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Karl-Otto Sattler
Bauern in Südbaden auf den Barrikaden
Streit um Europäische Subventionen für
Schweizer Landbesitzer
Das aufrührerische Flair auf der Straße pflegen
staatstragende Ministerpersönlichkeiten gemeinhin eher zu
meiden. In Waldshut lassen es sich indes Peter Hauk (CDU), Chef des
baden-württembergischen Agrarressorts, und
FDP-Wirtschaftsminister Ernst Pfister nicht nehmen, sich unter 500
demonstrierende Landwirte zu mischen: Die südbadischen Bauern
protestieren gegen den zunehmenden Landkauf auf der hiesigen
Hochrheinseite durch betuchte Schweizer Berufskollegen und vor
allem gegen die finanzielle Förderung der von Eidgenossen auf
deutschem Terrain bewirtschafteten Flächen aus EU-Töpfen.
Zwischen Transparenten, Traktoren und lodernden Fackeln blasen bei
einer Kundgebung auch Hauk und Pfister in dieses Horn. Der
CDU-Politiker fordert, keine EU-Beihilfen an Schweizer Bauern zu
zahlen, "Wettbewerbsverzerrungen im Grenzgebiet" müssten
beseitigt werden. Einen "Riesennachteil für die Agrarstruktur"
kritisiert Pfister. "Es brennt", warnt Eberhard Graunke als
Vertreter des Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverbandes (BLHV),
der Interessenorganisation der Bauern: "Wir fühlen uns von
Brüssel und Berlin im Stich gelassen."
Angesichts des Streits um Verfassung, Etat und Erweiterung
zählt der "Bauernkrieg" am Hochrhein gewiss nicht zu den
Top-Themen auf EU-Ebene. Aber dieses Beispiel zeigt, wie vor Ort
Verdruss über die Brüsseler Politik entsteht. Hauk will
jedenfalls bei Kommission und Ministerrat Dampf machen: Die
Stuttgarter Regierung verlangt, dass Subventionen künftig nur
noch an Landwirte fließen, die ihren Betriebssitz auf
EU-Territorium haben. Nach bisherigem Recht werden Prämien
schon dann gewährt, wenn Äcker und Wiesen innerhalb der
EU bewirtschaftet werden - und zwar auch dann, wenn der betreffende
Bauer jenseits der Grenzen beheimatet ist. Eine gute Stange Geld
steht auf dem Spiel: Die 120 Eidgenossen, die für 1.700 Hektar
am deutschen Hochrhein ihre Förderanträge eingereicht
haben, werden jährlich rund 500.000 Euro erhalten.
Die Treckerumzüge, Fackelmärsche und Versammlungen,
bei denen die südbadischen Landwirte ihrem Zorn über die
"Landnahme" durch Schweizer "Raubritter" Luft machen, sind fast
nicht mehr zu zählen. Besonders Viehzüchter mit
Milchkühen sind sauer, weil Eidgenossen mit vielen Franken auf
hiesigem Terrain zu hohen Preisen Grundstücke erwerben oder
pachten und so Entwicklungsmöglichkeiten deutscher Hofbesitzer
beschneiden. Rund 3.500 Hektar werden bereits von Schweizern
bearbeitet, allein bei Tengen gegenüber von Schaffhausen sind
es 700 Hektar. Die Finanzkraft der Eidgenossen, die den Badenern
dringend benötigte Felder wegschnappen, kommt nicht von
ungefähr. In heimischen Gefilden erzielen die bestens
subventionierten Schweizer Landwirte hohe Preise für ihre
Waren, die deutlich über dem Niveau hierzulande liegen.
Produkte, die sie in Südbaden erzeugen, transportieren sie
zollfrei nach Hause. Deutsche Bauern müssen beim Export nach
Süden hingegen Zölle berappen. Der BLHV klagt deshalb
über massive Wettbewerbsverzerrungen, die auch Minister Hauk
als "eklatant" bezeichnet. Für Alt-Grundstücke diesseits
des Hochrheins aus der Zeit vor 1984 überweist Bern
eidgenössischen Bauern sogar 600 Franken je Hektar an
Fördermitteln.
Inzwischen konnten die badischen Landwirte wenigstens einen
Teilerfolg verbuchen. Nach langem Hin und Her zwischen Stuttgart
und Berlin verabschiedete jetzt der Bundestag ein Rahmengesetz, das
Behörden bei Ungleichgewichten auf örtlichen
Grundstücksmärkten Eingriffe erlaubt (15/5613). Für
Baden-Württemberg will die dortige Regierung diese
Möglichkeit in einem Landesgesetz konkretisieren: Danach
sollen die Verkaufs- wie Pachtpreise für Äcker und Weiden
höchstens 20 Prozent über dem lokalen Durchschnittswert
rangieren dürfen. Bislang blätterten Schweizer schon mal
einen Aufschlag von 50 Prozent hin, Einheimische vermochten da
nicht mitzuhalten. Minister Hauks Sprecher Matthias Wolf
kündigt zudem ein Vorkaufsrecht für hiesige Bauern
an.
Ungelöst bleibt aber das Problem der EU-Subventionen. Wegen
dieser Prämien für die Eidgenossen gerate die
Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Grenzlandwirte "in eine
noch extremere Schieflage", wettert BLHV-Präsident Werner
Räpple. Auch die Berliner Agrarministerin Renate Künast
meint, diese Beihilfen für die Schweizer seien "kaum zu
rechtfertigen". Die Bemühungen der grünen Politikerin,
diese Regelung in Brüssel zu kippen, blieben jedoch bislang
erfolglos.
Der neue baden-württembergische Minister Hauk will nun mit
Unterstützung des Bauernverbands in Brüssel mit mehr
Druck durchsetzen, dass die Zuschüsse von 300 Euro je Hektar
nur noch Landwirten mit Betriebssitz innerhalb der EU gewährt
werden. Die Brüsseler Subventionen hätten
schließlich das Ziel, Wettbewerbsnachteile auszugleichen. Den
Schweizer Bauern würden die EU-Prämien jedoch
zusätzliche Vorteile verschaffen. Der südbadische
CDU-Europaabgeordnete Karl von Wogau will diesen Konflikt auch im
Straßburger Parlament zur Sprache bringen. Allerdings ist die
Hürde für eine Reform hoch: Das EU-Recht selbst
müsste geändert werden. Und dazu ist ein Beschluss im
zuständigen Ministerrat vonnöten.
Eines immerhin ist mittlerweile sichergestellt: Die Grenzpendler
unter den eidenössischen Landwirten erhalten wenigstens keine
Doppelförderung aus Berner und Brüsseler Töpfen.
Sofern diese Bauern für Alt-Grundstücke am badischen
Hochrhein 600 Franken je Hektar aus dem Schweizer Staatssäckel
bekommen, will das Berner Agrarministerium diese Beihilfen um die
EU-Prämien von 300 Euro kürzen. Für BLHV-Sprecher
Graunke ist diese Verrechnung ein "Treppenwitz": Auf diese Weise
alimentiere letztlich der EU-Steuerzahler die eidgenössischen
Landwirte. Europa ist eine vertrackte Sache.
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