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Margret Kiosz
Zu Gast an Winnetous Lagerfeuern
Schleswig-Holstein: Auftakt des neuen
Ministerpräsidenten
Am vergangenem Wochenende war Peter Harry Carstensen
Premierengast bei den Karl-May-Festspielen in Bad Segeberg.
"Winnetou und das Geheimnis der Felsenburg" stand auf dem Programm,
und der oberste Häuptling der Schleswig-Holsteiner gab sich
als Kenner: "Das Stück wird ein Knaller", so die Prognose des
Ministerpräsidenten. Seitdem er die Kultur zur Chefsache
erklärt und das Ressort direkt seiner Staatskanzlei zugeordnet
hat, tourt der gewichtige Nordfriese durchs Land, schüttelt
hier die Hände beim Kinderchortreffen und lobt andernorts das
schmucke Outfit beim deutschen Trachtentreffen.
Nur nicht den Eindruck erwecken, dass die Kultur jetzt am
Katzentisch sitzt, lautet seine Devise. Diesen Vorwurf hatte
kürzlich der Deutsche Bühnenverein erhoben und die
"Abschaffung des Kulturministeriums" heftig kritisiert. Nach dem
spektakulären Machtwechsel an der Förde war dies bisher
Carstensens einziger Regierungsakt, der bundesweit für
Aufsehen sorgte. Ansonsten regiert der 58-Jährige eher
lautlos.
Carstensen regiert so lautlos, dass sich die Opposition schon
fragt, ob er überhaupt regiert. Ist er ausnahmsweise nicht in
Sachen Kultur unterwegs, verkauft er sein Regierungsprogramm auf
den Matjeswochen, beim Bad in der Menge und dem Bürger auf der
Straße. Es müsse eisern gespart werden, lautet seine
Botschaft. Genauso wie schon im Wahlkampf. Wo genau der Gürtel
enger geschnallt werden soll, darüber sagt er wenig Konkretes.
Genauso wie er jeder Stellungnahme zu aktuellen bundespolitischen
Themen aus dem Wege geht. Mehrwertsteuererhöhung, Umbau der
Sozialsysteme, Subventionsabbau - durchweg Fehlanzeige. Da
lässt Carstensen seinen Amtskollegen aus Niedersachsen,
Thüringen oder Bayern gern den Vortritt und hüllt sich in
staatsmännisches Schweigen.
Zu Hause besorgen die Minister das Geschäft und stehlen ihm
immer häufiger die Show. Besonders der agile
Wirtschaftsminister Dietrich Austermann, wie Carstensen
langjähriger Parlamentarier in Berlin, findet nach Jahren auf
der Oppositionsbank Lust am Regieren. Kaum ein Tag vergeht, an dem
der ehemalige Haushaltsexperte der Bundes-CDU nicht mit neuen
Vorschlägen zur Entbürokratisierung und Beschleunigung
des Wirtschaftswachstums für regionalpolitische Schlagzeilen
sorgt. Die Ladenöffnungszeiten in den Kurorten will er
verlängern, Biergärten sollen erst ab 23 Uhr
schließen müssen, die drei Industrie- und Handelskammern
will er fusionieren und ein neues Kohlekraftwerk bauen. Eine Wende
in der Energiepolitik? Nein, behauptete Austermann und kürzt
im gleichen Atemzug die Fördergelder für den Ausbau des
Husumer Hafens zum Umschlagplatz für große
Windrotoren.
Auch der junge Landwirtschaftsminister Christian von Boetticher,
der nicht auf dem Bauernhof, sondern bei der EU-Kommission sein
Handwerk lernte, macht eifrig von sich Reden. Den Krähen will
er durch die Änderung der Landesjagdordnung an die Federn, und
mit Trittin legt er sich wegen des Dosenpfands im
grenzüberschreitenden Verkehr mit Dänemark an.
Die SPD-Minister im Kabinett sind nach der dramatischen Abwahl
ihrer Leitfrau Heide Simonis erstaunlich schnell zur Tagesordnung
übergegangen. Lautlos arbeitet das um Kultur und Wissenschaft
amputierte Bildungsministerium. Das Reizwort "Einheitsschule", das
im Wahlkampf noch für viel Furore gesorgt hatte, scheint aus
dem Wortschatz der Sozialdemokraten gestrichen zu sein. Und auch
SPD-Kronprinz Ralf Stegner nutzt seine Mutation vom Finanz- zum
Innenminister nicht, um neue Akzente zu setzen.
Möglich, sagen Kenner der Szene, dass Carstensen nach einer
gewonnen Bundestagswahl im September, klarer Position bezieht und
selbst mehr ins politische Geschehen eingreift. Die Konstellation
einer schwarz-roten Koalition in Kiel, deren Parteien sich auf
Bundesebene einen hitzigen Wahlkampf liefern werden, erfordere
besonderes Fingerspitzengefühl. "Wir haben unseren
Koalitionsvertrag für fünf Jahre unterschrieben und
müssen die Erwartungen der Bürger jetzt erfüllen",
erklärt der Ministerpräsident ein ums andere Mal;
politisch kastriert seien die Wortführer von CDU und SPD im
Norden deshalb allerdings nicht.
Jeder falsche Ton kann die mühsam austarierte Balance
zwischen den Koalitionären gefährden. Parallelen des
Karl-May-Spektakels zur Landespolitik will Carstensen nicht
unbedingt ziehen. "Manchmal brennt es auch in der Regierung, ohne
dass das Haus gleich umfällt", spielte er auf die brennende
Felsenburg an. Im übrigen dementierte er alle Spekulationen
über einen Rückkehr an die Spree. "Ich habe genug tolle
Aufgaben, ich bleibe in Schleswig-Holstein."
Damit dürfte feststehen, dass er auch nach einem
möglichen Wahlsieg der CDU Regierungschef in Kiel bleibt.
Carstensen war im Jahr 2002 im Regierungsteam von Kanzlerkandidat
Edmund Stoiber als Landwirtschaftsminister aufgestellt.
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