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Ein Jahr nach der EU-Erweiterung ziehen Experten
positive Bilanz
Öffentliche Anhörung
Europa. Eine überwiegend positive Bilanz ziehen Experten
ein Jahr nach der EU-Erweiterung am 1. Mai 2004. Das wurde
anlässlich einer öffentlichen Anhörung im
Europaausschuss am 29. Juni deutlich.
Am Beispiel Deutschlands und Polens, so war man sich einig,
zeige sich, dass es insbesondere beim Zusammenwachsen in
kulturellen und wissenschaftlichen Bereichen Fortschritte gebe. Bei
der Betrachtung der wirtschaftlichen Situation wurden hingegen
Unterschiede deutlich. Während Bernhard Welschke vom
Bundesverband der Deutschen Industrie angesichts der gestiegenen
Exporte in die Beitrittsländer von einem "spürbaren
Beitrag zu Wachstum und Beschäftigung in Deutschland" sprach,
kritisierte Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU)
die zunehmende Verlagerung der Produktion nach Polen und
Tschechien, was in seinem Bundesland zu einem Wegfall von
Arbeitsplätzen führe.
Professorin Irena Lipowicz, Sonderbeauftragte der polnischen
Regierung für deutsch-polnische Beziehungen, erinnerte an die
vielen Ängste, die es vor der Erweiterung gegeben habe.
Tatsächlich habe es jedoch weder die befürchtete
Massenwanderung polnischer Arbeitsuchender in die alten
EU-Länder gegeben, noch habe man das Phänomen des
"Sozialtourismus" beobachten können. Für viele junge
Polen habe sich durch die Erweiterung die Motivation erhöht,
im Land zu bleiben. Dies belege auch die gestiegene Zahl der
Studenten.
Professorin Gesine Schwan, Präsidentin der Europa
Universität Frankfurt/Oder, schilderte Erfahrungen aus ihrem
Tätigkeitsbereich im Grenzgebiet zum polnischen Slubice. Die
Aufnahme Polens habe in der lokalen Bevölkerung zu einer neuen
Einstellung dem Nachbarland gegenüber geführt. Es gehe
nun nicht mehr um das "Ob" einer Erweiterung, sondern um eine
sinnvolle und für beide Seiten befriedigende Gestaltung des
vollzogenen Zusammenschlusses.
Der 1. Mai 2004 sei lediglich ein historisches Datum, so betonte
der Leiter des ungarischen Weltwirtschaftsforschungsinstitutes,
Professor Andras Inotai. Die Erweiterung habe schon viel
früher angefangen und sei eine langwierige Entwicklung. Er
warnte davor, alle derzeitigen wirtschaftlichen Probleme der
Erweiterung anzulasten. Eine Vielzahl davon habe sich durch globale
Herausforderungen und Fehler in der nationalen Wirtschaftpolitik
ergeben. Ein Jahr nach der Erweiterung könne man feststellen:
Es gab keine Katastrophen, aber auch keine positiven Wunder, so
Inotai.
Es gebe Positives und Negatives zu benennen, sagte
Ministerpräsident Milbradt. Das kulturelle Zusammenwachsen
erfolge gut, der wissenschaftliche Austausch sei in vollem Gange.
Dennoch dürfe man die Augen vor Problemen nicht
verschließen. Neben dem steigenden regionalen
Handelsbilanzdefizit und dem damit verbundenen Verlust von
Arbeitsplätzen gebe es auch erhebliche Probleme bei der
Infrastruktur. Durch den Wegfall der Zollkontrollen habe der
Verkehr schlagartig zugenommen. Gebraucht werde daher ein
Sonderprogramm "Verkehrsprojekt EU-Erweiterung", so Milbradt.
Aus Sicht von Professor Egon Görgens von der
Universität Bayreuth wäre die ohnehin schon stockende
gesamtwirtschaftliche Entwicklung Deutschlands ohne die Erweiterung
noch schlechter ausgefallen, da deutsche Unternehmen die
verbesserten Exportmöglichkeiten erfolgreich nutzten.
"Deutschland profitiert von der EU-Erweiterung", sagte der
Präsident des Bundesumweltamtes in Berlin, Professor Andreas
Troge. Die Umweltsituation in den Grenzgebieten habe sich
wesentlich verbessert. Außerdem lasse die Einführung der
EU-Umweltstandards die Nachfrage nach fortschrittlicher
Umwelttechnik steigen, wovon deutsche Unternehmen profitieren
könnten, konstatierte Troge.
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