Klaus Walter
"Mit dem Kopf kriegen wir das schon hin"
Mecklenburg-Vorpommern: Tuchfühlung
zwischen PDS und WASG
Trotz großer Vorbehalte gegeneinander wird in
Mecklenburg-Vorpommern ein linkes Wahlbündnis immer
wahrscheinlicher. Die 7.000 Mitglieder starke PDS und die
Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG) mit nur 70
Mitgliedern gehen Schritt für Schritt aufeinander zu. Wilfried
Freier, Mitglied im Landesvorstand der WASG, bringt es auf den
Punkt: Man dürfe die "historische Chance", eine starke linke
Opposition aus Ost und West in den Bundestag zu bringen, nicht
ungenutzt verstreichen lassen.
Die PDS in Mecklenburg-Vorpommern trägt als
Koalitionspartner der SPD seit der Landtagswahl von 1998
Regierungsverantwortung. Damit ist sie auch in der Pflicht, im
Kielwasser der SPD zu bleiben. Für Landes-Arbeitsminister
Helmut Holter (PDS) beispielsweise hat das seit letztem Herbst
beinahe kuriose Folgen. Vormittags saß er in seinem
Ministerium oder am Kabinettstisch mit seinen sozialdemokratischen
Kollegen und leitete die Umsetzung der Hartz-IV-Reform. Nachmittags
demonstrierte er gemeinsam mit seinen Genossen,
Arbeitslosen-Verbänden und Gewerkschaften dagegen. Seinen
ideologischen Spagat rechtfertigte Holter so: "Als PDS-Mitglied bin
ich gegen die Reform. Hartz IV taugt nicht, die Probleme auf dem
Arbeitsmarkt zu lösen. Als verantwortlicher Minister muss ich
aber alles dafür tun, dass die Betroffenen pünktlich ihr
Arbeitslosengeld II erhalten."
Inzwischen stört sich niemand mehr daran. Hartz IV ist
Alltag im Land. Lediglich in der Landeshauptstadt Schwerin zogen
noch bis weit in das Frühjahr hinein Montagsdemonstranten
Woche für Woche durch das Zentrum. Ein Dutzend zuletzt; das
von der PDS geführte Arbeitsministerium erreichten sie
nie.
So sehr sich die PDS im Nordosten nun auch eine Präsenz der
Linken im Bundestag wünscht - selbst Arbeitsminister Holter
will sich um ein Direktmandat bewerben -, so sehr ist man auch hier
von Skepsis in Sachen WASG befallen. Vor allem wegen der geplanten
Namensänderung der PDS in "Die Linkspartei". Deutlich wurde
dies auf dem jüngsten Landesparteitag der Linkssozialisten
Ende Juni in Güstrow.
Zwar bekam WASG-Vorstandsmitglied Gerhard Kratzke starken
Applaus von den 97 PDS-Delegierten, als er verkündete: "Die
WASG will auf der offenen Liste mit der PDS kandidieren." Doch gab
es auch andere Töne. "Euphorisch macht mich das Zusammengehen
nicht", meinte Wolfgang Diedrich vom PDS-Kreisverband
Uecker-Randow. PDS-Fraktionschefin Angelika Gramkow mahnte, die PDS
müsse ihr ureigenstes Profil schärfen. Und der ehemalige
PDS-Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch bekannte: "Herz
und Bauch sind dagegen. Aber mit dem Kopf kriegen wir das schon
hin."
Argwöhnische Sozialdemokraten
Schließlich sprach PDS-Landeschef Peter Ritter eine Art
Machtwort: "Wer mit der PDS in Mecklenburg-Vorpommern
zusammenarbeiten will, der muss die PDS nehmen, wie sie ist." Die
PDS in Mecklenburg-Vorpommern sei nun einmal in
Regierungsverantwortung. Man sei bereit, die Wahllisten für
die WASG zu öffnen, aber nicht, das Profil der PDS zu
ändern. Auf jeden Fall werde man als "Die Linkspartei" das
Kürzel PDS im Namen führen.
Deutlichen Argwohn gegenüber der sich neu formierenden
Kraft lässt die SPD spüren. Landeschef Till Backhaus
treibt schon einmal ein paar Keile in das sich anbahnende
Bündnis. Im NDR machte er das so: "Ein Bündnis, das im
Osten als PDS antritt, im Westen als eine Wählergemeinschaft,
wo man den Namen PDS oder - ich sage ganz bewusst: SED -
herauslassen will, ist für mich der blanke Populismus und
Etikettenschwindel."
Der Rostocker PDS-Kreisvorsitzende Wolfgang Leuchter sieht darin
einen "Ausdruck der Hysterie unter den Sozialdemokraten" und ein
"Zeichen eines grundsätzlichen Misstrauens der SPD
gegenüber ihren eigenen Wählern". Möglicherweise hat
er damit sogar recht. Denn einen Grund für derart scharfe
Töne hat Backhaus nicht. Seit 1998 ist die PDS ein eher
bequemer Regierungspartner, der so manche bittere Pille um der
Regierungsbeteiligung willen schluckte.
Treibt Backhaus mit seinen Angriffen die Koalition auseinander,
wird der Machterhalt nach der Landtagswahl 2006 noch
unwahrscheinlicher. Auf kommunaler Ebene sind CDU und PDS
längst die stärkeren Kräfte in
Mecklenburg-Vorpommern. Die Sozialdemokraten hinken regelrecht
hinterher. Das schlägt sich auch in den Mitgliederzahlen
nieder: CDU 8.000, PDS 7.000, SPD 3.300. So war die Reaktion von
PDS-Fraktionschefin Gramkow wohl durchaus als ernstgemeinte Warnung
zu verstehen: "Mit seinem Griff in die politische Mottenkiste
gefährdet Backhaus wichtige Zukunftsprojekte der
Koalition."
Auch der CDU-Landesvorsitzende Eckhardt Rehberg meldete sich
jetzt zu Wort. Er wittert "eine starke Verunsicherung" bei der SPD:
"Zu Ende gedacht, müsste Backhaus' Kritik an WASG und PDS zum
Ausstieg seiner Partei aus der Koalition führen."
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