Da die Region aber mehr
importieren muss als sie exportieren kann, braucht sie
zusätzlich finanzielle Hilfe. Armenien gewährt dem nicht
anerkannten Staat regelmäßig Kredite. Darüber hinaus
übernimmt die armenische Regierung die diplomatische
Vertretung Berg-Karabachs im Ausland. Sie stellt den Bürgern
der Region beispielsweise die Pässe aus, die sie für
Reisen benötigen. Bei den Verhandlungen mit Aserbaidschan
bezüglich der Konfliktregion sind die Vertreter Berg-Karabachs
ebenfalls nicht anwesend. Der armenische Außenminister Wartan
Oskanjan sagt: "Armenien ist nur an den Verhandlungen beteiligt,
weil die aserbaidschanische Regierung es ablehnt, dass
Berg-Karabach beteiligt ist."
Politischer Druck der Türkei
Die Unterstützung hat für Armenien Folgen.
Aserbaidschan betrachtet jeden, der der Regierung von Berg-Karabach
hilft, als Feind und versucht Armenien daher seit Jahren zu
isolieren. Die Türkei, die sich als aserbaidschanische
Brudernation sieht, ist dem Aufruf zum Boykott gefolgt. Sie hat den
Grenzübergang zwischen Armenien und der Türkei
gesperrt.
Armenien will sich dem Druck Aserbaidschans und der Türkei
nicht beugen. Dennoch wäre die Regierung froh, das Problem mit
dem Rest der Welt zu teilen. "Armenien wird die Gespräche
weiterführen", sagt Außenminister Oskanjan. "Aber wenn
eine Vereinbarung näher rückt, müssen die Karabacher
mitreden können. Unsere Befürchtung ist, dass es, wenn
sie nicht von Anfang bei dem Prozess beteiligt sind, sondern zu
einem späteren Zeitpunkt dazu kommen, problematischer wird."
Allerdings müssten alle Parteien realistisch sein, wenn der
Konflikt gelöst werden solle, fügt Oskanjan hinzu.
Berg-Karabach werde de facto seit Jahren unabhängig regiert.
Auch der Wahlgang am 19. Juni sei eine Tatsache. Die Menschen seien
in die Wahllokale gekommen und hätten für die Freiheit
und Unabhängigkeit gestimmt.
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