Karin Wolff
Geteiltes Schulsystem gezielt stärken
Dreigliedriges Schulsystem: Pro - Klare Absage
an die "Einheitsschule"
Wer als Antwort auf PISA und andere Bildungsstudien auf die
Einheitsschule setzt, der greift nicht nur tief in die ideologische
Mottenkiste, sondern betrachtet Bildung auch aus einem
gänzlich falschen Blickwinkel. Bei der
Qualitätsverbesserung unseres Bildungswesens dürfen
Organisationsfragen nicht im Vordergrund stehen. Es geht um die
persönliche und berufliche Entwicklung junger Menschen und
darum, jeden einzelnen bestmöglich auszubilden.
Schule muss vom Kind her gedacht werden. Nicht alle Kinder
können auf dem gleichen Weg zum gleichen Ziel gelangen. Sie
haben verschiedene Begabungen, unterschiedliche Stärken und
Schwächen. Deshalb ist eine Differenzierung erforderlich. Die
individuelle Förderung jedes Kindes ist nur über ein
vielfältiges schulisches Angebot möglich, das alle zu
ihren jeweils besten Leistungen führt.
Wer glaubt, die Strukturfrage sei das Allheilmittel, scheint mir
zu faul, die tatsächlichen Herausforderungen - guter
Unterricht, gute Lehrerbildung, frühe Bildung - anzunehmen.
Daher fördern wir in Hessen Begabte ebenso wie schwache
Schüler, entwickeln neue Bildungskonzepte für den
Übergang vom Kindergarten zur Schule, machen fortlaufend
Lernstandsermittlung in allen Schulformen und reformieren die
Lehrerbildung, indem wir sie praxisnäher auf die Schule
ausrichten und den Lehrern mehr diagnostische und methodische
Kompetenzen vermitteln.
Falsche Argumentation
Die Befürworter der Einheitsschule führen gerne die
Ergebnisse von PISA als Argument gegen das geteilte Schulsystem an.
Auch hier liegen sie völlig falsch: Die Unterschiede zwischen
den einzelnen Ländern lassen sich nicht mit Schulsystemen
erklären. Schon die Auswertung der deutschen Schullandschaft
zeigt, dass Länder wie Bayern und Baden-Württemberg mit
einem klar gegliederten Schulwesen die besten Ergebnisse erzielen.
International liegen Gesamtschulen im vorderen und hinteren
Bereich.
Auch der oft zitierte Vergleich mit Finnland hinkt: Die
finnische Schule ist wegen ihrer starken Binnendifferenzierung -
Schülerinnen und Schüler werden nur nach Eignung für
bestimmte Kurse zugelassen - nicht die viel beschworene
Einheitsschule. Vorbildhaft ist in Finnland das Verhältnis
zwischen Lehrern, Schülern und Eltern: Es ist geprägt von
gegenseitiger Wertschätzung. Die Finnen bringen nicht allein
die Bildung, sondern allen für die Bildung Verantwortlichen
enormen Respekt entgegen. Der Lehrerberuf genießt in Finnland
höchstes Ansehen.
Befürworter der Einheitsschule übergehen außerdem
stillschweigend eine weitere Tatsache, die in vielen
internationalen Studien festgestellt wurde: In homogenen
Lerngruppen - auch dies ist übrigens sehr relativ - wird ein
größerer Bildungserfolg erzielt.
Gymnasien und Realschulen überlegen
Die PISA-Zahlen für Deutschland sprechen eine deutliche
Sprache: Sie zeigen eindeutig die Überlegenheit von Gymnasien
und Realschulen im Vergleich zu den Gesamtschulen. Die
durchschnittliche Schulleistung eines Gesamtschülers rangiert
nach PISA gerade einmal zwischen der eines Haupt- und eines
Realschülers.
Die richtige Reaktion auf PISA ist, unsere Schulen dort zu
reformieren, wo sie Schwächen aufweisen und unser
differenziertes Schulsystem gezielt zu stärken. Dabei
heißt der hessische Weg: mehr Selbstverantwortung für die
Schulen. Die hessische Schule von morgen wird mehr
Entscheidungsfreiheit bei organisatorischen, personellen und
finanziellen Fragen haben. Sie erhält einen größeren
Handlungsspielraum beim Erreichen von Zielvorgaben. Messlatte sind
die von der Kultusministerkonferenz der Länder beschlossenen
Bildungsstandards. Sie beschreiben, was die Schule zu einem
bestimmten Zeitpunkt erreicht haben muss und sind so die
unerlässliche Voraussetzung für Messungen, ob die Schule
wirksam war. Im internationalen Vergleich zeigt sich, dass jene
Länder, die nach früheren Schulvergleichsstudien der
80er-Jahre klare Standards definiert haben, seither erhebliche
Fortschritte machen.
Mit Vergleichsarbeiten und zentral gestellten
Abschlussprüfungen für die hessischen Schülerinnen
und Schüler in allen Bildungsgängen werden wir zeigen,
dass wir die Bildungsstandards erfüllen. Jede Schule muss sich
für sich bewähren. Basis für die
Qualitätsverbesserung in unserem Schulwesen ist eine neue
Kultur der Anstrengung und Leistung. Hessen ist auf dem besten Weg,
diese neue Kultur zu etablieren.
Die Autorin und CDU-Politikerin ist Kultusministerin des Landes
Hessen.
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