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Marco Heinen
Lehrer müssen noch viel lernen
Qualifiziertes Personal droht laut OECD-Bericht
Mangelware zu werden - nicht nur in Deutschland
Wenn die deutschen Schüler im internationalen Vergleich so
schlecht abschneiden, heißt das nicht, dass vor allem auch die
Lehrer umlernen müssen? Die OECD-Studie über "Anwerbung,
berufliche Entwicklung und Verbleib von qualifizierten Lehrerinnen
und Lehrern" beantwortet diese Frage eindeutig mit Ja. Was getan
werden muss, das versuchten fünf OECD-Experten aufzuzeigen,
nachdem sie im September 2004 die Situation der Lehrer in
Baden-Württemberg, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und
Hamburg unter die Lupe genommen hatten. Ihr Deutschlandbericht
gehörte zu einer wenige Monate später vorgestellten
Vergleichsstudie, an der sich 25 Staaten beteiligten.
Der Tenor der Analyse fällt nicht sehr positiv aus. Unterm
Strich bleibt die Erkenntnis, dass qualifiziertes Personal in fast
allen Ländern zur Mangelware zu werden droht. Die deutsche
Lehrerschaft ist dabei eine der ältesten aller
OECD-Länder. Doch nicht nur die bevorstehende
Pensionierungswelle, sondern auch die mangelnde Attraktivität
des Lehrerberufes gibt Anlass zur Sorge. Vor allem aber bedarf es
nach Ansicht der Experten einiger Reformen bei der Aus- und
Fortbildung. Nirgendwo sonst in Europa dauert die Erstausbildung so
lange wie in Deutschland. Mit dem erfolgreichen Abschluss des
Ersten und Zweiten Staatsexamens und der anschließenden Probe-
und Bewährungszeit ist es mit den Leistungskontrollen dann
aber weitgehend vorbei. "Der nachfolgende Ausbau der Fertigkeiten
und Techniken bleibt dem einzelnen Lehrer überlassen und
hängt von seinem Interesse und Enthusiasmus ab", schreiben die
OECD-Experten, die zugleich erste Reformschritte in diesem Bereich
ausmachen.
Zwar wird die zweite Ausbildungsphase des "Lernens im Beruf"
grundsätzlich positiv bewertet, doch sei sie von der
universitären ersten Phase zu sehr abgekoppelt. Und: Die
Lehrerbildung sei sehr stark fachwissenschaftlich orientiert, aber
es fehle die "Verbindung zum didaktischen Repertoire eines
Lehrers". Die Lernkompetenzen der Schüler zu entwickeln, den
Unterricht auf individuelle Bedürfnisse abzustimmen oder
kooperatives Lernen in Gruppen zu organisieren, das bekommen
deutsche Lehrkräfte nicht mit auf den Weg, stellen die Macher
der Studie fest. Sie sprechen sich für kürzere
Ausbildungszeiten bei gleichzeitig größerem Praxisbezug
aus.
Heilige Kuh Lehrerbeamtentum
An erster Stelle ihrer bildungspolitischen Forderungen steht
aber die Schaffung eines neuen Lehrerleitbildes. Es werde immer
öfter vorkommen, dass Lehrer in der Praxis auf
Lernschwierigkeiten, besondere Fähigkeiten oder soziale
Unterschiede der Schüler eingehen müssten. Hinzu komme
der wachsende Bedarf an individueller Unterstützung und
Förderung mit neuen, kreativen Methoden. Wichtige
Hilfestellungen für die Lehrer muss nach Ansicht der
OECD-Experten dabei die Schule als Organisation leisten, etwa durch
intensive Kommunikation, Strategiepläne,
Qualitätsmanagement und Selbstevaluation. Mehr
Eigenverantwortung ist der Schlüsselbegriff. Quasi als
logische Konsequenz aus dem neuen Leitbild sehen die Experten auch
die Definition der Ziele der Erstausbildung sowie der Fort- und
Weiterbildung. Die damit angesprochene Einführung von
Standards bei der Lehrerbildung wurde inzwischen von der
Kultusministerkonferenz auf den Weg gebracht.
Schluss gemacht werden muss nach Einschätzung der Autoren
mit einem der Hauptschwachpunkte, der fächer- und
schulartenbezogenen Fragmentierung des Systems, das mehr als 40
Lehramtstypen kennt und letztlich einen Hemmschuh für die
Flexibilität darstellt. Die eingesparten Ressourcen sollten
besser in die Fortbildung gesteckt werden, meinen die Experten. Sie
sprechen auch ein Thema an, an das sich in Deutschland niemand
recht heranwagt: Die heilige Kuh des Lehrer-Beamtentums würden
sie am liebsten schlachten. "Für das Prüfungsteam ist
nicht ersichtlich, dass ein Beamtenstatus, der sich durch
umfassende Arbeitsplatzsicherheit und begrenzte Mechanismen
für die Lehrkräfteevaluation und Feedback auszeichnet,
der zur Erreichung dieses Ziels am besten geeignete
Beschäftigungstyp ist", heißt es trocken. Statt dessen
schwebt den Experten ein regelmäßig alle fünf bis
sieben Jahre zu wiederholender Eignungstest vor, der im Notfall
auch den Rausschmiss nach sich ziehen könnte. In ihrem
Gegenentwurf dringen sie zugleich auf eine Verbesserung der
Laufbahnstruktur und mehr Anreize für Lehrkräfte, die
sich von solchen Änderungen wohl auch einen Imagegewinn
erwarten dürften.
Obwohl die Empfehlungen des OECD-Teams sehr konkret seien, seien
die im Bericht enthaltenen Ansätze in Sachen Lehrerbildung
doch nur ein "ganz, ganz kleines Stück von Vorarbeit" auf dem
Weg zu einem Gesamtbild. Das meint jedenfalls Professorin Sigrid
Blömeke von der Berliner Humboldt-Universität. Sie ist
Leiterin der deutschen Projektgruppe für die geplante "Teacher
Education and Developement Study (TEDS)", die von der
internationalen Forschungsorganisation IEA vorbereitet wird und in
rund 30 Staaten durchgeführt werden soll. Ziel ist es, "die
Studierenden auf ihre professionelle Kompetenz hin zu testen". Denn
dazu gebe es bislang eigentlich nur Vermutungen, aber "keine
empirischen Belege". Ab 2006 sollen zunächst
Strukturinformationen zusammengetragen werden, etwa zu
Lehrergehältern und Arbeitsbedingungen. Ein Jahr später
wollen sich die Wissenschaftler dann die Universitäten und die
Lehramtskandidaten vor allem für Mathematik und
Naturwissenschaften vornehmen. Vor 2008 sei kaum mit Ergebnissen zu
rechnen, sagt Blömeke. Sie hat übrigens in sehr vielen
Ländern ein Unbehagen gegenüber der eigenen Lehrerbildung
festgestellt: "Alle denken, die Wiese auf der anderen Seite des
Zauns ist grüner."
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