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Christian Hacke
Eine Weltmacht ohne jedes Waffenarsenal
Isaiah Berlins großes Buch über die
Wurzeln der Romantik
Ursprünglich hatte Isaiah Berlin ein großes Werk
über die Romantik ins Auge gefasst, konnte dies jedoch aus
vielerlei Gründen nicht verwirklichen. Der vorliegende Band
über die Wurzeln der Romantik ist keine eigenständige
Monografie, sondern basiert auf einer Vorlesungsreihe von 1965. Wie
interpretiert Berlin die Romantik? Er sieht sie als zentralen
Wendepunkt der modernen Geistesgeschichte, auch unter
revolutionären Implikationen, die Berlin am Beispiel
romantischer Gestalten wie Karl Moor aus Friedrich Schillers
"Räuber" darzustellen weiß.
Das Aufkommen der romantischen Strömung im späten 18.
Jahrhundert deutet Berlin als eine Reaktion auf die
Aufklärung, wobei er vor allem deutsche Denker wie Herder,
Kant, Schiller, Fichte, Schelling und Schlegel ins Zentrum
rückt. Es geht Berlin im Kern um die deutsche Romantik. So
überrascht es nicht, dass Berlin intensiv den Geniekult in der
Kunst beschreibt und unter starker Betonung von romantischer
Subjektivität so gegensätzliche Phänomene wie
Sensibilität, Toleranz und Liberalität auf der einen
Seite als Teil einer "romantischen Wirkungsgeschichte" darlegt,
aber auch als "unromantische" Wirkung der Romantik auf Faschismus
und Nationalismus darzulegen weiß.
Für ihn heißt Romantik vor allem Bruch mit der
traditionellen Vorstellung von Tugend als Erkenntnis und eine neue
Pluralität der Werte: "Der Romantik letzter Schluss ist
Liberalität, Toleranz, Anständigkeit und die Anerkennung
aller Unvollkommenheit des Lebens."
Interpretiert Berlin die Romantiker antirationaler, als sie
waren? Vernachlässigt er die rationalen Momente der Romantik?
Ein eindeutiges Urteil fällt schwer. Wer jedoch die Romantik
unter ideengeschichtlichen, politischen und ästhetischen
Gesichtspunkten verstehen will, kommt an dieser höchst
lesenswerten Interpretation nicht vorbei, denn sie
vergegenwärtigt dem Leser, dass diese Epoche eine der
bedeutendsten und folgenreichsten der europäischen
Geistesgeschichte gewesen ist, deren Wirkungen bis ins 21.
Jahrhundert hineinreichen: "Der Romantik verdanken wir auch die
Überzeugung, dass in menschlichen Belangen eine
Einheitsantwort höchstwahrscheinlich von Schaden ist. Wir
verdanken der Romantik die Vorstellung von der Freiheit des
Künstlers und auch die Einsicht, dass man weder dem
Künstler noch dem Menschen im Allgemeinen durch allzu
vereinfachende Ansichten gerecht wird, wie sie im 18. Jahrhundert
vorherrschten."
Isaiah Berlin
Die Wurzeln der Romantik.
Berlin Verlag, Berlin 2004; 272 S.,19,90 Euro
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