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Katja Irle
Eine Königin ohne Land
Bildungsministerin Bulmahn leitet ein
Schüsselressort
Das Ministerranking des Deutschen Hochschulverbands (DHV) war
nicht gerade schmeichelhaft für eine, die seit fast sieben
Jahren die deutsche Bildungs- und Forschungspolitik zu verantworten
hat. Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) landete auf
dem viertletzten Platz mit einer Benotung von 4,6. Hinter ihr trug
Berlins Bildungssenator Thomas Flierl (PDS) die rote Laterne. Am
besten schnitt noch der rheinland-pfälzische Bildungsminister
und Bulmahns Parteifreund Jürgen Zöllner ab - mit einer
"Bestnote" von 3,4.
Die Bewertung war freilich alles andere als repräsentativ,
zumal der DHV, Berufsvertretung der Uni-Professoren und des
wissenschaftlichen Nachwuchses, nicht gerade zu den
Bulmahn-freundlichsten Organisationen zählt. Doch das Ranking
zeigt, dass die 54-jährige Ministerin mit ihrer bisherigen
Politik bei vielen Professoren Unmut, bei Nachwuchsforschern
Unsicherheit ausgelöst hat.
Vor allem mit der Dienstrechtsreform und der Einführung der
Juniorprofessur rüttelte die Chefin des Bundesministeriums
für Bildung und Forschung (BMBF) an alten Strukturen und lieb
gewordenen Privilegien, von denen sich viele Hochschulmitarbeiter
nur ungern verabschieden wollen - etwa von der Besoldung ohne
Leistungsüberprüfung oder von der traditionsreichen
Habilitation. Und so wundert es kaum, dass der DHV nach dem
jüngsten Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zu
Studiengebühren, das den Bund erneut in seine Schranken
verwies, sogar den Rücktritt Bulmahns forderte.
Begründung: Die Liste ihrer politischen Niederlagen und
Fehlentscheidungen sei einfach zu lang.
In der Tat hat die Ministerin, die Deutschland fit für die
Wissensgesellschaft machen sollte, in ihrer bisherigen Amtszeit so
manche Niederlage einstecken müssen. Die Rückschläge
resultieren vor allem aus dem traditionellen Machtpoker zwischen
Bund und Ländern um die Hoheit in der Bildungspolitik.
"Knüppel aus dem Sack" lautet die Devise vieler
CDU-Ministerpräsidenten und Wissenschaftsminister, sobald der
Bund ihren Geltungsbereich berührt.
Beispiel Nummer eins: Die Einführung der Juniorprofessur im
Jahr 2002, ein Eckpfeiler der rot-grünen Hochschulreform.
Edelgard Bulmahn wollte damit neue Karrierewege für
Nachwuchswissenschaftler schaffen. Die Juniorprofessur sollte dazu
führen, dass Forscher früher als bisher
selbstständig forschen und lehren - und zwar ohne den Umweg
der zeitraubenden Habilitation. Doch drei Bundesländer klagten
erfolgreich in Karlsruhe gegen "die Einmischung" Bulmahns in
Länderkompetenzen. Das BVerfG sprach dem Bund das Recht ab,
die Personalstrukturen der Hochschulen in ihren Grundlagen zu
verändern und erklärte die rahmenrechtliche Regelung der
Juniorprofessur für verfassungswidrig. Die
Bundesbildungsministerin Bulmahn war gezwungen, das Gesetz
nachzubessern.
Während sie bei der Juniorprofessur heute immerhin
behaupten kann, "das Erfolgsmodell" bestehe fort (rund 620
Juniorprofessoren arbeiten mittlerweile erfolgreich an deutschen
Hochschulen), war die zweite Niederlage vor dem BVerfG ein klares
K.o.: Das Gericht stärkte erneut die Kompetenzen der
Länder und kippte Bulmahns Verbot von Studiengebühren.
Für die Ministerin war das wohl die bitterste
Enttäuschung ihrer bisherigen Amtszeit. Denn für die
Tochter eines Binnenschiffers und einer Friseuse, die ihre
akademische Laufbahn nur mir Hilfe von BAföG verwirklichen
konnte, ist der gebührenfreie Zugang zur Hochschule eine
Errungenschaft, die Chancengleichheit garantiert: "Wenn der Zugang
zu den Hochschulen abhängig davon ist, ob meine Eltern
Studiengebühren bezahlen können oder nicht, dann
verabschiedet sich die Demokratie von einem ihrer wichtigsten
Grundsätze", rechtfertigte Bulmahn ihr Gebührenverbot vor
der Opposition - und vor Parteifreunden, die selbst mit
Studiengebühren liebäugeln.
Über ihr eigenes Studium in Politik und Anglistik an der
Uni Hamburg sagte die ehemalige Studienrätin einmal, sie habe
die Universität "als ein Paradies des Wissens" empfunden.
Heute dürfte ihr die Debatte um deutsche Wissensparadiese mehr
Kopfschmerzen als Wohlgefühl bereiten. Niederlage Nummer drei:
Ihr Programm zur Förderung von Elitehochschulen wurde
monatelang ebenfalls Opfer der föderativen Gemengelage, in der
die Bildungspolitik immer mehr zum parteipolitischen Zankapfel
wird. "Deutschland hat viele gute Universitäten, es fehlen
aber Zentren mit internationaler Ausstrahlung", hatte Bulmahn,
deren Herz vor allem an der Forschung hängt, für die
Spitzenförderung geworben. Wegen der Differenzen bei der
Föderalismusreform lag das Programm lange auf Eis. Im Juni
haben sich die Ministerpräsidenten der Länder nun
überraschend doch noch einigen können - überraschend
deshalb, weil vor der Bundestagswahl damit kaum noch zu rechnen
war. Zwar blieb vom ursprünglichen Entwurf Bulmahns, die
einzelne Elitehochschulen fördern wollte, nicht viel
übrig. Dennoch verkauft die rot-grüne Bundesregierung den
Kompromiss als Erfolg - alles andere hätte weder der
Ministerin noch dem derzeitigen Wahlkampf gut getan.
Doch die spektakulären Rückschläge verdecken eine
Reihe von Erfolgen, die sich die Sozialdemokratin auf die Fahnen
schreiben kann. So setzte sie die längst überfällige
Reform des BAföG durch, stockte die Höchstbeträge
und die Freibeträge der Eltern auf. Den Wünschen einiger
CDU-Politiker, man möge das BAföG doch bitte abschaffen,
widerspricht Bulmahn bis heute energisch - was nach der
vorgezogenen Bundestagswahl passiert, steht freilich auf einem
anderen Blatt.
In der Berufsausbildung gelang Bulmahn eine Modernisierung des
dualen Systems, die in Form des neuen Berufsbildungsgesetzes im
April in Kraft getreten ist. In der Forschung forcierte sie die
Weiterentwicklung der zukunftsträchtigen Nanotechnologie. Auch
beim Thema Schule war die ehemalige Studienrätin nicht
untätig. Nach dem PISA-Schock legte das BMBF sein
Vier-Milliarden-Programm zur Förderung von Ganztagsschulen
auf, die Bulmahn flächendeckend verwirklichen will.
Außerdem gilt die Ministerin als Vorkämpferin bundesweit
einheitlicher Bildungsstandards.
Während sie selbst überzeugt ist, vor allem mit der
Ganztagsschul-initiative einen "Paradigmenwechsel im deutschen
Bildungssystem" eingeleitet zu haben, halten viele Schulexperten
die Antwort des Bundes auf PISA für unzureichend. Doch viel
mehr ist nicht drin, weil für das Megathema "Schule"
ausschließlich die Länder zuständig sind.
"Es ist gut, dass die Bildungspolitik in den Mittelpunkt der
öffentlichen Debatte gerückt ist", hatte Bulmahn zu
Beginn ihrer zweiten Amtszeit konstatiert. Die Bundesregierung habe
die Weichen für die Erneuerung des Bildungssystems gestellt.
Doch wohin der Zug fährt, darauf hatte die Noch-Chefin des
rot-grünen Schlüsselressorts zum Schluss immer weniger
Einfluss.
Die Autorin ist freie Journalistin, Frankfurt.
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