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Martin Wagener
Von der Jagd auf ein Phantom
Zwischen Hysterie und Ignoranz: Warum der Umgang
mit dem Thema Terrorismus so schwierig ist
Es ist zu einer Art Ritual geworden, dass
Politiker in Reden über aktuelle sicherheitspolitische
Herausforderungen den Terrorismus an vorderster Stelle
erwähnen. Nur vordergründig lässt sich dies mit der
Wirkung spektakulärer Bilder und hoher Opferzahlen
erklären, wie sie in nie gekanntem Maße am 11. September
2001 in New York und Washington D.C. zu verzeichnen waren. Der
Kampf gegen den Terrorismus ist in den vergangenen Jahren vielmehr
zu einer neuen Kompassnadel geworden, die dem Westen nach dem
Untergang der Sowjetunion und damit des Feindbildes verloren
gegangen war.
Allen transatlantischen Gegensätzen zum
Trotz sind sich die Verantwortlichen, ob im Weißen Haus oder
an der Spree, bewusst, dass sie einen international operierenden
Gegner nur gemeinsam bekämpfen können. Von Al Qaida und
ähnlichen Gruppierungen geht damit nicht nur eine Bedrohung
aus, sondern ihnen kommt de facto - Ironie des Grauens - auch eine
politisch-integrative Funktion zu.
Das Thema "Terrorismus" ist folgerichtig ganz
oben auf den Agenden vor allem westlicher Regierungen sowie von
Vertretern aus Medien und Wissenschaft. Der aufgeschreckte
Bürger verlangt nach Erklärungen, will wissen, wie
groß die beschriebene Gefahr tatsächlich ist.
Insbesondere den politischen Entscheidungsträgern ist in
dieser Situation schnell bewusst geworden, dass sie den Gegner
konkretisieren, ihn sichtbar machen müssen, um die Zustimmung
des Wählers für politische Maßnahmen zu erhalten.
Eine Tageszeitung lässt sich zudem besser verkaufen, wenn in
ihren Artikeln nicht nur Spekulationen erfolgen, sondern Ross und
Reiter genannt werden.
Im Falle der Auseinandersetzung mit dem
internationalen Terrorismus besteht jedoch genau an diesem Punkt
die Gefahr, Unwahrheiten zu produzieren. Immer wieder lassen sich
Journalisten direkt nach Anschlägen in entfernten Regionen zu
der Bewertung hinreißen, dass hinter der Tat die Al Qaida zu
vermuten sei. Ferndiagnosen erfolgen, bevor die Polizei vor Ort die
Ermittlungen aufgenommen hat. Tauchen Videos irakischer
Widerstandskämpfer auf, spekulieren Nachrichtensender schon
reflexhaft darüber, ob einer der Vermummten nicht der
mutmaßliche Vertreter Osama Bin Ladens im Irak, Abu Musab
al-Zarqawi, sein könnte.
Das Ergebnis journalistischer Recherchen ist
dann nicht mehr als ein Sammelsurium von Vermutungen, das
Faktizität durch mutig formulierte Aussagesätze
vorzutäuschen versucht. Eine solche Berichterstattung hat
langfristig die Wirkung, dass der Bürger nicht mehr zwischen
Dichtung und Wahrheit unterscheiden kann. Als das amerikanische
Meinungsforschungsinstitut Gallup im Februar 2003 eine Umfrage
durchführte, waren 39 Prozent der befragten Amerikaner
überzeugt, dass Saddam Hussein direkte Verbindungen zur Al
Qaida unterhalte, weitere 48 Prozent hielten dies für
wahrscheinlich - eine Vermutung, die nie bestätigt werden
konnte. Der Bush-Administration fiel es in diesem Meinungsklima
weitaus leichter, die bekannten Rechtfertigungsmuster für den
Beginn des Irak-Krieges anzuführen. Unwissen, heute ein
Nebenprodukt der Spaß- und Wohlstandsgesellschaft, wurde zwar
schon immer von den Herrschenden ganz vortrefflich
instrumentalisiert. Viele Bürger scheinen gegenwärtig
aber die möglichen Konsequenzen politischer Apathie, die wie
ein Bumerang wirken kann, zu ignorieren. So fanden sich nicht
wenige amerikanische Reservisten, die in ihrer Freizeit einst in
die virtuelle Welt der Playstation geflüchtet waren,
plötzlich in der schrecklichen Realität an Euphrat und
Tigris wieder.
Es liegt in der Natur der Sache, dass das
Innenleben verdeckt operierender terroristischer Organisationen nur
schwer inhaltlich zu erfassen ist. Voraussetzung für bessere
Einblicke wäre ein hohes Maß an Insiderwissen, an das
auch Geheimdienste nur mit Mühe gelangen. Terrorismusforschung
wird damit zur Jagd auf das Phantom, die mehrere Hindernisse zu
überwinden hat. Dazu gehören der Umgang mit einer
äußerst unsicheren Quellenlage und die Enttarnung von
Versuchen der Diskurssteuerung durch Regierungen, etwa mittels
unscharfer Termini. Hinzu kommt die Neigung vieler Menschen, der
Herausforderung des Terrorismus entweder mit Ignoranz oder Hysterie
zu begegnen, wodurch die Beachtung nüchterner Sachanalysen
erschwert wird.
Das Gros der über terroristische
Organisationen veröffentlichten Informationen entstammt
Verhören, die von Mitgliedern polizeilicher sowie
geheimdienstlicher Behörden durchgeführt werden.
Mitschriften oder Auszüge dieser Protokolle sind in der
Vergangenheit immer wieder an die Presse gelangt und
veröffentlicht worden. Bereits an diesem Punkt ist die erste
kritische Frage zu stellen: Wer gibt welche Information warum
weiter? Zu vermuten ist, dass offizielle Stellen
regelmäßig ganz gezielt zu solchen Indiskretionen
greifen, um die Politik der Regierung zu stützen. Dabei bleibt
jedoch fraglich, ob die publizierten Verhörprotokolle auch
tatsächlich dem entsprechen, was der Inhaftierte gesagt hat,
oder ob sie gezielt verfälscht worden sind.
Am 13. Oktober 2003 veröffentlichte
"Time" exklusiv Ergebnisse der Befragung von Riduan Isamuddin alias
Hambali, der sich in US-Gewahrsam befindet. Bis zu seiner
Verhaftung am vorhergehenden 11. August galt er als der
meistgesuchte Terrorist des asiatisch-pazifischen Raums, der
vermutlich die kooperative Schnittstelle zwischen der Al Qaida und
der Jemaah Islamiyah, einer Terrororganisation in Südostasien,
bildete. Der "Time"-Bericht hat das Bild von Hambali
maßgeblich beeinflusst, obwohl seine Inhalte bis heute nicht
überprüfbar sind. Es ist zwar zweifellos ebenso legitim
wie notwendig, Berichte der CIA zu verwerten. Wichtig ist aber, die
dergestalt gewonnenen Erkenntnisse kritisch zu hinterfragen und
richtig einzuordnen. Wenngleich der Beitrag der "Time" ausgewogen
erscheint, sind dessen Inhalte in mehreren Tageszeitungen doch arg
verkürzt und dadurch sinnentstellend wiedergegeben
worden.
Fraglich ist zudem, ob derartige
Top-Terroristen - wie stark sie auch immer unter Druck gesetzt
werden - überhaupt die Wahrheit sagen. Es wäre durchaus
plausibel, dass sie im Rahmen ihrer Ausbildung auf
Verhörsituationen vorbereitet worden sind und Methoden der
Desinformation anzuwenden wissen. "Time" hält dies mit Blick
auf die Aussagen des verhörten Hambalis für möglich.
Zweifelhaft ist auch, auf welchem Weg die Informationen erlangt
wurden. Nicht nur amnesty international berichtet
regelmäßig darüber, dass Polizisten zum Instrument
der Folter greifen, um Geständnisse zu erzwingen. Das
amerikanische Außenministerium bestätigte jüngst
wieder zahlreiche dieser Berichte. In den "Country Reports on Human
Rights Practices", die am 28. Februar 2005 veröffentlicht
worden sind, werden unter anderem den Sicherheitsbehörden der
Philippinen und Indonesiens systematische Folter
vorgeworfen.
Während es insoweit eine ganze
Fülle von Dossiers gibt, mangelt es an seriösen Analysen
zu regionalen Terrorismus-Phänomenen. Wer sich zum Beispiel
mit der Jemaah Islamiyah beschäftigt, kommt an drei Autoren
nicht vorbei: Zachary Abuza (Simmons College, Boston), Rohan
Gunaratna (Institute of Defence and Strategic Studies, Singapur)
und Sidney Jones (International Crisis Group, Brüssel). Alle
drei zeichnen sich dadurch aus, zur Abfassung ihrer Untersuchungen
vor Ort umfassende Interviews zu führen. Sie haben damit zwar
maßgeblich zum Erkenntnisgewinn beigetragen. Gleichzeitig ist
es diesem kleinen Personenkreis aber auch gelungen, die
Deutungshoheit über die Jemaah Islamiyah zu erlangen. Die
Konsequenz ist, dass sich Fehlinterpretationen nach dem
Schneeballprinzip verbreiten, wenn sich Abuza, Gunaratna und Jones
irren.
Der Wissenschaftler ist vor diesem
Hintergrund nicht nur zu einer komplizierten Puzzlearbeit
gezwungen, sondern er bewegt sich dabei ganz grundsätzlich auf
äußerst dünnem Eis. Nur wenige Fragen lassen sich
eindeutig beantworten. So ist zum Beispiel völlig offen,
über welche numerische Stärke die Jemaah Islamiyah
derzeit verfügt. Vermutet wird, dass es mehrere hundert
Mitglieder sind. Worauf jedoch das International Institute for
Strategic Studies seine im Oktober 2004 veröffentlichte
Schätzung von "500+X" stützt, bleibt offen.
Als spiritueller Führer dieser
Gruppierung gilt gemeinhin der in Indonesien inhaftierte Prediger
Abubakar Baasyir. Er selbst leugnet hingegen die Existenz dieser
Gruppe. Auch wenn vieles dafür spricht, dass er bis zu seiner
Verhaftung im Oktober 2002 eine der zentralen Führungsfiguren
der Jemaah Islamiyah war, konnte bislang kein eindeutiger Nachweis
erbracht werden. Anhänger Baasyirs geben auf Nachfragen, woher
sie wüssten, dass er der Kopf dieser Gruppierung sei, immer
wieder an, dass sie dies "gehört hätten". In der
Literatur verselbständigt sich derartiges Hörensagen
schnell zum unhinterfragten Faktum.
Besonders problematisch ist die Beschreibung
von Führungsstrukturen. Auch hier lassen sich zwar Puzzleteile
finden. Unglaubwürdig wird es jedoch dort, wo Autoren ein fest
umrissenes und geschlossenes Bild einer Organisationen zu entwerfen
versuchen, das faktisch nicht mehr als ein skizzenhafter Idealtypus
sein kann. Die Natur des Gegenstandes hat zur Folge, dass nur ein
Bruchteil der real existierenden Informationen an die
Oberfläche gelangt. Demnach ist es unmöglich, Aussagen zu
formulieren, die dem Gegenstand an sich wirklich gerecht werden
können. Einige Wissenschaftler versuchen, dieses Defizit
dadurch zu kompensieren, dass sie informelle Geheimdienstquellen
zitieren, die sie sich im Laufe der Jahre erarbeitet haben. Selbst
wenn die so gewonnene Information vollständig der Wahrheit
entspricht, ist sie für alle übrigen Wissenschaftler im
Sinne der Intersubjektivität nicht nachvollziehbar und damit
von begrenztem Wert.
Belege sind aber auch an anderer Stelle
zweifelhaft: Wird etwa die Behauptung, dass die Organisation X
für die Tat Y verantwortlich sei, durch Verweis auf fünf
Quellen belegt, erscheint dies oberflächlich als
überzeugender Beweis. Verwenden jedoch alle fünf Autoren
selbige Ursprungsquelle, schmilzt die Zahl der Kronzeugen schnell
dahin.
Die schlechte Informationslage ist aber nur
eines der Probleme bei der Erforschung terroristischer
Organisationen. Hinzu kommt, dass sich bislang weder die
Wissenschaft noch die Staatenwelt auf eine allgemein anerkannte
Terrorismus-Definition einigen konnten. Schlimmer noch: Ersatzweise
arbeiten viele Regierungen mit unsauberen Begrifflichkeiten und
erklären je nach politischem Kalkül auch Guerilleros oder
Banditen zu Terroristen.
Dies gilt nicht nur für Russland
(Tschetschenien) und China (Xinjiang), sondern auch für die
USA.
Die Debatte wird dadurch insofern
kompliziert, als Teile der Medien oberflächliche Bewertungen
unreflektiert übernehmen. Zu Beginn der Beschäftigung mit
einer neuen substaatlichen Gewaltformation steht der
Wissenschaftler somit vor der Herausforderung, zwischen sachlichen
und politischen Einschätzungen zu differenzieren.
Ein besonders augenscheinliches Beispiel
begrifflicher Unschärfe ist die vom amerikanischen
Außenministerium geführte Liste der Foreign Terrorist
Organizations (FTOs), die zuletzt am 23. März 2005
aktualisiert worden ist. Die Terrorismus-Definition hat gleich
mehrere Schwächen. Das Gros der "Legal Criteria for
Designation" erscheint zwar unproblematisch. Eine Gruppierung
müsse, um zur FTO erklärt werden zu können, eine
"foreign organization" sein, sich in "terrorist activity" oder
"terrorism" engagieren und die Sicherheit amerikanischer
Bürger bedrohen.
Bedenklich ist jedoch jenes Kriterium, das
eine Art inhaltliche Öffnungsklausel darstellt: Soweit kein
faktisches Tun feststellbar sei, reiche bereits "the capability and
intent to engage in terrorist activity or terrorism" aus, um etwa
eine Widerstandsbewegung als terroristische Organisation zu
brandmarken. Die inhaltliche Bestimmung des Terminus "terrorist
activity" ist zudem derart weit gehalten, dass sie typische Formen
der Gewaltanwendung von Aufständischen und Banditen ebenfalls
erfasst. So werden unter anderem Sabotageakte gegen
Transportmittel, Entführungen mit anschließender
Erpressung oder Attentate zu terroristischen Aktivitäten
gezählt.
Vor diesem Hintergrund ist es nicht
verwunderlich, dass das Etikett "Terrorist" derart oft am Potomac
verliehen wird. Die Bewertung muss nicht zwingend vor dem
Hintergrund einer systematisch aufgefächerten Typologie
erfolgen, da bereits die Identifikation von "any activity"
ausreicht. Damit wird darauf verzichtet, zwei wesentliche Dinge
voneinander zu unterscheiden: Ist die ins Visier genommene Gruppe
im Kern als terroristisch zu bezeichnen? Oder bedient sie sich
lediglich regelmäßig terroristischer Methoden, wird im
Schwerpunkt ihrer Tätigkeit mehrheitlich aber den Kriterien
von Aufständischen oder Banditen gerecht? Weil diese
Differenzierung nicht vorgenommen wird, finden sich beispielsweise
auch die Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) auf der FTO-Liste.
Diese wenden zweifellos terroristische Methoden an. Da sie aber
weite Teile des Nordostens Sri Lankas kontrollieren und über
geschätzte 7.000 Kämpfer verfügen, stellen sie im
Schwerpunkt Aufständische dar.
Im April 2005 sind vom
US-Außenministerium zudem die "Country Reports on Terrorism
2004" veröffentlicht worden. Auch die dort zu findende
Terrorismus-Definition, die von der amerikanischen Regierung
bereits seit 1983 verwendet wird, ist problematisch, da sie ein
strukturell umfassendes Phänomen mit einem Satz zu klären
versucht: "(...) the term ,terrorism' means premeditated,
politically motivated violence perpetrated against noncombatant
targets by subnational groups or clandestine agents." Zu den
Nichtkombattanten werden auch jene Soldaten gezählt, "who are
not deployed in a war zone or a war-like setting". Demnach
wäre der Jordanier Abu Musab al-Zarqawi kein Terrorist,
sondern Anführer eines Guerillaverbandes, soweit er
Anschläge gegen amerikanische Soldaten im Irak innerhalb der
Kampfzonen durchführt. Al-Zarqawi war vom
US-Außenministerium am 19. September 2003 jedoch zum
Terroristen erklärt worden.
Die amerikanische Terrorismus-Terminologie
ist des Weiteren nicht nur unscharf, sondern auch unhistorisch.
Bereits ein flüchtiger Blick in die Geschichte des Zweiten
Weltkrieges würde den Verantwortlichen im Weißen Haus
zeigen, dass unter Verwendung ihrer Begrifflichkeit der Widerstand
gegen die nationalsozialistische Vorherrschaft in Europa neu
bewertet werden müsste - mit geradezu grotesken Ergebnissen.
Jeder gegen Transportmittel der Wehrmacht in Frankreich
durchgeführte Gewaltakt wäre demnach von
französischen Terroristen (und nicht von Partisanen!)
verübt worden, wenn sich die deutschen Soldaten zum Zeitpunkt
des Anschlages auf dem Weg in den Fronturlaub befanden. Das gegen
Reinhard Heydrich am 27. Mai 1942 verübte Attentat, dem der
"Stellvertretende Reichsprotektor" von Böhmen und Mähren
wenige Tage später erlag, wäre aus dieser Sicht ebenfalls
ein terroristischer Akt gewesen - und nicht eine Form des
politischen Widerstandes der unterdrückten tschechischen
Bevölkerung.
Die Terrorismus-Forschung wird
schließlich dadurch erschwert, dass sie in einem Umfeld
radikalisierter Vorstellungswelten zu agieren hat. Seriöse,
sachliche und vor allem unspektakuläre Ergebnisse passen dann
nicht immer in die aktuell dominierende Bedrohungsperzeption von
Bürgern und ihren Entscheidungsträgern. Vor dem 11.
September 2001 waren größere terroristische
Anschläge undenkbar. Spielfilme wie der 1995 in den USA
abgedrehte Actionstreifen "Einsame Entscheidung", in dem radikale
Muslime ein Flugzeug kapern und in Washington D.C. zum Absturz
bringen wollen, wurden bezüglich ihres Realitätsgehaltes
in das Reich der Phantasie verbannt. Dass Terroristen eines Tages
in der Lage sein könnten, Anschläge mit biologischen,
chemischen oder atomaren Waffen durchzuführen, wurde meist nur
in Expertenkreisen für möglich gehalten.
Unmittelbar nach den Anschlägen von New
York und Washington D.C. konnten die Schreckensszenarien dann gar
nicht schlimm genug sein. Befragte Bürger gaben vor laufenden
Kameras zu verstehen, dass sie sogar einen Dritten Weltkrieg
für möglich halten würden. Der erste
ABC-Waffenanschlag seit dem Saringas-Angriff der Aum-Sekte auf die
Tokioter U-Bahn 1995 schien nur noch eine Frage der Zeit. Dass die
Durchführung einer solchen Tat an zahlreiche Voraussetzungen
gebunden ist, wurde dabei geflissentlich übersehen. Ist der
Attentäter nicht zum Selbstmord bereit, muss er den Einsatz
etwa eines biologischen Kampfstoffes derart gestalten, dass er sich
nicht selbst infiziert. Zuvor muss er in der Lage gewesen sein, die
Krankheitserreger zu beschaffen und fachgerecht aufzubereiten.
Während des Einsatzes ist dann darauf zu achten, dass der
Kampfstoff nicht durch äußere Einflüsse
neutralisiert oder schlicht durch eine Windböe ins Nirgendwo
geweht wird.
Was bleibt? Solange Zeitschriften mit
spektakulären Bildern und Überschriften ihren Absatz
steigern können, ist nicht zu erwarten, dass sich die oftmals
oberflächliche Berichterstattung über terroristische
Gruppen ändert. Sprache wurde von Politikern bereits vor der
Welt des "9/11" instrumentalisiert. Und über unausgegorene
Bedrohungsgefühle der Bevölkerung klagen Wissenschaftler
auch nicht zum ersten Mal. Es wäre schon viel gewonnen, wenn
der Beobachter gegenüber vermeintlichen Wahrheiten etwas mehr
Misstrauen entwickelt. Dies gilt natürlich grundsätzlich
für alles, was Politiker, Wissenschaftler oder Journalisten
von sich geben. Untersuchungen zum Terrorismus sind aber insofern
ein Sonderfall, als die verifizierte Faktenlage
überdurchschnittlich gering ist.
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