|
|
Ines Gollnick
Kann die KMK ihren Ruf aufpolieren?
Neue Wege sind zu beschreiten
Das "Sekretariat der Ständigen Konferenz
der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik
Deutschland", kurz KMK genannt, dürfte nicht nur die
bekannteste, sondern auch die derzeit umstrittenste
Länderministerkonferenz sein. Ihr Zweck ist es, in der
föderal organisierten Republik zwischen den Ländern "ein
Mindestmaß an Gemeinsamkeit und Vergleichbarkeit im
Bildungswesen zu gewährleisten" - und damit die Mobilität
zu sichern.
Also, wer von Bayern nach Hamburg zieht, soll
ähnliche Bildungschancen vorfinden wie derjenige, der von
Berlin nach Rheinland-Pfalz wechselt. Bildung ist der Kern des
verfassungsrechtlich verankerten Kulturföderalismus. Die
Länder nehmen die Aufgabe in gesamtstaatlicher Verantwortung
war. Deshalb muss im Vergleich mit anderen politischen Ressorts
auch wesentlich mehr koordiniert werden.
Wenn von KMK die Rede ist, ist zweierlei
gemeint: zum einen das Gremium der Kultusminister, die sich bei
dieser Aufgabe an einem Ort abstimmen müssen, und zum anderen
das Sekretariat als Instrument, das sie dafür brauchen. Kritik
an der KMK gab es immer, seit PISA 2001 prasselte sie aber vehement
auf die Institution ein. Durch den öffentlichen Druck, den die
OECD-Studie ausgelöst hat, stieg die Reformbereitschaft und
die Handlungsfähigkeit. Mehr als 50 Prozent der Gremien der
KMK wurden als Auftrag der Ministerpräsidentenkonferenz von
Mitte 2004 aufgelöst, einige Ausschüsse und
Arbeitsgruppen durch ein Berichterstattersystem ersetzt sowie
Zuständigkeiten neu geordnet und gestrafft. Ein effizienteres
Arbeiten und beschleunigte Beschlüsse sind das Ziel.
KMK-Generalsekretär Erich Thies, seit 1998 in dieser Funktion,
verweist darauf, dass bereits vor PISA im Ständigen
Sekretariat immer Veränderungen vorgenommen worden sind. 1999
seien die Gremien der KMK bereits um ein Drittel reduziert
worden.
Kritik, die zu Vergleichen aus der Tierwelt
führte, wie "Die KMK hat die Schnelligkeit einer griechischen
Landschildkröte", sind für ihn eine Form des Populismus,
die den Paradigmenwechsel in der KMK übersieht. Die
Kündigung des Abkommens über das Sekretariat durch das
Land Niedersachsen passt nach seiner Meinung nicht mit der Absicht
zusammen, die Länder in ihrer föderalen gesamtstaatlichen
Verantwortung für den Bildungsbereich zu
stärken.
Abschied vom
Einstimmigkeitsprinzip
Um flexibler zu werden, zählt zur Reform
auch der Abschied vom Einstimmigkeitsprinzip für einige
Beschlüsse. Einstimmigkeit ist aber weiterhin für solche
Beschlüsse erforderlich, die der Herstellung der notwendigen
Einheitlichkeit und Mobilität im Bildungswesen dienen und die
sich auf die Landeshaushalte oder auf gemeinsame Einrichtungen
auswirken. Dass im Dezember 2004 der Beschluss zu den Standards in
der Lehrerbildung einstimmig gefasst wurde, darf als Fortschritt im
Bildungsbereich gewertet werden.
Generalsekretär Thies hätte sich
besonders nach dem politischen Paukenschlag aus Niedersachsen mehr
Sachlichkeit und Korrektheit in der Debatte gewünscht. Der
Pauschalkritik, dass mehr als 200 Mitarbeiter des Sekretariats rund
50 Millionen Euro verschlingen würden, setzt er entgegen, dass
schon seit 1996 im normalen Einsparprozess etwa zehn Prozent der
Stellen abgebaut wurden und der Etat überwiegend aus
durchlaufenden Mitteln besteht, zum Beispiel für die
Kulturstiftung der Länder. Von den heute etwas mehr als 200
Stellen seien lediglich 80 bis 90 für den KMK-spezifischen
Bereich zuständig. Und von den rund 50 Millionen Euro im Etat
2005 würden etwas mehr als 15 Millionen Euro für die
KMK-spezifische Arbeit eingesetzt. Die Mehrheit der Mitarbeiter
befasse sich mit Dienstleistungen für die Länder, die
diese sonst dezentral bearbeiten müssten. Dazu zählt
beispielsweise der Pädagogische Austauschdienst (PAD), der
jährlich Austauschmaßnahmen von rund 35.000 Teilnehmern
mit 90 Staaten bearbeitet. Die Zentralstelle für das
ausländische Bildungswesen begutachtet jährlich rund
15.000 ausländische Bildungsnachweise und ordnet sie in das
deutsche Bildungssystem ein. "Durch diese Zentralisierung sollen
Kosten gespart werden", erinnert der Manager des Sekretariats. "Vor
diesem Hintergrund ist Kritik in der Form, wie kopflastig und
überzogen das Sekretariat sei, bitter."
Kontraproduktive
Stellenstreichungen
Thies Aufgabe ist es jetzt, in einem kurzen
Zeitraum nochmals 15 Prozent der Stellen einzusparen und weitere
fünf Prozent im laufenden Prozess. Diese Stellenstreichung
hält er allerdings für kontraproduktiv. Wenn man einen
Paradigmenwechsel wolle und es nicht mehr darum gehe, über den
kleinsten gemeinsamen Nenner formale Regelungen über die
Anerkennung von Abschlüssen zu verabschieden, sondern wenn es
um Qualitätsfragen gehe, sei das eine fundamental andere
Arbeitsweise. Wenn die Länder ihre gesamtstaatliche
Verantwortung im Bildungswesen eben nicht nur reaktiv, sondern
gestalterisch mit Blick in die Zukunft wahrnehmen wollten, dann
brauche man die Bereitschaft der Länder, dies aktiv und
konzeptionell zu tun. Dafür müsse es einen Apparat geben,
der dies vorbereitet. "Ich hätte gerne auf eine Reihe von
Stellen zurückgegriffen, die jetzt entfallen müssen, um
genau diese konzeptionelle Arbeit der Qualitätssicherung
stärker wahrnehmen zu können, als es jetzt möglich
ist", begründet Thies seine Position.
Ob berechtigt oder nicht: Die Kündigung
des Sekretariats hat für die Reform des Hauses Druck erzeugt,
der für die Veränderung der Bildungslandschaft nur
positiv sein kann. Die Kultusminister und -ministerinnen haben
Anfang Dezember 2004 ein Reformkonzept verabschiedet, das mit dem
Beschluss der Regierungschefs der Länder vom 15. Dezember 2004
grundsätzlich darin übereinstimmt, dass das bisherige
Sekretariatsabkommen auch über den 31. Dezember 2005 hinaus
fortbesteht.
Der Außendruck hat auch Bewegung unter
den Ministern ausgelöst. In eindrucksvoll kurzer Zeit sind die
überprüfbaren Lernziele in den Kernfächern Deutsch,
Englisch und Mathematik verabschiedet worden. Ebenso zügig ist
in Berlin an der Humboldt-Universität das Institut zur
Qualitätsentwicklung im Bildungsbereich (IQB) gegründet
worden, das in Kooperation mit anderen Hochschulen und
Forschungseinrichtungen zur Qualitätsverbesserung von Schulen
in Deutschland beitragen soll. Um die bei PISA 2003 festgestellte
Kluft zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg zu verringern,
werden einzelne Bundesländer mit Good-practice-Erfahrungen die
Federführung bei der Abstimmung gemeinsamer Vorhaben
übernehmen. So wird beispielsweise die Konzeption von
Fortbildungen zur allgemeinen Lerndiagnostik und zur fachlichen
Diagnostik unter der Federführung von Nordrhein-Westfalen
vorgelegt. Die Frage, ob die KMK überflüssig ist, stellt
sich nicht. Ob sie ihren Ruf aufpolieren kann, wird die nahe
Zukunft zeigen.
Zurück zur Übersicht
|