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Kirsten Burckschat
Mehr geliebt als gefürchtet
Die Schulinspektion bringt Niedersachsens
Schulen auf Touren
Nach den Sommerferien steht den niedersächsischen
Schulleitern eine besondere Prüfung bevor. Zum ersten Mal
werden nicht ihre Schüler sondern ihre Schulen benotet, denn
Niedersachsen führt jetzt nach niederländischem Vorbild
die externe Schulinspektion ein. Jede der 3.200 öffentlichen
Schulen im Land soll von zwei Inspektoren anhand eines
standardisierten Fragenkatalogs auf ihre Stärken und
Schwächen hin überprüft werden. Für
Kultusminister Bernd Busemann ist das ein wichtiger Baustein seiner
Schulreform. Die flächendeckende und systematische
Bestandsaufnahme soll den Schulen zeigen, wo sie stehen und ihnen
Kriterien liefern, um aus eigener Kraft die Qualität ihrer
Schule zu verbessern. Alle vier Jahre wird eine weitere
Inspektionen erfolgen, um die Schulqualität dauerhaft zu
kontrollieren und landesweite Qualitätsstandards zu
garantieren. "Wir brauchen eine Kultur der
Leistungsüberprüfungen", heißt Busemanns Botschaft
nach dem PISA-Schock. Gleichzeitig verspricht er den Schulen mehr
Freiraum, mehr staatliche Beratung sowie eine Reform der
Schulaufsicht.
In der Idylle des eigens dafür umgebauten Barock-schlosses
von Bad Iburg werden seit April die ersten 30 der insgesamt 67
Schulinspektoren ausgebildet. Die meisten kommen selbst aus dem
Schuldienst. "Sie müssen neben dem Fachlichen vor allem
lernen, ihre Rolle als Prüfer anzunehmen, zu leben und
sensibel mit den Schulen umzugehen", erklärt Projektleiter
Peter Uhlig. Am Ende müssen die professionellen
Schulprüfer in der Lage sein, sich in nur zwei Tagen ein Bild
von einer Schule zu machen.
Individuelles Qualitätszeugnis
Kern jeder Schulvisitation ist die Beobachtung des Unterrichts.
Im 20-Minuten-Takt wechseln die Prüfer die Klassen, um sich
einen Überblick über Lerninhalte und -ziele, Lernmittel
und Methoden, das Klassenklima oder den persönlichen Umgang zu
verschaffen. Daneben müssen sie auch das Lernumfeld und die
Schulorganisation beurteilen. Sie fragen nach der personellen
Ausstattung, nach Förderpogrammen, Kollegialität,
Lernkultur oder sozialer Integration. Sie begutachten
Pausenhöfe, Klassenzimmer und die Anbindung der Schule in
örtliche Strukturen. Insgesamt prüfen sie 16
Qualitätskriterien. Drei Monate später erhält die
Schule ihr individuelles Qualitätszeugnis, das Lehrern,
Schülern und Eltern zur Verfügung gestellt wird.
Schwache Schulen oder Schulen in Problemregionen
befürchten, dass sich die Ergebnisse herumsprechen und ein
Schulranking entsteht. Ihnen würden dann Schüler und gute
Lehrer davonlaufen, heißt es. "Ein solches Ranking ist nicht
gewollt", erklärt Busemann, "aber es lässt sich kaum
verhindern". Er nimmt diesen Preis für die allgemeine Anhebung
der Schulqualität in Kauf. "Man muss den Schulen klar sagen,
dass sie sich dem Wettbewerb stellen und an sich arbeiten
müssen", sagt er.
Wieviel Mehrarbeit eine einzige Schulinspektion bedeutet, konnte
die Halepaghenschule in Buxtehude schon spüren. Das Gymnasium
gehört zu den 30 Schulen, die freiwillig an einer
Probeinspektion teilgenommen haben. Wochenlang haben Ulrich Amthor
und seine Kollegen in ihrer Freizeit Daten und Fakten
zusammengetragen, ihr pädagogisches Selbstverständnis
diskutiert und ein Schulprogramm erarbeitet, um den Inspektoren
Rede und Antwort stehen zu können. Amthor leitet an der Schule
die Steuergruppe Qualitätsentwicklung und findet, dass sich
der Aufwand der Inspektion lohnt: ",In manchen Fragen ist man eben
doch betriebsblind oder auf Beratung angewiesen." So musste sich
die Schule von Unternehmensberater Klaus Dyrda, der das Projekt
begleitet hat, Defizite in der internen Kommunikation vorhalten
lassen. Für Dyrda ist das ein typisches Phänomen: "Lehrer
sind Einzelgänger und wissen selten, wie man Teams oder
Projekte entwickelt und führt. Sie müssen hier ihre
Professionalität erhöhen, wenn sie Schulentwicklung
betreiben und innovativ sein wollen." Die Schulleiter stünden
solchen Themen zunehmend aufgeschlossen gegenüber,
erklärt die Vorsitzende des Schulleiterverbandes in
Niedersachsens, Helga Akkermann. " Wir wissen, dass wir
künftig mehr Managementaufgaben übernehmen müssen."
Das erklärte Ziel der Landesregierung ist die
"Eigenverantwortliche Schule", in der die Schulleitung bald schon
weitgehende Personal- und Budgethoheit bekommen soll. Das
stärkt die Rolle der Schulleiter, verändert aber auch
ihre Aufgaben.
Allen voran die Gewerkschaften kritisieren, dass bei derlei
Formen modernen Schulmanagaments die Bildungsinhalte und der
Bildungsauftrag auf der Strecke bleiben. Die GEW warnt schon vor
einer Privatisierung des Bildungswesens und im Philologenverband
heißt es: "Man soll sich auf den Unterricht konzentrieren,
statt über die Toiletten und die Anzahl der Computer zu
diskutieren", so der bildungspolitische Sprecher Wolfgang
Steinbrecht. Er hält die Inspektionen für
oberflächlich und untauglich, und rät, den Schulen mehr
zuzutrauen: "Sie haben alle Instrumente, um sich selber
weiterzuentwickeln."
In den inspizierten Schulen sieht man das offenbar anders. Nach
anfänglichen Ängsten vor den Unterrichtskontrollen, so
die Auskunft aller Schulen, seien die Lehrer geradezu erleichtert,
dass Probleme endlich auf den Tisch kommen und ein neuer Dialog in
Gang gesetzt wird. Insgesamt beobachtet Helga Akkermann eine
Aufbruchstimmung an Niedersachsens Schulen: "Die Schulinspektion
ist ein sehr guter Spiegel, der uns vorgehalten wird, um uns unsere
wahren Leistungen aufzuzeigen. Und sie ist Rückenwind für
alle, die sich für eine gute Schule engagieren."
Verbesserungen trotz knapper Kassen
Sie fordert jedoch von der Politik, die Schulen mit den
Ergebnissen der Inspektion nicht alleine zu lassen. Sie
könnten sich dauerhaft nur verbessern, wenn die Regierung Wort
halte und tatsächlich das staatliche Angebot an Fortbildung,
Personal, Finanzen ausbaue und die Lehrerausbildung optimiere.
Angesichts der wachsenden Belastungen für die Schulleiter
dürften dann aber auch Leitungszeiten und Vergütungen
kein Tabuthema mehr sein. Die Schulen müssten ohnehin schon
viele Zusatzaufgaben in den Bereichen Erziehung oder Gesundheit
verkraften. Im Ministerium hofft man angesichts knapper Kassen,
dass die Schulen ihre Qualitätsverbesserungen durch Um- und
Neuorganisation weitgehend aus dem Bestand leisten können. Das
hält Ackermann für unmöglich. "Dann wird die
Schulinspektion auf dem Rücken der Schulleiter und Lehrer
ausgetragen, die eines Tages unter der Last eines modernen
Schulmanagements zusammenbrechen."
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