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Margret Kiosz
Reformideen begraben
Schleswig-Holstein
Fortschrittlich sollte das neue Schulsystem in
Schleswig-Holstein werden. Mit Schulen, in denen die Kinder bis zur
neunten Klasse gemeinsam lernen und das Sitzenbleiben abgeschafft
wird. Das zumindest sah der Koalitionsvertrag der rot-grünen
Minderheitsregierung nach der Landtagwahl im Februar 2005 vor. Doch
dann kam alles anders. Nach der gescheiteren
Ministerpräsidentinnenwahl und der Bildung einer Koalition aus
CDU und SPD wurden die Reformideen wieder begraben. Stattdessen
soll das bewährte dreigliedrige Schulsystem gefestigt und
fortentwickelt werden. Nach der vierjährigen Grundschule
werden die Zehnjährigen wie bisher - je nach Begabung und
Elternwillen - auf Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien
aufgeteilt. Neu ist allerdings, dass jetzt auch in
Schleswig-Holstein das Abitur bereits nach zwölf Jahren
gemacht wird, und das Land das Kurssystem in der gymnasialen
Oberstufe abschafft. Diese Rückkehr zum Unterricht im
Klassenverband sorgte bei Schülern, Eltern und Gewerkschaften
für erhebliche Proteste.
Fortsetzen will die neue Koalition in Kiel jedoch den Kurs der
Vorgängerregierung, in allen Klassenstufen ein engmaschiges
System der Qualitätskontrolle einzuführen.
Vergleichsarbeiten schon ab der Grundschule und
Abschlussprüfungen am Ende der Sekundarstufe I - sowohl
für die Realschüler als auch für die Gymnasiasten -
werden obligatorisch. Auch bei der Frühförderung kann die
alte und neue Bildungsministerin Ute Erdsiek-Rave (SPD) den 2004
eingeleiteten Reformprozess weiterführen. Sprachstandmessungen
im Kindergarten mit entsprechender Förderung bei
diagnostizierten Mängeln gehören genauso dazu wie die
obligatorische Einführung von Fremdsprachenunterricht in der
Grundschule. 150 Millionen Euro "frisches Geld" soll in den
kommenden fünf Jahren locker gemacht werden, um die Schulen
und die jungen Menschen fit für die Zukunft zu machen. Die
verlässliche Grundschule, die Einführung von
Ganztagsschulen, ein Vertretungsfonds und die Verbesserung der
Förderung schwacher Schüler sollen aus diesem Topf
bezahlt werden. Ob das erklärte Ziel der Landesregierung, die
Durchlässigkeit des Schulsystem zu verbessern und mehr
Schülern den Aufstieg in die nächsthöhere Schulart
zu ermöglichen, Wirklichkeit wird, muss die Zukunft zeigen.
Bislang war der Schulwechsel immer eine Einbahnstraße nach
unten, der die soziale Selektion im Schulsystem Schleswig-Holstein
verschärfte.
Die Autorin ist freie Journalistin, Kiel.
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