|
![](../../../layout_images/leer.gif) |
Cornelia Alban
Welt des Wissens
Die Google-Gesellschaft
Der Name der Suchmaschine Google leitet sich vom Wort Googol ab,
einer Zahl mit 100 Nullen. Dies dimensioniert die Aufgabe des
Suchriesens, die schier unglaubliche Menge an Informationen im Web
und auf der "ganzen Welt zu bündeln und zugänglich zu
machen", so das Google-Selbstverständnis. Das Zahlenwerk ist
beeindruckend, auch wenn die 100 Nullen noch längst nicht
erreicht sind. 36 Millionen Bundesbürger verfügen
über einen Internetanschluss; 90 Prozent der Gymnasiasten und
74 Prozent aller Hauptschüler versorgen sich mit Informationen
aus dem Internet. Der Anteil der Google-Sucher liegt bundesweit
über 80 Prozent.
Seit Sergey Brin und Larry Page die Firma 1998 gründeten,
wurden mehr als acht Milliarden Webseiten und 1,3 Milliarden Bilder
katalogisiert. Der Aktienwert des Unternehmens hat sich seit dem
Börsengang im vergangenen Jahr mehr als verdreifacht, 3.000
Googlianer zählt die Belegschaft. Ist die Erfolgsgeschichte
rasant, scheint die Mission langfristig: "Nach derzeitigen
Schätzungen wird es 300 Jahre dauern, alle Informationen der
Welt zu organisieren", meint Google-Chef Eric Schmidt.
Und Google ist dabei. Mit dem qualitativen Wandel des digitalen
Wissens beschäftigen sich die meisten der rund 50
Beiträge des Sammelbandes. Es wird hinterfragt, ob wir auf ein
Wissensparadies hinsteuern oder uns eher in einer informationellen
Sackgasse bewegen. Patchwork- oder Weltwissen, Monopolisierung des
Wissens oder Informationsfreiheit, Anarchie oder Demokratie,
Fiktion oder Fakten, Chaos oder Ordnung, - zwischen diesen Polen
suchen die Autoren nach einer Antwort. Zwei Entwicklungslinien sind
markant, "die Trennung von privat und öffentlich entfällt
weitgehend", und es entsteht eine "Netzöffentlichkeit, in der
die Grenze zwischen Rezipient und Produzent völlig aufgehoben
wird".
Offenes Wissenslexikon
Als Modell für diese Veränderung gilt die
Online-Enzyklopädie "Wikipedia.org". Es handelt sich um ein
selbst organisiertes und für Mitarbeit offenes Wissenslexikon.
Die deutschsprachige Wikipedia-Version verfügte Ende 2004
über 186.000 Artikel und 2.500 aktive Mitarbeiter. Der
Unterschied zu traditionellen Lexika besteht im Fehlen einer
Redaktion. Stattdessen entscheiden die Nutzer, welche Artikel sie
schreiben oder einstellen wollen. "Dass diese neue kollektive
Wissensarbeit nicht zu Lasten der Qualität gehen muss, zeigen
die Analysen, die die Computerzeitschrift ,c?t' und die
Wochenzeitung ,Die Zeit' Ende 2004 unabhängig voneinander
vornahmen: Wikipedia-Artikel stehen denen von Brockhaus und Encarta
qualitativ in nichts nach."
Ein weitere Chance, vom Nachfrager zum Anbieter zu werden,
eröffnet die Plattform "Indymedia.org". Das Nachrichtenportal
entstand 1999 im Rahmen der Proteste gegen das WTO-Treffen in
Seattle. "Zum ersten Mal vernetzten sich politische Aktivisten, um
über ein zentrales Ereignis zu berichten." Die
deutschsprachige Seite wird täglich zwischen 10.000 und 15.000
Mal besucht. Medienkonsumenten sollen hier zu Medienproduzenten
werden. Die Berichterstattung von unten ist basisdemokratisch
organisiert, weist auf Lücken in der offiziellen
Berichterstattung hin und bildet so ein Terrain für
Gegenöffentlichkeit.
Neben einer Fülle von Informationen und Wissenswertem, etwa
wie Google blitzschnell zu Treffern kommt, dem Rankingverfahren,
zieht der Band einen Querschnitt durch fast alle Bereiche des
Online-Lebens. Von Online-Forschung, Online-Beratung, Lern- und
Lebenswelten im Internet, Chats und Weblogs, Herstellen von
Gegenöffentlichkeit, dem Schwund von Wissen und Chancen der
Archivierung, Kunst und Kommerz ist fast alles dabei, was auch
unerfahrene Googler nicht überfordert.
Allerdings: "Je nach Mentalität wird der Neuling tage- und
Wochenlang von einem Link zum anderen springen, diesem oder jenem
Menschen über E-Mail begegnen und manches Neue in dieser Welt
finden, in der alles im Unterschied zur wirklichen Welt
erstaunlicherweise gleich weit entfernt ist."
Das ist die Stärke des Buches: statt 13.900 Treffern in
0,15 Sekunden - diese Quote erntet der Titel bei Google - setzt es
auf Beschränkung. Es vermittelt zu bewältigendes Wissen,
öffnet digitale Welten. Die Beiträge sind pointiert, gut
recherchiert, die digitalen Verweise knapp gehalten. Und die
Autoren bleiben auf der Suche mit und ohne Google.
Kai Lehmann, Michael Schetsche (Hrsg.)
Die Google-Gesellschaft.
Vom digitalen Wandel des Wissens.
transcript Verlag, Bielefeld 2005; 410 S., 26,80 Euro
Zurück zur
Übersicht
|