|
|
vom
Fehler auf unterster Arbeitsebene
Otto Schily letzter Zeuge des
Untersuchungsausschusses
Bundestagsnachrichten. Mit der über
15-stündigen Vernehmung von Bundesinnenminister Otto Schily
(SPD) am 15. Juli hat der 2. Untersuchungsausschuss zur
Visa-Affäre seine Zeugenvernehmungen abgeschlossen. Der
Ausschuss will dem Bundestag seinen Abschlussbericht am 7.
September vorlegen. Ein gutes halbes Jahr hat sich das Gremium seit
seiner Einsetzung am 17. Dezember 2004 unter Vorsitz von Hans-Peter
Uhl (CDU/CSU) mit der Frage befasst, ob die Visa-Politik der
Bundesregierung Schwarzarbeit, illegale Einwanderung und
Zwangsprostitution erleichtert oder gefördert hat.
Der Minister arbeitete in seinem mehr als
fünfstündigen Eingangsvortrag die unterschiedlichen
Zuständigkeiten, Sichtweisen und auch Traditionen seines
Ministeriums und auch des Auswärtigen Amt heraus. Er verteilte
gelegentlich Rügen, räumte Reibungen zwischen beiden
Häusern ein, vermied es aber, sich in der Visa-Politik als ein
Gegenpol seines "Freundes" Fischer darzustellen.
Im Mittelpunkt stand zunächst einmal
mehr der so genannte Volmer-Erlass des Auswärtigen Amtes vom
3. März 2000, benannt nach dem früheren Staatsminister
Ludger Volmer. Danach sollte bei der Ausstellung von Visa "im
Zweifel für die Reisefreiheit" entschieden werden. Visa seien
nur dann zu versagen, wenn es begründete Zweifel am
angegebenen Reisezweck und an der zugesagten
Rückkehrwilligkeit der Antragsteller gebe. Der Volmer-Erlass
habe nicht zu einem markanten Anstieg der Zahl der an der Deutschen
Botschaft in Kiew erteilten Visa geführt, sagte Schily. So sei
die Zahl der zwischen 1999 und 2001 erteilten Visa zwar um 42
Prozent gestiegen, doch habe es bereits zwischen 1997 und 1999
einen Anstieg um 37 Prozent gegeben. Gleich zu Beginn verdeutlichte
Schily, dass das Bundesinnenministerium für die Praxis der
Visa-Erteilung nicht zuständig ist, sondern dass dies
ausschließliche Aufgabe des Auswärtigen Amtes und seiner
Auslandsvertretungen sei. Allerdings seien einige Mitarbeiter
seines Ministeriums auf der "untersten Arbeitsebene" in einigen
Fällen ohne sein Wissen zur "Mitzeichnung" von Erlassen des
Auswärtigen Amtes "verleitet" worden, ohne dafür eine
Zuständigkeit zu besitzen. Es habe sich dabei um
Angewohnheiten einiger weniger Referenten gehandelt, die sich
bereits vor 1998 eingeschlichen hätten und unter anderem auf
Übereifer und Zuständigkeitsüberschreitung
zurückzuführen gewesen seien.
An der Ausarbeitung des Volmer-Erlasses ist
das Innenministerium nach Aussage des Ministers nicht beteiligt
gewesen. Der Erlass stehe in der Tradition der Politik des
Auswärtigen Amtes. Schon 1994, zur Zeit der Regierung Kohl,
sei der Grundsatz "Im Zweifel für den Antragsteller"
ausgegeben worden. Nur bei begründeten Zweifeln am Reisezweck
und an der Rück-kehrbereitschaft der Antragsteller sollten
Visa versagt werden. Es sei das Ziel gewesen, den Reise- und
Besucherverkehr zu fördern. In Kiew, so der Minister weiter,
sei mit 298.000 erteilten Visa im Jahr 2001 ein Höchststand
erreicht worden, 2003 seien es nur noch 135.000 Visa gewesen. Der
Anteil abgelehnter Visa-Anträge sei von einem Prozent 1998 auf
16,6 Prozent im Jahr 2003 angestiegen.
Allerdings hat das Bundesinnenministerium hat
nach Darstellung Schilys "Klarstellungen" im Volmer-Erlass
gefordert. So sei beanstandet worden, dass ein Visum nur bei
fehlender hinreichender Rückkehrbereitschaft des
Antragstellers versagt werden soll. Auch sei darauf hingewiesen
worden, dass die harmonisierte Praxis in der EU eingehalten werden
müsse. Er selbst habe deswegen in dieser Sache einen
"geharnischten Brief" an Außenminister Fischer geschrieben.
Dann habe er sich mit seinem Amtskollegen aber darauf geeinigt, das
Bundeskabinett nicht mit der Angelegenheit zu befassen, sondern sie
auf Staatssekretärsebene klären zu lassen. Das
Außenministerium sei aber nur zur Erläuterung des
Erlasses, nicht zu einer Beteiligung des Innenministeriums bereit
gewesen und habe schließlich schriftlich bestätigt, dass
das deutsche Ausländerrecht und die Regularien der
Schengen-Vertragsstaaten "unverrückbarer Rahmen" der
Visa-Praxis seien. Der "versteckte Dissens" zwischen den beiden
Ministerien sei damit aber nicht ausgeräumt
gewesen.
Schily kritisierte im Übrigen das
Informationsverhalten des Auswärtigen Amtes. Sein Ministerium
sei nur vereinzelt über Erlasse zur Visa-Praxis und nicht
über Motive und Hintergründe bei der Abfassung solcher
Erlasse informiert worden.
Zurück zur Übersicht
|