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Werner Müller
An den Rändern der Gesellschaft
Linker und rechter Populismus
Die aus einer Chemnitzer Dissertation
hervorgegangene Analyse betritt Neuland. Das Phänomen des
Populismus, aktuell in Italien, Österreich oder den
Niederlanden, hat bekanntlich eine Flut von Publikationen nach sich
gezogen; aber vergleichende Betrachtungen von Rechts und Links
waren seltene Ausnahmen. Florian Hartleb hat sich dieses Desiderats
angenommen; allerdings untersucht er zwei schwer kommensurable
Größen.
Aufstieg und Niedergang der "Partei
Rechtsstaatlicher Offensive", gemeinhin "Schill-Partei" genannt,
sind schon fast wieder aus dem öffentlichen Gedächtnis
verschwunden. Die "Schill-Partei" blieb in Hamburg eine kurze
Episode, die Ausdehnung auf Bundesebene misslang gründlich. Um
die PDS war es seit dem Scheitern ihres Wiedereinzuges in den
Bundestag als Fraktion zeitweise etwas stiller geworden, mangelnde
Stabilität und fehlende organisatorische Kontinuität sind
ihr aber nicht anzulasten.
Merkmale des Populismus
Ein Vergleich beider Parteien vorwiegend
unter dem Blickwinkel historischer Entwicklung wäre wenig
ergiebig. Hartleb geht einen völlig anderen Weg. Auf dem
Fundament einer umfangreichen (auch internationalen) Literatur
erarbeitet er eine Liste von Merkmalen des Populismus: Eine
Anti-Establishment-Haltung, Tabu-Brüche, Medienfokussierung,
Zentrierung auf eine charismatische
Führungspersönlichkeit, Neigung zu plebiszitären
Politikformen und die Zuspitzung auf eine abgrenzbare Gruppe
(Wir-Gefühl). Des weiteren erstellt er spezifische Merkmale
des rechten Populismus (gegen Immigranten, für law and order,
gegen die EU). Links stehen dem Pazifismus, "Antifaschismus",
Antirassismus gegenüber.
Gemeinsam ist "Schill-Partei" und PDS ein
Kurs der Anti-Globalisierung sowie des Anti-Amerikanismus. Es ist
einsichtig, dass sich dabei völlig unterschiedliche Strategien
ergeben: Die Abschottung Deutschlands und Europas ("Das Boot ist
voll") auf der einen sowie die Fundamental-Kritik des
"neoliberalen" Kapitalismus auf der anderen Seite weisen nicht nur
auf verschiedene Muster, sondern auf fundamental andere Ebenen.
Deutlich sichtbar wird das beim Anti-Amerikanismus. Für Schill
war das eine untergeordnete Frage. Für die PDS ist es ein
ideologisch-programmatischer Grundsatz. Ihr
Amerika-Verständnis scheint noch weitgehend von der alten SED
geprägt zu sein. Es definiert nach wie vor ihr "Feindbild" und
verkörpert das ihren Vorstellungen entgegengesetzte
Gesellschaftsmodell.
Damit stellt Hartleb auch zwei
grundverschiedene Varianten des Populismus vor: einen
extremistischen und einen nicht-extremistischen. Populismus meint
also eher einen Politikstil - medienkompatibel, polarisierend, mit
dem Anspruch auf moralische Integrität und sich als
"eigentlichen" Repräsentanten des Volkes darstellend.
Extremistische Parteien bedienen sich dieses Instrumentariums
selbstverständlich auch, sie wollen aber in Konsequenz eine
"andere Republik". Themen populistischer Parteien sind an akute
Anlässe und Debatten geknüpft, oft auch austauschbar. Der
Hang zu einem oder wenigen medien- oder kampagnengerechten
Schwerpunkt ist offenkundig, größere programmatische
Dokumente bilden eine Ausnahme.
Formierung eines
"Wir-Gefühls"
Einleuchtend ist Hartlebs vergleichende
Analyse von Wirkungsmechanismen. Die Schill-Partei war praktisch
aus dem Nichts heraus in der Lage, ein "diffuses
Unsicherheitsgefühl" der Hamburger aufzugreifen und zu
bündeln, - ein Problem, vor dem die beiden großen
Volksparteien versagt hatten. Die PDS hingegen stellte sich als
Interessenvertreterin der Ostdeutschen dar und nutzte eine diffuse
ostdeutsche Identität und die bekannte DDR-Nostalgie für
die Formierung eines "Wir-Gefühls".
Insgesamt bleibt festzuhalten, dass hier nur
auf den ersten Blick eine Untersuchung zweier Parteien in Form von
Fallbeispielen vorliegt. Ihr Kern besteht - neben der
Vergleichsdimension - in der gründlichen, leider gelegentlich
auch akademisch-langatmigen Erörterung des Komplexes
"Populismus". Das sichert dem Werk einen dauerhaften Rang, auch
wenn eines seiner Untersuchungsobjekte schon fast dem Vergessen
anheim gefallen ist.
Florian Hartleb
Rechts- und
Linkspopulismus.
Eine Fallstudie anhand von Schill-Partei
und PDS.
VS-Verlag für Sozialwissenschaften,
Wiesbaden 2004; 361 S., 36,90 Euro
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