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Susanne Kailitz
Hilfe für Bosnien - aber wie?
Damals ... vor zehn Jahren am 30. Juni: Der
Bundestag beschließt die Entsendung deutscher Soldaten nach
Bosnien
Wer die Fotos der Parlamentsdebatte vom 30. Juni 1995
betrachtet, der sieht bedrückte und angespannte Gesichter.
Niemand wirkt auf diesen Fotos fröhlich - denn die
Entscheidung, die die Abgeordneten an diesem Sommertag fällen
mussten, war schwer. Mit 368 zu 258 Stimmen votierten sie
schließlich für den Antrag der Bundesregierung. Damit
machten sie den Weg frei für die Entsendung von
Streitkräften der Bundeswehr nach Bosnien-Her-zegowina, wo sie
sich an der Friedenstruppe der Vereinten Nationen in einem
"Schnellen Einsatzverband" beteiligen sollten. Der Antrag der
Regierung sah vor, 1.700 bis 2.000 Soldaten zu entsenden und auch
"Tornado"-Kampfflugzeuge einzusetzen, die Entsendung von
Bodentruppen kam nicht in Frage.
Für die Abgeordneten war es wie für Außenminister
Klaus Kinkel (FDP) eine Enscheidung "von besonderer Tragweite",
deutsche Soldaten in eine Region zu schicken, in der seit Anfang
der 90er-Jahre Kriege tobten, von denen alle sechs ehemaligen
Teilrepubliken Jugoslawiens betroffen waren. Der Einsatz "United
Nations Protection Force (UNPF) war nötig geworden, weil die
Blauhelmsoldaten, seit 1992 in Jugoslawien stationiert, durch
stärker werdende Kämpfe massiv gefährdet waren.
Für keine der Bundestagsfraktionen stand in Frage, dass die
Friedenstruppen unterstützt werden mussten - nur über das
Wie war man sich uneins. Die Oppositionsfraktionen waren gegen die
Regierungspläne. Rudolf Scharping, der Vorsitzende der
SPD-Fraktion, sah Deutschland zwar in der Pflicht, "die Vereinten
Nationen bei ihrem humanitären Auftrag in Bosnien-Herzegowina"
zu unterstützen, lehnte eine Beteiligung am Mandat der
Vereinten Nationen aber ab, weil sie ihm nicht als geeignetes
Mittel zur Unterstützung galt, "ohne das Risiko einer
Eskalation einzugehen". Auch Grünen-Fraktionssprecher Joschka
Fischer sah in den Plänen der Bundesregierung eine
"grundsätzliche Revision der Außenpolitik", die er damals
noch ablehnte. Seine Kritik an einer deutschen Beteiligung am
Militäreinsatz speiste sich aus der Geschichte: "Sie tun ja
gerade so, als wäre die Bundesrepublik Deutschland seit 1949
nicht bündnisfähig gewesen, nur weil wir nicht Soldaten
in aller Welt einsetzen konnten. Wir werden doch nach wie vor
Verständnis dafür finden, dass unsere Hauptaufgabe als
Bundesrepublik Deutschland - dafür bekommen Sie eine sehr,
sehr große Mehrheit in diesem Hause - gerade jetzt, 50 Jahre
nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, die ist, zu begreifen, dass
gebranntes Kind Feuer zu scheuen hat." Schärfer formulierte es
Gregor Gysi für die PDS. In der Debatte gehe es nicht um
Jugoslawien, sondern um Deutschland. "Nach einer über
40-jährigen, eher wohltuenden internationalen
Zurückhaltung der Bundeswehr wird nach dem Vollzug der
deutschen Einheit nunmehr angestrebt, Deutschland als international
beachtete militärische Großmacht zu installieren und die
eigene Bevölkerung sowie andere Völker an den Einsatz
deutscher Soldaten zu gewöhnen."
Einwände, die der Fraktionsvorsitzende von CDU/CSU,
Wolfgang Schäuble, nicht zu teilen vermochte. Er warf der
Opposition vor, den Aufbau einer schnellen Eingreiftruppe zwar
theoretisch zu begrüßen, praktisch aber nicht zu
unterstützen. "Ist ein Begrüßen dieser schnellen
Eingreiftruppe damit vereinbar, dass wir den von uns erbetenen
Schutz verweigern?" Er fragte weiter: "Wie anders soll den Menschen
in Bosnien denn geholfen werden? Wie soll dieses Elend bei all den
Scheußlichkeiten - wie Sie gesagt haben - wenigstens gelindert
werden?" Auch für Außenminister Kinkel war die
Beteiligung am Einsatzverband eine Frage der Solidarität: "Wer
für sich beansprucht, verantwortliche Außenpolitik zu
betreiben, der darf europäisch nicht nur reden, der muss
europäisch auch handeln." Sein Parteivorsitzender Wolfgang
Gerhardt räumte ein, man mache sich die Entscheidung nicht
leicht - aber man dürfe sich den "Vorgängen nicht
länger durch Wegschauen entziehen". Sein Vorwurf: "Herr
Kollege Fischer, Sie können mit Pazifismus auf sehr hohem
Niveau zwar eine Weile arbeiten, am Ende müssen Sie sich aber
eingestehen, dass sie das Kind in Sarajevo alleinlassen, dort, wo
die Granaten einschlagen. Das will dann auch moralisch gesehen
werden."
Knapp eine Woche nach der emotionsgeladenen Debatte trafen
deutsche Soldaten in Bosnien ein. Der UNPF-Einsatz endete am 20.
Dezember 1995 mit der Übernahme der Verantwortung durch die
NATO im Rahmen der multinationalen "Implementation Force" (IFOR)
und späteren "Stabilization Force" (SFOR). Deren Aufgaben
wiederum hat im Dezember 2004 die European Union Force" (EUFOR)
übernommen.
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