|
|
Kerstin Burkschat
... und findet leichter einen Arbeitsplatz
Schülerfirmen sind im Trend - man lernt
für das Leben
Jens Schulenberg war in der Schule keine besondere Leuchte. Auch
beim Einstellungstest für die Banklehre waren seine
schriftlichen Ergebnisse mittelmäßig. Erst bei der
Zusatzaufgabe konnte er punkten. Die Bewerber mussten als Gruppe
ein Produkt entwickeln und vorstellen. Jens glänzte als
Teamplayer, bewies, dass er planen und präsentieren kann. Er
bekam den Ausbildungsplatz. "Ich habe schon ganz andere Projekte
gemanagt" sagt der 21-Jährige selbstbewusst. Gelernt hat er
das als Gründer und Geschäftsführer der
Schülerfirma axxi am Gymnasium an der Willmsstraße in
Delmenhorst. Axxi ist eine von hunderten Schülerfirmen, die in
den vergangenen Jahren gegründet wurden.
In den Firmen betreiben Schüler nach Schulschluss
Reisebüros, vermarkten Tee von indischen Ureinwohnern oder
bewirtschaften die Milchbar an der Schule inklusive Warenplanung,
Verhandlung mit Lieferanten, Ein- und Verkauf. Schulen entdecken
die Schülerfirma als Lernprinzip: "Dort können die
Schüler ihr Bedürfnis nach Eigenverantwortung ausleben,
Teamgeist und Zuverlässigkeit beweisen und individuelle
Begabungen besser zeigen als im Unterricht", erklärt
Kunstlehrer Günter Bernert. "Wir Lehrer treten in diesen
Firmen in die zweite Reihe als Moderatoren und Berater."
Umsätze und Gewinne stehen bei den Schülerfirmen nicht im
Vordergrund. Sie finanzieren sich aus externen Aufträgen.
Erwirtschaftete Überschüsse werden reinvestiert oder
fließen in ökologische und soziale Projekte.
Ökonomisch und ökologisch
Axxi ist eine Multimedia-Agentur. Das Schülerteam hat
bereits Kongresse dokumentiert, websites entworfen und Werbejingles
produziert. Der prominenteste Auftraggeber ist die
ZDF-Umweltredaktion. Axxi nimmt aber keine beliebigen Aufträge
an, denn die Firma ist dem Prinzip der Nachhaltigkeit verpflichtet.
Tätigkeiten, Struktur und Produkte der Firma müssen in
ökonomischer, ökologischer und sozialer Hinsicht
nachhaltig wirksam und verträglich sein und Formen
zukunftsfähigen Wirtschaftens berücksichtigen. Dieses
Konzept der "nachhaltigen Schülerfirmen" wurde vor fünf
Jahren durch die Bund-Länder-Kommission initiiert und
gefördert.
In diesem Jahr produziert axxi zum zweiten Mal mit dem
Nationalparkhaus eine Fernsehsendung aus dem Wattenmeer. Unter dem
Titel "e-learn watt" werden Schulen aus ganz Norddeutschland
über Internet zugeschaltet und können live Interviews und
Reportagen verfolgen und an einem Ökoquiz teilnehmen. Die
technische und inhaltliche Umsetzung wird komplett von Chefin Maike
Schmidt und ihren drei Mitstreitern aus der zwölften Klasse
geleistet. Die Jungs digitalisieren, programmieren und betreuen
Kamera- und Computertechnik. Maikes Talente liegen in der
Redaktion, Planung und Organisation. Außerdem hat sie
repräsentative Aufgaben und muss die Kontakte zu Partnern und
der lokalen Presse halten.
Die 18-jährige Geschäftsführerin steckt viel
freie Zeit in ihre Firma. "Ich lerne dabei viel und hätte nie
gedacht, dass ich mal so stolz bin, mit anderen zusammen etwas zu
schaffen und zu bewegen", sagt sie. Und auch der Erfolg tut ihr
gut, denn immer wieder wird die Professionalität der
Schülerfirma gelobt. Lehrer Bernert staunt, wie aus dem
schüchternen Mädchen eine souveräne
Geschäftsfrau geworden ist. Ihre Erfahrungen gibt Maike
freitags an die axxi-Kids weiter. 25 von ihnen wuseln aufgedreht in
der Firma herum, helfen mit, lernen von den Großen, um
später in deren Fußstapfen zu treten. Schülerfirmen
brauchen ständig Nachwuchs. Der zwölfjährige Richard
hat jetzt schon einen Platz im Vorstand. Seine Feuertaufe hat er
bei einer öffentlichen Moderation bestritten. "Wenn das
Mikrofon angeht, wird er ganz seriös, albert nicht mehr herum
und wächst über sich hinaus", erzählt Maike.
Ernst wurde es auch für den 14-jährigen Sven aus dem
niedersächsischen Ganderkesee, als ein Staatssekretär ihn
bei einer Tagung zum Thema Nachhaltigkeit in ein ernsthaftes
Gespräch über seine Schülerfirma verwickelte. "Das
war ein wichtiger Moment für seine
Persönlichkeitsbildung", beobachtet sein Lehrer Norbert
Klüh. Sven ist Hauptschüler an der Schule am
Habbrügger Weg. Dort gehört die pupils GmbH fest zum
Lehrplan. Alle Förder- und Hauptschüler der achten und
neunten Klasse haben ein Jahr lang donnerstags
Schülerfirmentag. "Wir wollen ein Stück Wirklichkeit in
die Schule holen", sagt Projektleiter Klüh. In der pupils GmbH
wird unter dem Schutz der Schule die künftige Arbeitswelt
simuliert. Das fängt mit dem Arbeitsvertrag an, indem die
Schüler sich zu Überstunden verpflichten, wenn es der
Betrieb erfordert. "Wenn wir einen Auftrag zugesagt haben,
müssen wir ihn auch durchziehen", erklärt der Lehrer dem
jungen Unternehmerteam. Und die Auftragsbücher sind voll. Zur
Zeit stattet die pupils GmbH Turnhallen mit Pinnwänden und
Holzbriefkästen aus. Die Schüler übernehmen einfache
Holzarbeiten, kleben, schrauben, endfertigen, holen Aufträge
und Angebote ein und verwalten das Projekt. Für die
maschinellen Arbeiten kooperieren sie mit einer Tischlerei. Im
Unterricht vertiefen sie dann die kaufmännischen Fragen.
Arbeit nach dem Nachhaltigkeitsprinzip
Auch diese Schülerfirma arbeitet nach dem
Nachhaltigkeitsprinzip und sagt Aufträge ab, wenn sie nicht
den ökologischen oder sozialen Anforderungen entsprechen.
"Dadurch besetzen wir Nischen und nehmen anderen Unternehmen keine
Aufträge weg", betont der Lehrer. Besonders geliebt wird von
der Ganderkeseer Bevölkerung der Cateringservice der Firma. Da
treten die pupils in ihrer blauweißen Uniform mit
Schürzen und Schiffchen an und servieren selbstgemachte
Speisen. Einstimmig bezeugen Lehrer und weiterführende
Bildungsträger die positive Entwicklung der Schüler. Sie
würden durch den "Betriebsalltag" selbständiger,
kritikfähiger und könnten durch neue Qualifikationen ihre
schlechten Ausgangschancen auf dem Arbeitsmarkt kompensieren.
Norbert Klüh empfiehlt allen Schulen diese Schulform und
wünscht sich ein großes Netzwerk an Schülerfirmen.
Ob es dazu kommt, hängt auch von der Bundesregierung ab. Dort
liegen Pläne vor, im Rahmen des Lehrstellenpaktes bundesweit
die Gründung von Schülerfirmen zu unterstützen.
Zurück zur
Übersicht
|